Vor 150 Jahren endeten die Hinrichtungen im Kirchenstaat

Die Letzten am Schafott des Papstes

Veröffentlicht am 24.11.2018 um 13:56 Uhr – Lesedauer: 

Rom  ‐ Am 24. November 1868 starben die letzten beiden Verurteilten unter der Guillotine des Kirchenstaats. Ein zeitgenössischer Bericht schildert ihren Tod als ergreifendes Schauspiel - ein "Triumph der Barmherzigkeit".

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Einmal in ihrem Leben waren Giuseppe Monti und Gaetano Tognetti berühmt, auch wenn es eine traurige Bühne war, die sie betraten auf der römischen Piazza dei Cerchi an jenem Novembermorgen 1868, die Hände gebunden, versehen mit den Sakramenten der heiligen Kirche. Sie hatten keine schwierige Rolle. Sie mussten nur niederknien, den Hals auf den Block legen und warten, dass das Fallbeil niedergeht.

So vorbildhaft, so lammfromm willigten sie ein ins Unabänderliche, dass die Jesuitenzeitschrift "Civilta Cattolica" ihnen einen Bericht von 51 Druckseiten widmete. Niemand wusste, am wenigsten Monti und Tognetti, dass ihr gutes Beispiel im Kirchenstaat keinen Nachfolger mehr finden würde. Sie waren die Letzten am Schafott des Papstes in Rom. Nach ihnen wurden auf dem Gebiet des Kirchenstaates in den Jahren 1869 und 1870 jedoch noch zwei weitere Männer hingerichtet.

Vorangegangen war ein Attentat am 22. Oktober 1867 auf eine Kaserne am Vatikan. Monti gab zu, als Anhänger der italienischen Revolution die Pulverfässer gezündet zu haben. 25 päpstliche Infanteristen starben, ausgerechnet vom internationalen Freiwilligen-Regiment, gegründet zum Schutz des Kirchenstaats. Und ausgerechnet als die Truppe unter General Hermann Kanzler vor ihrer schwersten Bewährung gegen Garibaldis Revolutionskorps stand.

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Das war ein Anschlag gegen die katholische Welt und gegen die sichtbare Existenz des Stellvertreters Christi auf Erden. Gerechtigkeit musste walten. Ein Gericht verurteilte den 33-jährigen Monti und seinen 25 Jahre alten Mitverschwörer Tognetti am 16. Oktober 1868 zum Tod. Bei Papst Pius IX. (1846-1878), dessen Nerven ohnehin blank lagen, mochte sich niemand für eine Begnadigung verwenden.

Dennoch sorgte, wie der Chronist betont, die Kirchenleitung unermüdlich für das Seelenheil der Unglücklichen und bestellte zwei Geistliche. Ende Oktober begann der Passionisten-Pater Giuliano seine Besuche im Gefängnis in der Via Giulia, predigte von der Güte Gottes und hielt Exerzitien.

"In ausgeruhter Verfasstheit"

Des Paters Aufgabe war, die Delinquenten in "reifer und ausgeruhter Verfasstheit" vor den Richtstuhl Gottes treten zu lassen. Statt, wie es in anderen Staaten aus falsch verstandener Menschlichkeit üblich wurde, Verurteilte "wie ein Tier im Schlachthaus" zu exekutieren, sollte im päpstlichen Rom "umfassende und gerechte Sühne" wirken.

Die Verurteilten lenkten angesichts ihres irdischen Endes die Gedanken williger zum Himmel. Tognetti suchte Zuflucht vor allem bei der Gottesmutter, betete allabendlich den Rosenkranz und lud auch seine fünf Zellengenossen dazu ein. Ähnlich Monti: Er legte eine Generalbeichte über sein Leben ab, meditierte viel über das Leiden Jesu und unterwies einen Mithäftling in der katholischen Lehre.

Sorgen machten Monti seine junge, wohl leicht debile Frau und sein 20 Monate alter Sohn Ciro. Von ihm verabschiedete er sich mit einem rührenden Brief. Seiner Frau Lucia hinterließ er, völlig verarmt, nur ein Andachtsbildchen mit tröstenden Worten auf der Rückseite. Der Papst versorgte später Witwe und Waise.

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Auch an Pius IX. wandte sich Monti mit einem Zeugnis seiner Bekehrung; den Brief sollte der Papst erst nach seinem Tod erhalten. Monti schwor der Revolution ab und allem, was "dem Gesetz Gottes und der heiligen Kirche feind" war. Er schloss: "Mit wahrem Verlangen Ihren heiligen Fuß küssend, erbitte ich von neuem Vergebung."

Am Vorabend des 24. November, acht Stunden vor dem Gang zum Schafott, erfuhr Tognetti, dass es soweit war. Von dem Moment an, heißt es, schien er "wie verwandelt von der Kraft des Glaubens". Dass er am nächsten Morgen sterben sollte, vernahm er "sanft wie ein Lamm und gesammelt wie ein wahrer Christ".

Dankesworte an Justizpersonal

Nun übernahm ihn die "Erzbruderschaft von der Enthauptung Johannes des Täufers", eine fromme Vereinigung, die sich der Begleitung von Todeskandidaten bis zum Begräbnis widmete. Der Abschied Tognettis vom Justizpersonal, voller Dankesworte und Ermahnungen für ein besseres Leben, rührte die Anwesenden zu Tränen. Man brachte ihn in die Kapelle zu Monti. "Peppe, die Stunde unserer Erlösung ist nah. Wir ernten die Frucht des Blutes Jesu Christi", sagte er.

Tognetti betete ohne Unterlass, betete den Rosenkranz und zwei Kreuzwege hintereinander, das Pater noster, Ave Maria, Gloria und Salve Regina im Wechsel. Am Richtplatz bei der Kirche Santa Maria in Cosmedin angelangt, bat er den Kommandanten der gesprengten Kaserne um Vergebung - so aufrichtig, dass der Oberst ihn umarmte und versprach, die Truppe werde sich um seine arme Mutter kümmern. Das Beil fiel zuerst für Monti, dann für Tognetti. Ringsum herrschte "andächtige Stille", heißt es.

"Noch nie sah ich solch eine vorbildliche Verfasstheit der Delinquenten", bezeugte einer der Vollstrecker, "und nie eine solche religiöse Ergriffenheit der Zuschauer: Es war ein echter Triumph der Barmherzigkeit Gottes, mehr als der menschlichen Gerechtigkeit." 150 Jahre nach dem Tod von Monti und Tognetti hat der Papst, der die Barmherzigkeit im Wappenspruch führt, die Todesstrafe für unvereinbar mit dem katholischen Glauben erklärt.

Von Burkhard Jürgens (KNA)