Die Staatsleistungen an die Kirchen stehen seit Längerem auf dem Prüfstand

Wie weiter mit den "Dotationen"?

Veröffentlicht am 06.01.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Finanzen

Berlin ‐ Der vorerst letzte Versuch scheiterte Ende November - mit Bundestags-Petition Nummer 46498 . Der Vorstoß zur Einstellung der seit zwei Jahrhunderten alljährlich an die Kirche überwiesenen "Staatsleistungen" fand gerade einmal 5.287 Unterstützer. Zu wenig, um sich im Parlament Gehör zu verschaffen.

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Und das, obwohl die Kostenexplosion beim Neubau des Dienst- und Wohnsitzes des Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst und dessen Finanzgebaren gerade erst eine neue Debatte über Kirchenfinanzen ausgelöst hatte. Auch über jene "Dotationen" , die der Staat seit 1803 der katholischen und evangelischen Kirche für Enteignungen damals noch heute als Entschädigung überweist.

In diesem Jahr sollen es bis zu 480 Millionen Euro sein, die alle Bundesländer außer Hamburg und Bremen aus dem Steuertopf zahlen. Tendenz steigend - auch bei sinkenden Mitgliederzahlen. Die Zahlungen sind eher gering, gemessen an den anderen Finanzquellen der Kirche. Auf allenfalls zwei bis drei Prozent beläuft sich der Anteil der "Staatsleistungen" an den Gesamteinnahmen der Kirche, bei den Protestanten sind es laut Haushalt 2,5 Prozent.

Die jährlichen Überweisungen des Staates gehen auf ein schwer zu durchschauendes Wirrwarr aus Kompensationen und historischen Ansprüchen zurück. Sie sind Folge der Entflechtung von Staat und Kirche und vor allem Ergebnis des "Reichsdeputationshauptschlusses" von 1803 . Mit Reformation und Säkularisierung ging Kircheneigentum an den Staat über. Der sicherte dafür im Gegenzug regelmäßige Ausgleichszahlungen zu.

Grundgesetz verlangt Ablösung der Staatsleistungen

Der Anspruch der Kirchen blieb - als aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation der Deutsche Bund wurde, das Kaiserreich folgte, dann die Weimarer Republik und schließlich die Bundesrepublik Deutschland. Obwohl die Weimarer Verfassung 1919 die Ablösung der Staatsleistungen vorsah. Und dieser verfassungsgemäße Auftrag auch vom Grundgesetz übernommen wurde. Passiert ist seither nichts.

Das Reichstagsgebäude in Berlin.
Bild: ©baerliner/Fotolia.com

Das Reichstagsgebäude in Berlin.

Daran dürfte sich auch in den nächsten Jahren nichts ändern. Auch wenn beide großen Kirchen gesprächsbereit sind und offen für eine Ablösung des Relikts aus dem vorvergangenen Jahrhundert. Sie warten auf ein angemessenes Angebot des Staates, der vorlegen müsste. Auf Landes- und Bundesebene sprechen sich zwar immer mal wieder Politiker für Verhandlungen aus. Teils gibt es in einigen Ländern Bewegung. CDU, CSU und SPD aber haben das Thema "Staatsleistungen" im Koalitionsvertrag vorerst ausgeklammert.

Eine abschließende Regelung - womöglich in Form einer hohen Einmalzahlung als Ausgleich - käme die Bundesländer teuer zu stehen. Ein ersatzloser Wegfall der "Rechtsverpflichtungen", wie einige Kirchenkritiker verlangen, gilt als unwahrscheinlich. Die Anhänger einer ersatzlosen Streichung gehen von Überweisungen von 15 Milliarden Euro seit Gründung der Bundesrepublik aus und sehen die erbrachten Zahlungen als ausreichende "Tilgung" an. Die Kirche kontert: Auch wenn man als Mieter Jahrzehnte lang immer seine Miete zahle, werde man nicht automatisch Eigentümer der Wohnung.

Wie hoch müsste die Ablösung sein?

Ende Februar vergangenen Jahres versuchte die Linke im Bundestag per Gesetzentwurf, die Staatsleistungen an die Kirchen abzulösen und so die Verfassungsvorgaben umzusetzen. Die anderen Fraktionen zogen nicht mit. Die Linke schlug eine Einmalzahlung in zehnfacher Höhe vor - also etwa 4,8 Milliarden Euro. Was den Kirchen, die durchaus reinen Tisch machen wollen mit einer "fairen" Lösung, zu wenig sein dürfte.

Auch Rechtsexperten halten eher das 20- oder 25-Fache der Jahresüberweisung als Einmalzahlung für erforderlich. Zahlen müssten die Länder. Manchem Kassenwart dürften da weitere Jahresbeträge lieber sein - auch wegen der strengen Schuldenbremse, die ab 2020 den Ländern in Normalzeiten neue Schulden untersagt. Entsprechend windet sich die Politik: Angestrebt würden eine "einvernehmliche Lösung", "partnerschaftliche Verhandlungen" und "konsensuale Gespräche" bei dieser "gesamtgesellschaftlichen Aufgabe".

Der Bund, der über Umfang und Verwendung der Staatsleistungen keine Kenntnis hat, sieht sich wegen Artikel 140 im Grundgesetz in Verbindung mit Vorgaben der Weimarer Reichsverfassung nicht am Zug. "Die Bundesregierung sieht aufgrund des Ablösegebots, das nicht befristet und sanktioniert ist, gegenwärtig keinen Handlungsbedarf, durch ein Grundsätzegesetz des Bundes die Länder zu verpflichten, die von diesen gewährten Staatsleistungen an die Kirchen abzulösen", heißt es umständlich. Die Länder könnten auch so die Zahlungen jeweils einvernehmlich mit den Kirchen regeln.

Von Andre Stahl (dpa)

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