Vom riskanten Tiefgang Jesu zur pulsierenden Erfüllung der Zeit
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Impuls von Schwester Anne Kurz
Zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein – wer würde sich das zu Beginn des neuen Jahres nicht wünschen. Wie gern würde man manchmal eine Kristallkugel befragen, sie sorgsam und ehrfürchtig betrachten und hoffen, dass sie spräche.
Die christlich-jüdische Tradition glaubt an die Gegenwart des Heiligen Geistes in jedem Menschen. Er ist keine Kristallkugel, kein Wahrsagegeist, keine fremde Magie. Er ist "innerer Kompass". Er schenkt Menschen geistliche Intuition; inneres Licht, dem sie folgen können.
Man kann dieses Licht nicht einfach verstehen und seiner habhaft werden. Man muss sich auf das Geheimnisvolle des Lebens und des Glaubens einlassen. Der spanische Mystiker Johannes vom Kreuz beschreibt diese Erfahrung in dem Gedicht über die dunkle Nacht: "Ohn' andres Licht und Führen, als das im Herzen brannte / dies führte mich sicherer als das Licht des Mittags." "Leitlicht, das im Herzen brannte" benennt es eine andere Übersetzung.
Im heutigen Evangelium fällt unser Blick auf Jesus, der zum ersten Mal im Markusevangelium auftritt. Sein Kommen "geschieht". Sogleich nach der Taufe reißt der Himmel auf und Gottes Stimme spricht zu ihm Worte der Liebe. Eine Dynamik entsteht, ein Rhythmus pulsiert, die Zeit ist erfüllt.
Woher wusste Jesus, dass die Zeit für seine Taufe gekommen war? Dass sein Ort nicht länger bei Johannes liegt und eine neue Lebensetappe beginnt? Eine Kristallkugel wird ihm das nicht enthüllt haben, sondern der Heilige Geist in seinem Herzen.
Dieser Heilige Geist ist in unsere Herzen ausgegossen. Auch wenn wir recht hilflos in das neue Jahr schauen und gar nicht den Eindruck haben, wir wüssten, was mit uns werden wird. Vorausschauend planen zu können, dieser Anspruch ist in Coronazeiten deutlich unseren Händen entglitten. Aber dies ist auch ein Phänomen des wachsenden Glaubens. Je älter man wird, desto mehr wird deutlich, dass es jenes Andere im Leben gibt, das außerhalb aller Planung und Willensanstrengung liegt, das weder beschleunigt noch aufgehalten werden kann.
Mit der Taufe zu beginnen – so wie Jesus es tat – das stammt nicht aus Planung und Berechnung, das entspringt tiefer Eingebung. So handelt nur jemand, der sich überlässt. Jemand, der einsteigt, nackt und nass wird. Wer sich untertauchen lässt, begibt sich in Gefahr. Nicht umsonst heißt es: "Wäre es nicht der HERR gewesen, der da war für uns, dann hätten die Wasser uns weggespült, hätte sich über uns ein Wildbach ergossen." (Psalm 124)
Die Taufe ist Zeichen des Abstiegs, des Heruntergedrückt-Werdens, des Todes. Der Glaube, der die Nacht nicht scheut, kennt diese Wege. Aber genau hier reißt der Himmel auf und Gott schenkt die Freiheit der Kinder Gottes und die Erfahrung seiner Liebe. Sie taucht alles in goldenes Licht; gibt Sinn, in dem selbst der Abgrund neu erstrahlt.
Wir haben es nicht in der Hand, wann etwas zu Ende geht – oder wann etwas beginnt. Eine Kristallkugel birgt auf dem ersten Blick Vorteile. Aber sie machte uns um jenes wundervolle Abenteuer ärmer, auf den Heiligen Geist zu stoßen in der Tiefe unseres eigenen Herzens.
Evangelium nach Markus (Mt 1,7–11)
In jener Zeit trat Johannes der Täufer in der Wüste auf und verkündete:
Nach mir kommt einer, der ist stärker als ich; ich bin es nicht wert, mich zu bücken und ihm die Riemen der Sandalen zu lösen. Ich habe euch mit Wasser getauft, er aber wird euch mit dem Heiligen Geist taufen.
Und es geschah in jenen Tagen, da kam Jesus aus Nazaret in Galiläa und ließ sich von Johannes im Jordan taufen. Und sogleich, als er aus dem Wasser stieg, sah er, dass der Himmel aufriss und der Geist wie eine Taube auf ihn herabkam.
Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.
