Ein Jahr auf der Achterbahn
Parallel kam die Debatte über die "Pille danach" . Auslöser waren Presseberichte über eine Abweisung einer vergewaltigten Frau durch zwei katholische Kliniken in Köln. Behauptet wurde, Ärzte hätten die Behandlung verweigert, weil damit ein Beratungsgespräch über die "Pille danach" verbunden wäre. Kardinal Joachim Meisner entschuldigte sich und legte eine neue Position zur "Pille danach" vor, der sich die übrigen Bischöfe weitgehend anschlossen . Demnach sind nach einer Vergewaltigung Präparate moralisch erlaubt, die eine Befruchtung verhindern. Die Pille dürfe aber nicht abtreibend wirken.
Mit Pauken und Trompeten
Dann kam der Paukenschlag aus Rom: Ausgerechnet am Rosenmontag kündigte Benedikt XVI. seinen Amtsverzicht an. Kapitulierte er vor Intrigen im Vatikan, war er krank? Die deutschen Bischöfe erklärten, der Rücktritt habe das päpstliche Amtsverständnis grundlegend verändert.
Sechs deutsche Kardinäle nahmen am Konklave teil, aus dem am 13. März der erste lateinamerikanische Papst hervorging. Die deutschen Drähte nach Rom scheinen weiterhin gut zu sein: Franziskus ließ Erzbischof Gerhard Ludwig Müller als Präfekten der Glaubenskongregation im Amt. Den Münchner Kardinal Reinhard Marx berief er in die achtköpfige Kardinalskommission, die ihn beim Umbau der Kurie berät.
Die erfrischende Amtsführung des Papstes weckte neues Interesse an der Kirche. Umso düsterer war der Schatten, den der Skandal um den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst warf. Ein gegen Geldzahlung beendetes Verfahren wegen uneidlicher Falschaussage , überraschend hohe Baukosten am Limburger Domberg, ein Medien-Image als "Protz-Bischof" und zerstörtes Vertrauen im Bistum - der Papst legte dem Bischof im Oktober nahe, eine Auszeit außerhalb des Bistums zu nehmen. Tebartz hofft trotz des Unfriedens in seinem Bistum auf Rückkehr. Der Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz sieht dagegen für Tebartz "keinen Weg zurück" .
Extremer Vertrauensverlust
Die Ereignisse in Limburg haben zu einem Vertrauensverlust für beide großen Kirchen geführt. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, hält die Krise sogar für dramatischer als den Vertrauensverlust nach dem Missbrauchsskandal. Aber er sieht zugleich die Chance, Verkrustungen aufzubrechen: Fast alle Diözesen haben inzwischen Finanzen der Bischöflichen Stühle offengelegt . Bei der Zulassung wiederverheiratet Geschiedener zu den Sakramenten kündigte der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst baldige Reformvorschläge der Bischöfe an. Für weltweiten Wirbel sorgt eine Handreichung aus dem Seelsorgeamt des Erzbistums Freiburg: Sie beschreibt, wie erneut standesamtlich verheiratete Katholiken mit kirchlicher Erlaubnis zu den Sakramenten gehen könnten.
Verschiebungen zeichnen sich in der kirchlichen Medienlandschaft ab: Erstmals wird am Jahresende mit dem Essener "Ruhrwort" eine Bistumszeitung geschlossen. Beim katholischen Weltbild-Konzern wurde eine Insolvenz abgewendet . Das Unternehmen soll frisches Kapital von mindestens 60 Millionen Euro erhalten, die Eigentümerstruktur wird verschlankt. Positive Signale setzte der Eucharistische Kongress in Köln im Juni. An den 800 Veranstaltungen um das Thema Liturgie nahmen mehr als 40.000 Menschen teil. Aufsehen erregte Ende November auch die vatikanischen Dialoginitiative "Vorhof der Völker" , die Glaubende und Nichtglaubende in Berlin ins Gespräch brachte. Zu den wichtigsten Personalien des Jahres zählen der Amtsantritt von Bischof Rudolf Voderholzer in Regensburg und der von Bischof Heiner Koch in Dresden. In Rom weihte Papst Benedikt XVI. im Januar seinen langjährigen Privatsekretär Georg Gänswein zum Bischof .
Von Christoph Arens (KNA)