Islamwissenschaftler mit Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet

Jesuit Troll: Islam muss sich der modernen Welt öffnen

Veröffentlicht am 29.08.2020 um 11:30 Uhr – Lesedauer: 

Frankfurt ‐ Er setzt sich seit Jahrzehnten für den christlich-islamischen Dialog ein. Dafür wurde Pater Christian Troll jetzt mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Der 82-Jährige sieht den traditionellen Islam in einer großen Umbruchphase – Ausgang offen.

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Der Islamwissenschaftler und Dialogexperte Christian Troll (82) hofft auf grundlegende Reformen in der islamischen Welt. "Der traditionelle Islam steckt mitten in der vielleicht größten Umbruchphase seiner Geschichte. Er muss sich der modernen Welt öffnen, wie es die Kirchen auch tun mussten und weiterhin müssen", sagte der Jesuit am Freitag in Frankfurt der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Dieser Prozess sei schmerzhaft und voller Widerstände und Abschottungsreflexe. "Aber es gibt unter Theologen und Intellektuellen etliche, die den Koran neu interpretieren wollen." Diese Denker forderten die Trennung von Religion und Staat und suchten nach Wegen, um ihre Religion mit Menschenrechten, Pluralismus und religiöser Toleranz zu vereinbaren.

gemeinsame Erklärung von Papst Franziskus und Großimam Ahmad Mohammad Al-Tayyeb
Bild: ©picture alliance/AP Photo/Andrew Medichini

Papst Franziskus und Großimam Ahmad Mohammad Al-Tayyeb unterzeichnen am 4. Februar 2019 eine gemeinsame Erklärung zum Thema "Menschliche Brüderlichkeit".

Troll, der am Donnerstag für seinen Einsatz im christlich-islamischen Dialog das Bundesverdienstkreuz erhielt, verwies auf entsprechende Denker in Ländern wie Marokko, Tunesien, Jordanien und Indonesien, "in der Türkei werden sie nach Erdogan vielleicht auch wieder stärker". Daneben spielten aber auch Islamisch-Theologische Seminare in der westlichen Welt eine wichtige Rolle. "Es braucht eine möglichst freiheitlich-demokratische Umgebung, damit sich Reformansätze ohne Gedankenverbote entfalten können. Deshalb sind die westlichen Länder so ein wichtiger Raum für progressive islamische Gelehrte", betonte Troll.

Er erinnerte auch an die historische Begegnung von Papst Franziskus und dem Rektor der Kairoer Al-Azhar-Universität, Scheich al-Tayyeb, in Abu Dhabi. Dort hatten beide im Februar 2019 ein gemeinsames Dokument über die "Brüderlichkeit aller Menschen" unterzeichnet. Dazu sagte Troll, das Papier sei das Ergebnis jahrzehntelanger Gespräche zwischen Christen und Muslimen und habe "wirklich eine neue Seite aufgeschlagen". Die gemeinsame Botschaft des Dokuments müsse nun in christlichen und islamischen Schulen, Universitäten und Medien weiterverbreitet werden.

Der 82-Jährige Ordensmann lehrte viele Jahre lang in orientalischen Ländern, war Professor an der Universität Birmingham sowie am Päpstlichen Orientalischen Institut in Rom. Darüber hinaus wirkte er im Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog und beriet die Deutsche Bischofskonferenz. (gho/KNA)