Magdeburger Bischof in Sorge um Zustand der Demokratie

Feige: Teile der Bevölkerung scheinen sich nach einem Führer zu sehnen

Veröffentlicht am 05.11.2019 um 08:49 Uhr – Lesedauer: 

Magdeburg ‐ Wie ist es um den Zustand der Demokratie bestellt? Nach Ansicht von Bischof Gerhard Feige nicht gut. Schuld daran sei auch die gesellschaftliche Polarisierung, so der Bischof, der der AfD in diesem Kontext deutliche Vorwürfe macht.

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Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige hat sich besorgt über den Zustand der Demokratie geäußert. "Lange Zeit war ich der festen Meinung, dass sich die Demokratie bewährt, dass man sie schätzt und auch mitgestaltet. Seit einigen Jahren mache ich mir um ihren Fortbestand aber schon einige Sorgen", sagte Feige am Dienstag in einem Interview der Magdeburger "Volksstimme". Weltweit müsse man erleben, dass persönliche und nationale Eigeninteressen auf einmal wichtiger seien, als der Sinn für das Gemeinwohl, für Solidarität und Mitmenschlichkeit. "Das hatte ich so nicht erwartet", so der Bischof.

"Unverschämtes Verhalten greift immer mehr um sich"

Laut Feige ist diese Entwicklung auch eine Folge der zunehmenden gesellschaftlichen Polarisierung. "Umgangs- und Verständigungsformen werden rauer, unverschämtes Verhalten greift immer mehr um sich. Feindbilder und Verschwörungstheorien machen die Runde", erklärte der Oberhirte. Um in einer solchen Atmosphäre menschliches Zusammenleben konstruktiv zu gestalten, brauche man viel Kraft, Elan und Mut. "Vor allem aber muss sich unsere Demokratie als wehrhaft erweisen und ihre rechtlichen, sozialen und humanitären Errungenschaften zu verteidigen wissen. Der Staat ist in der Pflicht, alle seine Mittel einzusetzen, um auch weiterhin die Würde des Menschen und die Freiheit des Zusammenlebens garantieren zu können", betonte der 67-Jährige.

Es scheine in der Bevölkerung einen Teil zu geben, der sich nach einem starken Führer sehne, nach Autoritäten, die angeblich eindeutig den Weg wiesen. "Offenbar fühlt man sich von den demokratischen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen oder sogar fremdbestimmt. Dadurch wird deutlich, dass die Demokratie auch ein gefährdetes und sehr zerbrechliches Gut ist", sagte Feige. Die Entwicklung der vergangenen Jahre habe ihm klargemacht, dass Menschen zu jeder Zeit verführbar seien: "Bis dahin war es mir nicht verständlich, wie es im Deutschen Reich zur Machtergreifung durch die Nazis, zum Zweiten Weltkrieg und zur Vernichtung der Juden kommen konnte. Inzwischen ahne ich, dass so etwas auch heute nicht absolut unmöglich erscheint. Und das erschreckt und ängstigt mich."

Bischof kritisiert Grenzverletzungen durch die AfD

Sorgen äußerte Feige auch mit Blick auf die jüngsten Wahlergebnisse in Ostdeutschland und die hohe Zahl an Wechselwählern, etwa von den Linken zur AfD. "Natürlich muss es Vielfalt und Entwicklungen in einer Demokratie geben. Aber wenn das Ganze überhaupt nicht mehr berechenbar ist und solche irrationalen Wanderungen stattfinden, werden die Grundfesten der Demokratie ein Stückchen erschüttert", sagte der Bischof. Er frage sich, mit welchen Werten und Überzeugungen Menschen lebten, denen es so leicht falle, von einer politischen Seite zu einer völlig anderen zu wechseln.

Der AfD warf Feige vor, zur Polarisierung der Gesellschaft beizutragen. Immer wieder komme es in der Partei zu sprachlichen Entgleisungen und Grenzverletzungen. "Das vergiftet die Atmosphäre des menschlichen Zusammenlebens. Zudem werden Ängste geschürt und Vorurteile verbreitet", sagte der Bischof. Er finde es darüber hinaus kurios und fragwürdig, wenn "ein sogenanntes christliches Abendland" mit unchristlichen Methoden verteidigt werden solle. Für ihn, so Feige, sei klar, dass die Vorstellungen des völkisch-nationalen Flügels der AfD nicht mit der Botschaft des Evangeliums vereinbar seien. (stz)