Thriller-Autor dos Santos: Wollte Thema Vatikan nie anrühren

Eine Papst-Entführung und viele Skandale

Veröffentlicht am 23.03.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Leipzig ‐ Das neu auf Deutsch erschienene Buch des portugiesischen Autors Jose dos Santos hat es in sich: In "Vaticanum" wird Papst Franziskus von Islamisten entführt. Wie er auf die Idee für das Buch kam und wie der Vatikan darauf reagierte, erzählt dos Santos im Interview.

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In Portugal kennt man ihn als "das" Gesicht der TV-Abendnachrichten, international auch als Autor packender Thriller. Zur Leipziger Buchmesse präsentiert Jose dos Santos jetzt seinen Thriller "Vaticanum" auf Deutsch. Darin wird Papst Franziskus von Islamisten entführt. Im Zuge der Ermittlungen treten allerlei reale Vatikanskandale zutage. Wie es ihm bei den Recherchen erging, berichtet dos Santos im Interview.

Frage: Herr dos Santos, Kirche, Kriminalität und ein bisschen Sex – das sind verlässliche Zutaten für einen Bestseller. Wie kamen Sie auf die konkrete Idee für "Vaticanum"?

dos Santos: Ursprünglich wollte ich das Thema Vatikan nie anrühren, weil es schon so viele Romane darüber gab. Aber als ich die Amtseinführung von Papst Franziskus sah, war ich von all dem Glanz und Prunk der Kardinäle, der Schweizergarde, der Farbenpracht, der Geschichte und Schönheit schier überwältigt und dachte mir: "Wie kannst du eine so großartige Kulisse einfach ignorieren?" Das war der Zeitpunkt, an dem ich beschloss, über den Vatikan zu schreiben. Ich war sicher, dass sich – wie immer, wenn Menschen beteiligt sind – auch hinter den schönen vatikanischen Mauern unschöne Szenen abspielten. So kam es, dass mein Roman von der Korruption innerhalb der Vatikanbank handelt.

Frage: Wie kompliziert waren die Recherchen dafür?

dos Santos: Meine Absicht war es, mit Hilfe einer fiktiven Geschichte – der Entführung des Papstes – eine wahre Geschichte – die realen Korruptionsaffären innerhalb des Vatikan – zu erzählen. Zu den Fakten gehören die tatsächlichen Umstände und die realen Namen. Dazu war eine Menge Recherche notwendig. Dabei war es enorm hilfreich, dass ich Italienisch spreche, denn zahlreiche Dokumente sind zwar in Italienisch, nicht aber in anderen Sprachen verfügbar, wie zum Beispiel Gerichtsprotokolle. Es hat mir also sehr geholfen, dass ich diese Texte problemlos im Original lesen konnte.

„Ich bin nicht religiös. Ich glaube weder, dass Jesus vom Tod auferstanden ist, noch, dass er Gottes Sohn war.“

—  Zitat: Jose dos Santos

Frage: Bekamen Sie Reaktionen aus dem Vatikan nach der Veröffentlichung Ihres Thrillers?

dos Santos: Nein, und ich habe auch keine erwartet. Die Fakten, die im Roman beschrieben werden, sind fundiert recherchiert. Manches davon ist allgemein bekannt, aber von den meisten Dingen hat die breite Öffentlichkeit noch nie etwas gehört. Was hätte der Vatikan also sagen sollen? Die Wahrheit abstreiten?

Frage: Es ist immer etwas gefährlich, wenn ein Autor eine fiktionale Geschichte mit vielen historischen Fakten und realen Personen verknüpft. Sind Sie sicher, dass der Leser immer weiß, wann die Realität endet und die Fiktion beginnt?

dos Santos: Alle meine Romane um den Protagonisten Tomas Noronha verbinden eine fiktive Geschichte mit einem wahren Hintergrund. "Das Einstein Enigma" beispielsweise beschreibt reale Entdeckungen aus der Physik hinsichtlich der Existenz Gottes in Form einer Spionagegeschichte. Wenn Tomas sich darin in eine Frau verliebt, weiß der Leser, dass es sich um Fiktion handelt. Wenn Tomas indes herausfindet, dass die Vatikanbank Geld von der Mafia erhalten hat und die Verantwortlichen darüber Bescheid wussten, dann ist das eine Tatsache. Das größte Lob für "Vaticanum" hat mir übrigens die italienische Presse gemacht. Mehrere Rezensenten äußerten sich etwa wie folgt: "Als wir dieses Buch sahen, glaubten wir, es sei bloß ein weiterer Roman über den Vatikan, aber beim Lesen wurde uns schnell klar, dass es völlig anders ist, denn alles, was dieser Thriller vermittelt, sind Tatsachen. Wir konnten es kaum glauben und haben alles nachgeprüft, so unglaublich erschien es uns." Das ist, wie gesagt, die Aussage italienischer Journalisten!

Frage: Sind Sie eigentlich ein religiöser Mensch? Glauben Sie an Gott?

dos Santos: Ich bin nicht religiös. Ich glaube weder, dass Jesus vom Tod auferstanden ist, noch, dass er Gottes Sohn war. Ich glaube auch nicht, dass Gott uns im wörtlichen Sinne beobachtet und unsere Gebete erhört. Aber ich weiß, dass die Wissenschaft Beweise dafür gefunden hat, dass es Dinge jenseits der Materie gibt, und es scheint eine absichtsvolle Instanz im Universum zu geben. Absicht weist wiederum auf einen "Beabsichtiger" hin, wenn ich es so nennen darf. Dieses Thema habe ich ausführlich in "Das Einstein Enigma" beschrieben. Und ja, in diesem Sinne glaube ich, dass es mehr gibt, als wir uns erklären können, auch wenn es nicht das gleiche ist, was die Religionen uns lehren.

Bild: ©picture alliance/Leemage

Der Portugiese Jose dos Santos ist unter anderem Autor des Thrillers "Vaticanum".

Frage: Sie sind ein erfahrener Journalist. Wie beurteilen Sie das Krisenmanagement des Vatikan?

dos Santos: Die Welt verändert sich, und im Vatikan herrschen üblicherweise ältere Männer. Papst Franziskus scheint anders zu sein. Er wirkt jünger, offener, moderner. Wird das ausreichen? Nein. Auch in der Zukunft werden Sexskandale die Kirche erschüttern, solange die Geistlichen nicht heiraten dürfen. Denn "wir bestehen alle aus dem gleichen Stoff". Sexuelle Triebe wird es immer geben. Die Kirche täte gut daran zu akzeptieren, dass ihre Geistlichen normale Menschen sind. Glauben Sie mir, ich habe das gesamte Neue Testament gelesen und konnte darin nicht eine einzige Stelle finden, in der Jesus es den Priestern verboten hätte zu heiraten. Wenn er es nicht verboten hat, wieso ist es dann nicht erlaubt? Meines Erachtens sind Geistliche normale Menschen und sollten ein normales Leben führen dürfen.

Frage: Wie kann der Vatikan Ihrer Ansicht nach seine Glaubwürdigkeit, die er im Zuge der Skandale der vergangenen Jahre eingebüßt hat, zurückgewinnen?

dos Santos: Indem er seine Priester heiraten lässt. Indem er sie normale Menschen sein und ein normales Leben führen lässt.

Von Karin Wollschläger (KNA)

Buchtipp

Jose R. dos Santos: Vaticanum. luzar publishing, 509 Seiten, 18,50 Euro.