Standpunkt

"Gegner keine Feinde": Joe Bidens Ansprache lässt hoffen

Veröffentlicht am 13.11.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Der künftige US-Präsident Joe Biden hat in einer Ansprache versöhnliche Töne angestimmt und versucht Brücken zu bauen. Das ist vorbildlich, meint Christof Haverkamp. Seine Wortwahl helfe, die Spaltung der Gesellschaft zu überwinden.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Wie gehen wir miteinander um und in welchem Ton behandeln wir Andersdenkende? In der aktuellen aufgeheizten Stimmung ist das eine zentrale Frage, gerade angesichts aggressiver Dauernörgler auf Facebook oder Twitter. Joe Biden, der künftige US-Präsident und ein bekennender katholischer Christ, hat sie vorbildlich beantwortet.

"Um Fortschritte zu erzielen, müssen wir aufhören, unsere Gegner als unsere Feinde zu behandeln", sagte Biden in seiner "Victory Speech". Und weiter: "Wir sind keine Feinde. Wir sind Amerikaner." Der designierte Präsident hat das Verbindende in den Vordergrund gestellt und versucht, Brücken zu bauen.

Was für eine wohltuende Wortwahl, was für ein wohlklingender Ton in einer Zeit, in der die Gesellschaft nicht nur in den Vereinigten Staaten unter einer tiefen Spaltung leidet. Bidens Ansprache war eine Botschaft der Versöhnung, getragen von Empathie auch für die Verlierer der Wahl.

Sein Schlüsselsatz von den Gegnern, die keine Feinde sind, lässt darauf hoffen, dass sich die politische Auseinandersetzung in den USA mit einem neuen Präsidenten gravierend verbessert. Da hat einer gesprochen, der von sich sagt, sein Glaube habe ihm geholfen, mit Schicksalsschlägen umzugehen. Man nimmt es ihm ab.

Es spricht ja nichts dagegen, dass Politiker hart in der Sache streiten, dass sie heftig diskutieren und um Kompromisse ringen. Das gehört zur Demokratie sogar zwingend dazu. Aber es muss möglich sein, dass die Auseinandersetzung allein in der Sache geschieht, ohne den Gegner zu diffamieren und persönlich zu verletzen.

Das muss ebenso in der katholischen Kirche in Deutschland möglich sein. Auch hier ist ein respektvoller Umgang gefragt und eine Debatte, die vom Zuhören geprägt ist. Es sollte die Kraft des theologischen Arguments gelten, kein Basta, keine Tricks, kein ständiger Verweis auf das Lehramt. Und niemand sollte anderen vorschnell absprechen, katholisch zu sein, wenn sie eine abweichende Haltung vertreten. Klingt banal und selbstverständlich, ist es aber leider nicht.

Von Christof Haverkamp

Der Autor

Christof Haverkamp ist Pressesprecher und Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der katholischen Kirche in Bremen und Senderbeauftragter der katholischen Kirche bei Radio Bremen.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.