Bätzing zu Marx' Rücktrittsgesuch: Ist eine der "tragenden Säulen"

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Limburgs Bischof Georg Bätzing, hat mit Bedauern auf das Rücktrittsgesuch des Münchner Kardinals Reinhard Marx reagiert. "Gleichzeitig nehme ich diese Entscheidung mit großem Respekt auf", sagte Bätzing am Freitag in Bonn. Der Münchner Erzbischof habe ihn zuvor über seinen Schritt informiert.
Bätzing würdigte seinen Vorgänger als DBK-Vorsitzender für seine Verdienste. "Als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz hat Kardinal Marx Wegweisendes für die Kirche in Deutschland und weltweit geleistet". In der Bischofskonferenz sei Marx eine der "tragenden Säulen". Er werde auch weiterhin gebraucht.
Linktipp: Kardinal Marx: Bin weder amtsmüde noch demotiviert
Nach seinem überraschenden Rücktrittsangebot am Freitag stellte sich Kardinal Marx erstmals den Fragen der Presse und teilte mit, wie es nun weitergeht. Außerdem wurde er gefragt, was der Rücktritt für die anderen Bischöfe bedeute.
Marx wolle mit seinem Schritt "ein Zeichen setzen und institutionelle Verantwortung persönlich übernehmen, die die Kirche im Zusammenhang mit den Fällen sexuellen Missbrauchs und ihre Vertuschung zu tragen hat", so Bätzing weiter. Diese "Verbrechen" hätten systemische Schwachstellen in der Kirche offengelegt, die ebenso nach systemischen Antworten riefen. "Eine ausschließlich juristische Aufarbeitung und Verwaltungsänderungen reichen nicht aus", betonte der DBK-Vorsitzende.
Kardinal Marx sehe sein Angebot des Amtsverzichts als persönliche Antwort auf diese Situation. "Unabhängig davon aber müssen die Deutsche Bischofskonferenz und die Bistümer weiterhin ihrer Verantwortung nachkommen, auf dem 2010 eingeschlagenen Weg der Aufarbeitung der Fälle sexuellen Missbrauchs weiterzugehen", fügte Bätzing hinzu. Der Synodale Weg sei dafür ins Leben gerufen worden, "um nach systemischen Antworten auf die Krise zu suchen. Die grundlegenden theologischen Diskussionen, die den Synodalen Weg bestimmen, sind daher ein wesentlicher und wichtiger Teil in diesem Prozess". Kardinal Marx' Rücktrittsangebot mache deutlich, "dass die Kirche in Deutschland den begonnenen Synodalen Weg fortsetzen muss", so Bätzing. Papst Franziskus betone selbst, dass er Synodalität und den Synodalen Weg als Unterscheidung für die ganze Kirche wünsche.
Auch Woelki und Ackermann bekunden Respekt
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki bekundete Kardinal Marx für seine Entscheidung "großen Respekt". Diesen Schritt habe Marx "in diesen für die katholische Kirche schweren Zeiten als seine persönliche Konsequenz gezogen", teilte Woelki in einer Stellungnahme mit. Gleichzeitig wies Woelki darauf hin, dass er bereits vergangenen Dezember Papst Franziskus gebeten habe, die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Erzbistum Köln sowie seine persönliche Verantwortung zu bewerten. "Damit habe ich mein Schicksal damals vertrauensvoll in die Hände des Papstes gegeben", so der Kölner Erzbischof.
Im dem im März veröffentlichten Gutachten über den Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs im Erzbistum Köln, das auch dem Heiligen Stuhl vorgelegt worden sei, seien Namen genannt worden; zudem hätten Verantwortliche Konsequenzen gezogen, unterstrich Woelki. Mit Blick auf die anstehende Apostolische Visitation im Erzbistum Köln sagte er: "Der Papst hat jüngst auf das Gutachten und meine Bitte reagiert, und zur Beurteilung der Situation und auch meiner Person Visitatoren entsandt". Dies sei ein direkter Auftrag des Papstes Zusammenarbeit, den Woelki "verantwortungsvoll zum Abschluss begleiten" werde.
Respekt zollte Kardinal Marx auch der Trierer Bischof Stephan Ackermann. "Ich verstehe sein Rücktrittsangebot als starkes Zeichen, dass er mit dieser persönlichen Entscheidung Verantwortung übernehmen will für die Verbrechen sexualisierter Gewalt in unserer Kirche", wird Ackermann in einer Mitteilung des Bistums Trier zitiert. Marx tue dies auch im Namen der Institution, in der er als Erzbischof und Kardinal große Verantwortung trage. "Es ist offensichtlich, dass sein Schritt erneut alle deutschen Bischöfe herausfordert, sich mit der Frage nach der Verantwortungsübernahme und dem Angebot eines Rücktritts auseinanderzusetzen", betonte Ackermann. Ihm selbst sei diese Frage auch nicht fremd. "Sicher werden wir darüber auch im Kreis der deutschen Bischöfe insgesamt diskutieren müssen." Als Bischof von Trier wolle er weiterhin im Prozess der Aufarbeitung und der Missbrauchsbekämpfung Verantwortung übernehmen. "Dieser institutionelle Aufarbeitungsprozess kommt in unserem Bistum gerade in Gang und dafür bin ich dankbar", so der Trierer Oberhirte.
"Mein Vertrauen in ihn ist durch seinen konsequenten Schritt bestärkt worden", sagte der Aachener Bischof Helmut Dieser zum Rücktrittsgesuuch von Kardinal Marx.
Den Aachener Bischof Helmut Dieser hat Kardinal Marx' Rücktrittsangebot nach eigener Aussage tief bewegt. Der Münchner Erzbischof genieße seinen "großen Respekt für seine Entscheidung", teilte Dieser mit. In seinen "Trierer Jahren" sei Marx über viele Jahre sein Bischof gewesen. "Mein Vertrauen in ihn ist durch seinen konsequenten Schritt bestärkt worden", so Dieser. Weiter betonte der Aachener Bischof, die Kirche stehe derzeit "vor sehr tiefgreifenden Fragestellungen, wie wir die Lebenswirklichkeit der Menschen umfassender wahrnehmen und deutlicher auf die Lebensvollzüge der Kirche anwenden können". Dazu gebe es auf dem Synodalen Weg gute Beratungen. "Diesen Weg werden wir weitergehen."
Auch Augsburgs Bischof Bertram Meier hat den angebotenen Amtsverzicht von Kardinal Marx mit "Achtung und Bedauern" zur Kenntnis genommen. Er habe Marx über viele Jahre hinweg "als Menschen mit Leib und Seele, als Christen aus Überzeugung, als Priester im Dienst des Wortes Gottes und jetzt im Bischofsamt als verlässlichen, ehrlichen und offenen Mitbruder kennen und schätzen gelernt", heißt es in einer Stellungnahme Meiers. "Ich bin sicher, dass Papst Franziskus für einen seiner engsten Berater, nicht zuletzt in der Kardinalskommission zur Kurienreform, die Entscheidung treffen wird, die Kardinal Marx nahe an den Menschen sein lässt und dem Willen Gottes entspricht."
Meier: "Impuls für uns alle"
Zu möglichen Folgen des Rücktrittsgesuchs im Hinblick auf den Umgang der Kirche mit dem Thema sexueller Missbrauch sagte Meier, der Schritt des Münchner Erzbischofs sei ein "Impuls für uns alle, die wir in leitender Verantwortung standen oder stehen, in uns zu gehen und Gewissenserforschung zu halten, inwieweit wir selbst in dieses Themenfeld verwoben waren und sind". Wenn Kardinal Marx die Kirche in Deutschland an einem "toten Punkt" sehe, möchte er hinzufügen, dass er bereits "Knospen der Hoffnung aufgehen sehe", so der Augsburgher Bischof. "Denn es gibt viele Menschen, denen die Kirche sehr am Herzen liegt und die auch unter diesen schweren Bedingungen der Vertrauenskrise versuchen, das Evangelium glaubwürdig anzubieten."
Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode zeigte sich vom Rücktrittsangebot des Münchner Erzbischofs überrascht und "zutiefst betroffen". "Es ist ein starkes Zeichen, und ich habe hohen Respekt", teilte Bode mit. "Dieser Schritt wird, weil der Kardinal so eine wichtige Figur in der Kirche in Deutschland ist, seine Wirkung haben." Gleichzeitig bedauere er es sehr, dass Marx in dieser Position nicht in der Bischofskonferenz dabei sein kann, so Bode. Die Kirche befinde sich an einem Wendepunkt, kein Stein werde auf dem anderen bleiben. "Aber ich denke, wir müssen mit den Steinen etwas Gutes wiederaufbauen", fügte der Osnabrücker Bischof hinzu.
Am Freitag war bekannt geworden, dass Kardinal Marx Papst Franziskus gebeten hat, seinen Verzicht auf das Amt des Erzbischofs von München und Freising anzunehmen und über seine weitere Verwendung zu entscheiden. In einem Brief vom 21. Mai an den Heiligen Vater legte der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz seine Gründe für diesen Schritt dar, wie das Erzbistum München und Freising mitteilte. In dem Brief heißt es: "Im Kern geht es für mich darum, Mitverantwortung zu tragen für die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs durch Amtsträger der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten." Die Untersuchungen und Gutachten der zurückliegenden zehn Jahre zeigten für ihn durchgängig, dass es "viel persönliches Versagen und administrative Fehler" gegeben habe, aber "eben auch institutionelles oder systemisches Versagen". Marx ist seit 2002 Diözesanbischof, zunächst in Trier, seit 2008 in München und Freising. 2010 wurde er zum Kardinal erhoben. Von 2014 bis März 2020 war er Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. In dieser Funktion setzte er sich maßgeblich für den Synodalen Weg ein, der Konsequenzen aus der MHG-Studie zur Bewältigung des Missbrauchs in der Kirche erarbeiten soll. (mal)
4.6., 14:30 Uhr: ergänzt um die Stellungnahme von Bischof Meier; 15:45 Uhr: ergänzt um Bischof Bode; 16:50 Uhr: ergänzt um Kardinal Woelki und Bischof Ackermann.