Kirchenrechtliche Entlastung des Kölner Kardinals steht noch aus

Noch keine Antwort aus Rom zu Woelkis Verhalten im Fall O.

Veröffentlicht am 26.03.2021 um 11:09 Uhr – Lesedauer: 

Köln/Münster ‐ Hat Kardinal Woelki entgegen dem Kirchenrecht einen Fall von Missbrauch nicht nach Rom gemeldet? Erste Meldungen deuteten darauf hin, dass der Vatikan kein Fehlverhalten sah – doch offiziell geäußert hat sich Rom immer noch nicht, wurde jetzt bekannt.

  • Teilen:

Weder dem Erzbistum Köln noch dem Bistum Münster liegt eine Antwort aus Rom zum Umgang von Kardinal Rainer Maria Woelki im Missbrauchsfall des Pfarrers O. vor. Gegenüber katholisch.de bestätigten die Pressestellen der beiden Bistümer einen entsprechenden Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom Freitag. Zuvor war mit Verweis auf vatikanische Quellen berichtet worden, dass der Vatikan kein Fehlverhalten Woelkis in der unterbliebenen Meldung eines Missbrauchsverdachts sehen würde und die Glaubenskongregation eine entsprechende Einschätzung gegenüber der zuständigen Bischofskongregation abgegeben hätte.

Das von der Kanzlei Gercke und Wollschläger im Auftrag des Erzbistums angefertigte Gutachten attestiert Woelki in diesem wie in anderen Fällen keine Pflichtverletzung. Bei der Vorstellung des Gutachtens in der vergangenen Woche hatte der Gutachter Gercke betont, dass seine Kanzlei damit "auf einer Linie mit dem Heiligen Stuhl" liege. Das unveröffentlichte erste Gutachten der Münchener Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl habe das auch so gesehen. Als dienstältester Bischof der Kölner Kirchenprovinz ist es gemäß dem Apostolischen Schreiben "Ihr seid das Licht der Welt" aus dem Jahr 2019 die Aufgabe des Münsteraner Bischofs Felix Genn, gegebenenfalls kirchenrechtliche Untersuchungen gegen den Metropolitanbischof zu führen. Die vom kirchlichen Gesetzgeber selbst gesetzte Frist von 30 Tagen für die Beantwortung von Genns Meldung an den Vatikan ließ Rom ohne Angaben von Gründen verstreichen. Auch Kardinal Woelki selbst hatte den Papst um eine Klärung der Vorwürfe gebeten. 

Bei dem Fall geht es um einen Vertrauten Woelkis, den Düsseldorfer Pfarrer O., dem der Missbrauch eines Kindergartenkindes vorgeworfen wird. Der Kölner Erzbischof, der bei dem Geistlichen während seiner Ausbildung erste Praxis in der Pfarreiseelsorge gesammelt hatte hatte, soll den Vorwurf gegen O. im Jahr 2015 zwar zur Kenntnis genommen, eine kirchenrechtliche Voruntersuchung und eine Meldung nach Rom aber unterlassen haben. Woelki begründete dieses Vorgehen mit dem Gesundheitszustand des Pfarrers. Zu diesem Zeitpunkt galten bereits die Normen über schwerwiegende Straftaten (Normae de gravioribus delictis) der Glaubenskongregation, die Bischöfe verpflichten, beim Vorliegen einer "mindestens wahrscheinlichen Nachricht über eine schwerwiegendere Straftat" nach Durchführung einer Voruntersuchung die Glaubenskongregation zu unterrichten. Kirchenrechtler, darunter der Bonner Ordinarius Norbert Lüdecke, sehen in den vatikanischen Normen zur Meldepflicht keinen Interpretationsspielraum: "Bei einem auch nur wahrscheinlichen Verdacht ist zu untersuchen, und unabhängig vom Ausgang der Untersuchung ist zu melden. Punkt", sagte Lüdecke im Februar gegenüber katholisch.de. Entsprechende Regeln bestehen seit 2001 im universalen Kirchenrecht. Abweichend davon sieht die Ordnung der Deutschen Bischofskonferenz zum Umgang mit Missbrauchsverdacht nur dann eine Meldung nach Rom vor, falls eine Voruntersuchung den Verdacht bestätigt. (fxn)