Brief: Benedikt XVI. würdigt "Kleine Seminare"
Der emeritierte Papst Benedikt XVI. sieht im "Kleinen Seminar" der Erzdiözese Tschenstochau das blühen, "was in Deutschland verdorrt". Das geht aus einem auf den 7. Mai datierten Brief des Emeritus hervor, den das Seminar auf seiner Webseite veröffentlicht hat. Wörtlich heißt es darin: "Es ist wunderbar zu sehen, wie in Polen noch blüht, was in Deutschland verdorrt."
Der Brief ist eine Antwort auf ein Schreiben des Rektors des Seminars, Jerzy Bielecki, anlässlich des Namenstages und des 70. Priesterjubiläums von Benedikt XVI., wie die polnische katholische Nachrichtenagentur KAI am Mittwoch berichtete. Dieses Jahr feiert auch das Kleine Seminar in Tschenstochau seinen 70. Jahrestag, das mit Joseph Ratzinger den Namenspatron teilt. In dem Brief erinnerte Bielecki daran, dass auch Ratzinger eine ähnliche Einrichtung besucht hatte. "Wir sehen in Ihnen ein Vorbild der Hingabe an den Herrn von klein auf und freuen uns, dass Sie das Kleine Seminar in Traunstein besucht haben, eine ähnliche Schule wie unsere", so der Rektor.
Mit dem Brief schickte der Rektor des Seminars auch diese Fotomontage, auf die sich der emeritierte Papst in seinem Schreiben bezieht. Der Text lautet: Benedikt XVI.: "Georg, weißt du noch, als wir im Theologischen Seminar Traunstein waren? Ich war so klein …" Georg Ratzinger: "Ich glaube nicht, dass es heute noch solche Schulen gibt …". Die Bildunterschrift lautet "Ja, die gibt es! Kommen Sie und sehen Sie es sich an – das Kleine Seminar der Erzdiözese Tschenstochau lädt Sie ein!"
Über eine mitgesandte Fotomontage von Benedikt XVI. mit seinem Bruder Georg, auf der sich die beiden in einem fiktiven Dialog über das Seminar in Tschenstochau unterhalten, habe sich der emeritierte Papst sehr gefreut, heißt es in seiner Antwort: "Besonders schön und liebenswert habe ich die Graphik empfunden, in der Sie meinen Bruder und mich beim Gespräch über das Seminar zeigen und mich einladen, das Kleine Seminar der Erzdiözese Częstochowa zu besuchen." Aufgrund seines Alters und seines Gesundheitszustands könne er der Einladung aber nicht Folge leisten. "Mit meinem Herzen bin ich bei Ihnen zu Gast", schließt Benedikt XVI. den auf Deutsch verfassten Brief.
Tradition der Knabenseminare in Deutschland abgebrochen
Ratzinger hatte schon früh seine Berufung zum Priestertum entdeckt. 1939 ermöglichten ihm seine Eltern wie zuvor seinem Bruder den Besuch des erzbischöflichen Studienseminars St. Michael in Traunstein, das zehn Jahre zuvor von Kardinal Michael von Faulhaber gegründet worden war, um Jungen aus dem Chiemgau für Priesterberufungen zu gewinnen. Das Studienseminar ist heute noch ein Internat der Erzdiözese München und Freising, in dem Schüler das Gymnasium, die Realschule oder die Fachoberschule besuchen können.
"Kleine Seminare" oder "Knabenseminare" sind Internate für Jungen, die den Wunsch haben, Priester zu werden. Sie führen auf das Abitur hin, die eigentliche Priesterausbildung folgt erst nach dem Kleinen Seminar. Ihre Einrichtung wurde durch das Konzil von Trient (1545–1563) angeregt. Kirchenrecht sieht zwar auch heute noch vor, dass Kleine Seminare "beizubehalten und zu fördern" sind, in Deutschland wurden die Knabenseminare der Diözesen jedoch beginnend mit den 1980er Jahren geschlossen. Heute gibt es in Deutschland nur noch die 2008 eröffnete "Apostolische Schule" der Legionäre Christi in Bad Münstereifel (Erzbistum Köln), die in der Tradition der Kleinen Seminare Jungen auf den Priesterberuf hinführt. Das 1951 gegründete Kleine Seminar der Erzdiözese Tschenstochau hat heute etwa 25 Schüler. (fxn)
