Neue Studie: Religiös Unentschlossene in Deutschland werden weniger

Laut einer neuen Studie polarisiert sich die religiöse Landschaft in Deutschland. Die Unentschlossenen seien seltener geworden, es gebe vermehrt überzeugte Glaubensbefürworter oder Menschen, denen Religion egal sei, sagte der Religionssoziologe Gert Pickel am Mittwoch der "Zeit". "Die lauen Christen und Muslime sterben langsam aus." Neben den dogmatischen Gruppen gebe es jedoch "überall eine große liberale Gruppe, die sich für Nächstenliebe, Offenheit für andere und Pluralismus einsetzt".
Pickel lehrt am Institut für praktische Theologie der Universität Leipzig und ist einer der Studienleiter des "Konid Survey 2019". Für die Studie wurden von den Universitäten in Leipzig und Luzern in Deutschland und der Schweiz von Frühjahr bis Sommer 2019 jeweils über 3.000 Menschen über 16 Jahre befragt.
Demnach ist insgesamt 57 Prozent der Deutschen ihre religiöse Identität wichtig, in der Schweiz ist es genau die Hälfte. 20 Prozent der Befragten gaben sogar an, dass ihnen Religion äußerst wichtig sei. Ein Viertel der Deutschen gab dagegen an, dass ihnen die Religionszugehörigkeit unwichtig ist. Bei den Schweizern waren es sogar 32 Prozent. In beiden Ländern ist Religion aber nicht die wichtigste soziale Identität – Familie und Freunde liegen jeweils davor. Die religiöse Verwurzelung unterscheidet sich dabei nach Konfessionszugehörigkeit: Mitgliedern der großen Kirchen identifizieren sich mit ihrer Religion meist weniger als Anhänger von Freikirchen oder des Islam.
Gesellschaftliche Wirkung "ambivalent"
Muslime und Freikirchler stimmten häufiger als andere den Aussagen zu, dass sie sich Partner aus der gleichen Religionsgemeinschaft wünschen oder die Regeln der Religion Vorrang vor denen des Staates hätten. "Allerdings lehnt auch unter den Muslimen und Freikirchlern die große Mehrheit diese Aussage ab", so Pickel. Die beiden Gruppen berichteten zudem häufiger als andere von Diskriminierungserfahrungen. Sie tendierten jedoch auch zur Abschottung: "Besonders in den Freikirchen, aber auch in sunnitischen Gemeinschaften ist zu beobachten, dass sie etwa LGBT-Personen oder Andersgläubige abwerten", so Pickel.
Die Studie der Universitäten Leipzig und Luzern hält fest, dass die gesellschaftliche Wirkung von Religion "ambivalent" sei. Neben den Diskriminierungserfahrungen sei ebenfalls klar erkennbar, dass sich religiöse Menschen stärker gesellschaftlich engagieren (59 Prozent) als jene, denen Religion egal sei (48 Prozent). Außerdem hätten 66 Prozent der Menschen mit ausgeprägter Religiosität den Wunsch nach interreligiösem Dialog. (cph)