Wegen Corona: Mit dem Auto im Gottesdienst
Seit Mitte März sind alle öffentlichen Gottesdienste bundesweit abgesagt. Radio- und Fernsehgottesdienste erleben daher großen Zulauf und auch andere Formen werden beliebter – zum Beispiel Autokino-Gottesdienste. Unter dem Leitspruch "Wir sind getragen und begleitet" findet am heutigen Sonntag in der Essener Grugahalle so ein ökumenischer Gottesdienst statt. Katholisch.de hat im Vorfeld mit dem Mitveranstalter, Pastor Bernd Wolharn, gesprochen.
Frage: Herr Wolharn, wie kam es zu Ihrer Kooperation mit dem Autokino?
Wolharn: Das Autokino an der Essener Grugahalle ist erst während der Corona-Krise eröffnet worden. Als diese Nachricht bekannt wurde, ist eine Gruppe engagierter Christen auf die Idee gekommen dort einen Gottesdienst zu feiern. Der Wunsch nach einer anderen Form von Gottesdienst war groß. Ich glaube, dass sich darin die Sehnsucht vieler Menschen widerspiegelt. Zu mir kam das Projekt erst nach einem Radio-Gottesdienst, den ich zusammen mit der evangelischen Pfarrerin Hanna Jacobs am Ostersonntag gehalten habe. Dadurch sind die Verantwortlichen auf uns aufmerksam geworden. Und wir konnten es uns sofort gut vorstellen, bei dem Projekt Autokino-Gottesdienst mitzuwirken.
Frage: Welche Besonderheiten mussten Sie bei der Planung beachten? Welche Hürden gibt es?
Wolharn: Zusammen mit den Veranstaltern des Autokinos standen wir vor zwei organisatorischen Herausforderungen: Zum einen benötigt man eine Genehmigung, das Autokino für eine andere Art von Veranstaltung zu benutzen, es also zweckzuentfremden. Zum anderen bedarf es einer Genehmigung, derzeit einen öffentlichen Gottesdienst durchzuführen. Von Hürden würde ich aber in beiden Fällen nicht sprechen. Wir sind bei der Stadt Essen offene Türen eingelaufen, was mir wieder gezeigt hat, dass die Feier eines solchen Gottesdienstes der Wunsch von Vielen ist.
Frage: Was muss ich denn tun, wenn ich am Sonntag gerne teilnehmen möchte?
Wolharn: Sie können sich online zum Gottesdienst anmelden und erhalten dann kostenlos ein Ticket, das beim Einfahren auf das Gelände des Autokinos durch die Fensterscheibe gescannt wird. So gewährleisten wir den kontaktlosen Zutritt. Und dann suchen Sie sich wie bei einem normalen Gottesdienst einen Platz aus. In jedem Auto dürfen höchstens zwei Erwachsene und Kinder aus dem gleichen Hausstand sitzen. Um die Abstandsregeln zu wahren, bleiben alle Gottesdienstteilnehmer während der gesamten Zeit der Feier in ihren Autos sitzen.
Leider muss man an dieser Stelle sagen, dass derzeit nicht für alle eine Teilnahme möglich ist. Menschen ohne Internetzugang, Führerschein oder eigenes Auto können nicht mitfeiern. Das ist sehr schade, in diesen Zeiten aber leider nicht anders zu machen. Außerdem stehen uns auch nur 180 Stellplätze zur Verfügung.
Frage: Was sehe und erlebe ich, wenn ich meinen Platz eingenommen habe?
Wolharn: Zunächst sehen unsere Gottesdienst-Besucher einen riesengroßen LED-Bildschirm. Mit diesem kann man auch bei Tageslicht alles auf der Leinwand erkennen und das Live-Geschehen verfolgen. Dann schalten sie das Radio ein. Auf dem Ticket steht die Frequenz, auf der sie den Ton mitverfolgen können. Unser Altar ist eher unkonventionell: Hanna Jacobs und ich stehen auf der Pritsche eines kleinen LKWs. Auf einen Altar haben wir bewusst verzichtet. Allerdings werden wir unter einem Kreuz feiern. Das war uns sehr wichtig, weil wir zeigen wollen, in wessen Namen wir uns versammeln und wen wir feiern. Wir haben uns für ein biblisches Hoffnungswort als Leitsatz entschieden. Wir wollen vermitteln, dass Jesus als "guter Hirte" für uns da ist, sich stark macht und sich sorgt. Im besten Fall können Sie genau das erleben!
Frage: Bei der Feier des Gottesdienstes spielt das Erleben von Gemeinschaft ja eine zentrale Rolle. Kann ein Autokino-Gottesdienst das überhaupt leisten?
Wolharn: Ich glaube, dass es für viele Menschen wichtig ist, miteinander den Gottesdienst zu feiern und das auch zu fühlen. Akustisch ist man zwar von seinem "Banknachbarn" getrennt, aber visuell ist er ja da, direkt nebenan im Auto. Und so ist man doch irgendwie miteinander verbunden. Und auch das gemeinsame Versammelt-sein in Jesu Namen ist gemeinschaftsstiftend.
Frage: Wie kommt die Idee an? Welche Rückmeldungen haben Sie bekommen?
Wolharn: Bisher haben wir nur positive Stimmen gehört. Mehr als die Hälfte der Tickets wurde in den ersten 24 Stunden vergeben. Da war die lokale Werbetrommel noch gar nicht angesprungen. Vielleicht können wir mit unserer Idee auch ein Zeichen setzen: Wir als Kirche sind da, zwar anders, aber wir sind noch immer da! Und so lange wir noch nicht wieder richtige Gottesdienste feiern können wie vor der Corona-Krise, bleiben gemeinsame Feiern im Auto-Kino vielleicht ein Ausweg. Im Autokino vor dem Duisburger MSV-Stadion wird es zum Beispiel am Samstag, 2., und Sonntag, 3. Mai, ebenfalls zwei ökumenische Gottesdienste geben.
Frage: In diesen Tagen wird viel über die Möglichkeit der Wiedereinführung öffentlicher Eucharistiefeiern gesprochen. Wie können Sie diese vielleicht zukünftig umsetzen?
Wolharn: Unser Autokino-Gottesdienst ist ein ökumenisches Projekt, da stehen andere Dinge im Vordergrund. Während der Corona-Krise ist die Feier des Gottesdienstes etwas Seltenes und diese Erfahrung als Christen teilen zu können, sehe ich als großen Gewinn. Ich hoffe, dass wir dies auch in die Zeit nach der Pandemie hinüberretten und vertiefen können.
Als Priester vermisse ich die Eucharistie, aber das Neue, das wir gerade gemeinsam schaffen, hat für mich ebenfalls einen hohen Wert. Das kann und möchte ich gar nicht gegeneinander aufrechnen. Und wenn unsere Feier am Sonntag gelingt und es auch in den kommenden Wochen und Monaten noch Bedarf und Nachfragen gibt, muss der erste für mich jedenfalls nicht der letzte Autokino-Gottesdienst gewesen sein.