Keine Hinweise auf Missbrauch in den bekannten Akten

Ehemaliger Kentenich-Postulator: Es gab kein Rehabilitierungs-Dekret

Veröffentlicht am 15.07.2020 um 10:54 Uhr – Lesedauer: 

Bonn/Vallendar ‐ Im Seligsprechungsverfahren des Schönstatt-Gründers Josef Kentenich lagen Zehntausende von Seiten an Dokumenten vor – Hinweise auf Missbrauch seien darin nicht zu finden gewesen, sagt nun der ehemalige Postulator des Verfahrens.

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Ein Aufhebungsdekret der vom Heiligen Offizium verhängten Sanktionen gegen den Schönstatt-Gründer Josef Kentenich existiert nicht. In einem auf Sonntag datierten Interview auf der Webseite der Schönstatt-Bewegung erläutert der ehemalige Postulator des Seligsprechungsverfahrens, Pater Angel Strada, dass die Behörde die Praxis hatte, keine entsprechenden Dokumente auszustellen. Dies sei auch in anderen Fällen so gewesen, etwa bei dem Jesuiten Henri de Lubac, der seine Rehabilitierung der Tatsache entnommen habe, dass er zum Konzilstheologen ernannt wurde.

Josef Kentenich war nach zwei Visitationen durch das Bistum und das Heilige Offizium von 1952 bis 1965 im Exil in den USA. Bei Kentenich könne man die Rehabilitierung daran festmachen, dass er bei seiner Rückkehr "mit Wissen des Heiligen Offiziums alle Sachen [macht], die ihm vorher verboten waren". Dazu gehörte unter anderem die geistliche Leitung der Schönstätter Marienschwestern und der Schönstatt-Bewegung. Papst Paul VI. hatte Kentenich im Dezember 1965 in einer Audienz empfangen, mehrere deutsche Bischöfe hätten sich mit seiner Rückkehr nach Deutschland einverstanden gezeigt. 1971 habe der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Alfredo Ottaviani, bei Kentenich um Verzeihung gebeten für alles, was ihm angetan worden sei.

Mehrfach grünes Licht aus Rom für Seligsprechungspozess

Zu der Frage, ob das "Nihil obstat" zur Eröffnung des Seligsprechungsverfahren nur auf der Grundlage der eingereichten Unterlagen erfolgt sei, äußert sich Strada nicht direkt. Als Unbedenklichkeitserklärung werde ein Schreiben aus dem vatikanischen Staatssekretariat an den Münsteraner Bischof Heinrich Tenhumberg gewertet. Tenhumberg gehörte selbst der Schönstatt-Bewegung an. In dem Schreiben heiße es: "Nach eingehender Prüfung Ihrer Anfrage durch die zuständigen päpstlichen Behörden darf ich Sie darauf hinweisen, dass der Bischof von Trier als der zuständige Ortsbischof nach Maßgabe des kanonischen Rechtes von seiner Vollmacht gebrauch machen und den Informativprozess durchführen kann, wenn er die Voraussetzungen dazu gegeben sieht." 1991 habe der Trierer Bischof Josef Spital von der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse erneut einen Bescheid erhalten, dass der Prozess der Seligsprechung eröffnet werden könne.

„Wenn es in den Dokumenten des bisherigen Geheimarchivs in Rom überzeugende Zeugnisse gibt, die einen Missbrauch klar beweisen, dann muss die Kirche entscheiden, den Seligsprechungsprozess zu beenden.“

—  Zitat: Pater Angel Strada

Im Interview spricht der ehemalige Postulator auch über den Umfang des Verfahrens: 32.000 Dokumente lägen vor, die erste Historikerkommission habe auf Vorschlag des Vatikans daraus eine Auswahl von 8.000 Dokumenten im Umfang von 70.000 Seiten zusammengestellt. Darin gebe "keine einzige Spur", die auf einen Fall sexuellen Missbrauchs hindeuten würde. "Wenn es in den Dokumenten des bisherigen Geheimarchivs in Rom überzeugende Zeugnisse gibt, die einen Missbrauch klar beweisen, dann muss die Kirche entscheiden, den Seligsprechungsprozess zu beenden", so Strada. Dabei äußerte er die Hoffnung, dass in Rom auch Dokumente aus der Zeit nach dem Tod Pius XII. 1958 bis zum Tod Kentenichs 1968 eingesehen werden können.

Aufgrund Corona bisher keine Akteneinsicht in neu geöffnete Archive

Die Diskussion um Missbrauchsvorwürfe gegen Pater Kentenich war durch eine Veröffentlichung der italienischen Historikerin Alexandra von Teuffenbach ausgelöst worden. In den vatikanischen Archiven aus der Zeit Pius XII. hatte sie Belege gefunden, die auf Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt in einem Fall bei den Schönstätter Marienschwestern hindeuten. Laut Strada seien die von Teuffenbach angesprochenen Brief Teil der 8.000 von der Historikerkommission ausgewerteten Dokumente. Der derzeitige Postulator, Pater Eduardo Aguirre, habe sich bei der Öffnung der Archive anfangs des Jahres um Zutritt bemüht, aufgrund der Corona-Pandemie sei das allerdings zunächst nicht möglich gewesen. Derzeit befinde er sich in Rom und bemühe sich um Akteneinsicht. Der zuständige Bischof von Trier, Stephan Ackermann, hat nach den Vorwürfen nun eine neue Historikerkommission einberufen. Die Bewegung hatte die Vorwürfe zurückgewiesen, kündigte aber an, an der Aufarbeitung transparent mitzuarbeiten. Auch die Biographin des Schönstatt-Gründers sprach sich dafür aus, "nicht mehr zu schweigen".

Der Schönstatt-Pater Angel Strada war bis 2016 Postulator im Seligsprechungsverfahren Josef Kentenichs. Der 1939 geborene Argentinier hatte den Schönstatt-Gründer in dessen letzten drei Lebensjahren noch persönlich kennengelernt. Bereits 2016 hatte er in einem Interview gesagt, für den Seligsprechungsprozess müsste "auf ein Bild unseres Gründers, wo alles vollkommen ist, wo von Anfang an Heiligkeit da war" verzichtet werden: "Dieser Kentenich hat nicht existiert." (fxn)