Serie: Aus dem Priesterseminar – Teil 3

So sieht mein Tag im Priesterseminar aus

Veröffentlicht am 13.11.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ "Bete und lerne" – könnte das ein Motto für die Seminaristen aus Sankt Georgen sein? Zwar liegt Johannes Köhler ein tägliches Gebet sehr am Herzen, doch sieht sein Terminplan auch noch andere Dinge vor. Wie so ein Tag für ihn genau abläuft, verrät unser Autor im dritten Teil der katholisch.de-Serie.

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6.30 Uhr – Der Wecker klingelt

Ein normaler Tag beginnt für mich mit Waschen und Morgengebet, bestehend aus den Laudes und der Lesehore aus dem Stundengebet. Danach geht es zum Frühstück in den Speisesaal, wo alles bereitsteht. Inklusive mehrerer Tages- und Wochenzeitungen. Bis 9 Uhr kann gegessen werden, auch für Nicht-Frühaufsteher wie mich durchaus machbar. Wenn da nicht ab und zu schon um 8.45 Uhr die erste Vorlesung wäre…

8.41 Uhr – Jetzt aber schnell in den Hörsaal

Zum Hochschulgebäude ist es zum Glück nicht weit, schließlich liegt das Priesterseminar auf dem Campus. Leider verleitet das oft genug dazu, zu spät loszulaufen. Dann wird’s doch wieder hektisch. Bis 12.10 Uhr sind vormittags Vorlesungen. Gegen Ende des Studiums wird es allerdings deutlich entspannter.

12.10 Uhr – Vorlesung vorbei, auf zum Mittagsgebet

Da es um 12.30 Uhr schon zum Mittagessen geht, ist es mit dem Mittagsgebet (der Sext) oft knapp. Punkt 12.30 Uhr läutet das Glöckchen im Speisesaal und die Gespräche verstummen. Es folgt das Tischgebet und alle nehmen Platz. Nur ein paar Seminaristen laufen eilig hin und her und verteilen das Essen. Jeder ist einmal dran und am Dienstag hilft sogar das Seminarkollegium, also unsere Ausbildungsleitung. Während manche also mit dem Tischdienst beschäftigt sind, können die anderen sich in Ruhe dem Essen und den Tischgesprächen widmen. Wenn es dann an den Nachtisch geht, wird es nochmal spannend: Es folgen die Tischansagen. Und es gibt fast immer etwas zu vermelden. Bei der Ankündigung der Bar-Rechnung zuckt mancher zusammen. Genauso wie wenn es um zusätzliche Arbeiten geht. Lädt jemand zu einer Runde in die Seminarbar ein, weil er Geburtstag oder Namenstag feiert, ist die Freude natürlich groß. Geklopft wird auf jeden Fall nach jedem Beitrag.

13.00 Uhr – Sankt Georgener Gebet und Mittagspause

Nach dem Mittagessen geht es dann zum Sankt Georgener Gebet in die Seminarkirche. Es entstand während des Zweiten Weltkrieges als Zeichen der Verbundenheit der zerstreuten Seminaristen, und wird bis heute jeden Tag gebetet. Für mich ist das ein faszinierender Gedanke, dass Generationen vor mir dieses Gebet vor dem Kruzifix in der Seminarkirche gebetet haben. Im Anschluss zieht ein Teil der Seminaristen zurück in den Speisesaal, um noch einen Espresso oder Kaffee zu trinken. Andere treffen sich dazu mit Kommilitoninnen und Kommilitonen in der Mensa. Ich selbst habe zusätzlich noch eine eigene Kaffeemaschine auf dem Zimmer stehen, was es zu einem Treffpunkt für den Nachmittagskaffee macht – häufig inklusive Kuchen von meiner Oma.

Zwei Seminaristen gehen durch die Wandelhalle der Theologisch-Philosophischen Fakultät Sankt Georgen.
Bild: ©Hannah Falkenstein

Zwei Seminaristen gehen durch die Wandelhalle der Theologisch-Philosophischen Fakultät Sankt Georgen.

14.30 Uhr – Weiter lernen

Um 14.30 Uhr geht das Uni-Programm weiter. Außer man hat Pech (oder ist besonders motiviert) und besucht vorher bereits eine Übung oder einen Lektürekurs. Und da ich es sehr schade fände, wenn ich meine Hebräisch-Kenntnisse wieder verlieren würde, quäle ich mich auch einmal die Woche in der Mittagspause ins Hochschulgebäude.

17.50 Uhr – Raus aus dem Hörsaal, rein in die Seminarkirche

Normalerweise feiern wir um 18.15 Uhr die Hl. Messe in der Seminarkirche. Normalerweise, denn mittwochs, samstags und sonntags ist das anders. Mittwochs findet mittags um 11.30 Uhr unsere "Sankt Georgener Messe" statt, ein Campus-Gottesdienst für alle, die in Sankt Georgen leben, wohnen, arbeiten und studieren. Danach essen alle gemeinsam in der Mensa, sodass auch mal der Austausch außerhalb des Seminars möglich ist. Neben den Studenten und Dozenten sind auch die Jesuiten dabei, die auf dem Campus wohnen.  

Auch am Samstag und Sonntag feiern wir am Vormittag die Eucharistie. An den anderen Tagen eben um 18.15 Uhr, sodass noch etwas Zeit bleibt, die Uni-Sachen aufs Zimmer zu bringen und die Vesper, das Abendgebet zu beten. Auch bei der Liturgie gilt es natürlich Dienste zu übernehmen: ministrieren, die Lesung lesen, den Psalm singen oder die Kommunion austeilen.

18.56 Uhr – Keine Messe ohne Mahl

An die Messe schließt sich das Abendessen an. Denn – so sagte es ein Spiritual einmal – Eucharistiefeier ohne Agape ist ungültig. Haben alle aus der Seminarkirche in den Speisesaal gefunden, läutet das Glöckchen zum Gebet. Danach beginnt der Wettlauf auf das Buffet. Natürlich bietet das Abendessen auch die Gelegenheit zu Tischgesprächen.

19.35 Uhr - Abendgestaltung

Wirklich freie Abende habe ich selten. Das liegt nicht allein am Seminarprogramm. An den eigentlich "freien" Abenden fahre ich etwa zur Leiterrunde der Pfadfinder am anderen Ende der Stadt. Oder aber es steht ein Termin meiner katholischen Studentenverbindung im Kalender: Mitgliedsversammlungen, Vorträge oder gesellige Veranstaltungen.

Allzu häufig können diese Ausflüge nicht stattfinden, schließlich haben wir im Priesterseminar auch abends Pflichttermine. So ist dienstags "Stiller Abend" mit Eucharistiefeier, geistlicher Ausbildung, eucharistischer Anbetung, gemeinsamer Komplet (Nachtgebet) und Schweigen bis zum nächsten Morgen. Am Donnerstag steht hingegen "Équipe" auf dem Programm. Das ist eine Gruppe von Seminaristen, die sich einmal pro Woche mit einem Priester trifft und gemeinsam den Abend gestaltet. Gemeinsame Gebetszeit und Abendessen sind immer Bestandteil, daneben unternimmt man unterschiedliche Sachen und geht zum Beispiel ins Theater, hört sich Vorträge an oder geht ins Museum.

Menschen stehen im Atrium des Hörsaalgebäudes der Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt
Bild: ©KNA

Menschen stehen im Atrium des Hörsaalgebäudes der Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt

20.20 Uhr – Seminartermine

Klassische Anfangszeit für Seminartermine ist 20.20 Uhr. Ein Relikt aus der Zeit, in der noch alle Seminaristen um 20.00 Uhr im Fernsehraum versammelt waren, um die Tagesschau zu sehen. Einmal im Monat findet um diese Uhrzeit das Hausforum statt, in dem der Regens verschiedene Themen – wie priesterliche Spiritualität, Sexualität und Macht, Leben in der Seminargemeinschaft – behandeln kann.

21.30 Uhr – Zum Wohl!

Gerne trifft man sich am Ende des Tages nochmal in der Seminarbar. Die wird von zwei Seminaristen geführt und bietet eine unglaubliche Menge unterschiedlicher Biere, ob bayerisches Helles aus dem Kloster, regionale Biere oder ein herbes Pils aus dem Norden – es ist für jeden etwas dabei. Und vor allem gibt es hier die Gelegenheit zum ungezwungenen Austausch.

23.30 Uhr – Schon wieder zu spät geworden

Keineswegs wird es jeden Abend zu spät, aber Termine außerhalb oder auch die anregenden Diskussionen in der Seminarbar halten mich viel zu häufig davon ab, früh schlafen zu gehen. Manchmal muss ich auch noch einmal an den Schreibtisch. Wobei das von Tag zu Tag natürlich anders ist. Prinzipiell ist Schlaf natürlich wichtig: Ohne ausreichenden Schlaf kann man überhaupt kein geistliches Leben führen. Da bin ich leider sehr unvorbildlich. Vor dem Schlafen gehen wird ein letztes Mal das Stundenbuch zum Nachtgebet aufgeschlagen. Dann heißt es: "Eine ruhige Nacht und ein gutes Ende, gewähre uns der allmächtige Herr."

Von Johannes Köhler

Linktipp: "Eine Mischung aus Studentenwohnheim und Kloster"

Wie ist das Leben in einem Priesterseminar? Geht es da zu "geistlich" zu, ist man zu weit weg von der "normalen Welt"? Das hat sich Johannes Köhler gefragt, bevor er Seminarist in Sankt Georgen wurde. In der neuen katholisch.de-Serie berichtet er aus erster Hand.