Internationaler Tag der Heraldik am 10. Juni

Kirchliche Heraldik: Eine aussagekräftige Tradition im Wandel

Veröffentlicht am 10.06.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Seit dem Mittelalter gehören Wappen zur europäischen Kultur und sind bis heute auch in der Kirche zu finden. Doch welche Geschichte steckt hinter den charakteristischen Schilden von Kardinälen, Bischöfen und Äbten? Und welche Zukunft haben sie? Ein Blick auf die kirchliche Heraldik.

  • Teilen:

Im Februar sorgte der damals frisch ernannte Bischof des Schweizer Bistums Chur, Joseph Maria Bonnemain, für ungewöhnliche Schlagzeilen. Der Grund: Bonnemain hatte sich dagegen ausgesprochen, nach seiner Bischofsweihe ein eigenes Wappen führen zu wollen. "Mir reicht das Kreuzzeichen Christi. Und dieses, nur dieses, werde ich benutzen", sagte der Churer Oberhirte und erteilte damit der bis ins Mittelalter reichenden Tradition der kirchlichen Heraldik eine klare Absage. Bonnemain wurde deshalb Geschichtsvergessenheit vorgeworfen, doch es ist sein gutes Recht, sich kein Bischofswappen zu geben: Das Kirchenrecht gestattet den Kardinälen, Bischöfen, Äbten und weiteren Geistlichen den Gebrauch eines Wappens – aber eine Pflicht dazu besteht nicht.

Aus der Zeit der Kreuzzüge

Seit dem 12. Jahrhundert gibt es Wappen in ihrer klassischen Form, so wie sie auch heute noch gebraucht werden. Mit dem Auftreten immer großer werdender Ritterheere während der Zeit der Kreuzzüge und geschlossener Helme, wurde es zumeist für die berittenen Krieger zunehmend schwieriger, sich bei einer Schlacht zu identifizieren. So brachten die Ritter Zeichen auf ihren Schilden und Helmen an, die sie eindeutig erkennbar machten. Deshalb wurden diese zum Schutz dienenden Kriegsgerätschaften zu den wichtigsten Elementen der Wappen.

Das hochmittelalterliche Turnierwesen, bei dem Herolde vor den Kämpfen die Teilnehmer anhand ihrer Wappen ankündigten, trägt einen großen Anteil daran, dass sich diese Erkennungszeichen zunächst im Adel und später darüber hinaus etablierten. Als erstes Beispiel der Wappenkunst gilt der Schild von Gottfried V. von Anjou. Es wurde ihm am 10. Juni 1128 anlässlich seiner Aufnahme in den Ritterstand, der sogenannten Schwertleite, von seinem zukünftigen Schwiegervater König Heinrich I. von England verliehen. Aus diesem Grund begehen Wappenkundler seit einigen Jahren an diesem Datum den Internationalen Tag der Heraldik.

Bild: ©Bistum Augsburg/Julian Schmidt (Archivbild)

Der Augsburger Oberhirte Bertram Meier stellt sein Bischofswappen vor.

In der Kirche setzten sich Wappen etwa anderthalb Jahrhunderte später durch. Zunächst scheuten sich die Bischöfe, diese Schildzeichen zu verwenden, die ihren Ursprung im Kriegswesen hatten. Doch als etwa ab dem Jahr 1200 Frauen begannen, Wappen zu führen, wollte auch der Klerus nicht mehr auf dieses aussagekräftige Persönlichkeitszeichen verzichten. Es bot aufgrund der großen Wiedererkennbarkeit zudem den Vorteil, Siegel damit versehen zu können. Urkunden und Verträge wurden somit rechtsgültig geschlossen und dem Ausstellenden eindeutig zugeordnet. Spätestens mit dem ersten nachweisbaren Papstwappen von Bonifatius VIII. (1294-1303) war die Heraldik in der Kirche angekommen.

Die Regeln der kirchlichen Heraldik

Waren klerikale Wappen in den vergangenen Jahrhunderten noch von großer Bedeutung, um Besitzansprüche zu markieren, etwa durch das Anbringen an Gebäuden, oder in den Liturgien der Bischofsweihe und Abtsbenediktion, so spielen sie heute nur noch eine untergeordnete Rolle. Dennoch werden weiterhin Bischofswappen gestaltet, da neue Oberhirten in der Regel dieser kirchlichen Tradition folgen. Die meisten Bischöfe nehmen sich dieser Aufgabe sogar vor ihrer Weihe oder Amtseinführung in der neuen Diözese an, um das neue Wappen bei diesen Anlässen zeigen zu können.

Bei der Erstellung eines solchen Wappens sind die Regeln der kirchlichen Heraldik zu beachten. Das Zentrum bildet dabei der Wappenschild. Dessen Fläche kann in kleinere Bestandteile aufgespalten werden, etwa durch eine Teilung oder Vierung. Bei der Auswahl der dargestellten Figuren sind die Bischöfe frei, sie sollen sich jedoch auf in der Wappenkunde bekannte Symbole, wie Tiere, Pflanzen, Zeichen und Gegenstände beschränken. Meist erfolgt die Gestaltung mit der Intention, etwas über das Bistum des wappenführenden Bischofs sowie über seine Herkunft auszusagen. Konkret bedeutet das meist, das Wappen der eigenen Diözese oder dessen einzelne Bestandteile in bestimmten Feldern zu übernehmen. Auf den anderen können dann Symbole, die mit Namen oder Werdegang des Bischofs zusammenhängen, gezeigt werden. Auch die Farben spielen bei der Gestaltung des Schildes eine Rolle und unterliegen bestimmten Regeln. Als Grundsatz gilt jedoch, ein einfaches und leicht deutbares Wappen zu führen, damit der jeweilige Bischof eindeutig identifiziert werden kann.

Franziskus steht auf einem Balkon des Petersdoms.
Bild: ©KNA (Archivbild)

Das Wappen von Papst Franziskus.

Der Schild wird von den heraldischen Nebenstücken umgeben, die den jeweiligen Geistlichen näher beschreiben und eine Art Rangordnung bilden. Über dem Schild prangt der Galero, ein breitkrempiger Klerikerhut, von dem auf beiden Seiten Quasten in einer bestimmten Anzahl herunterhängen. So ist dieses Nebenstück bei einem Kardinal in roter Farbe und mit 15 Quasten auf jeder Seite, bei einem Diözesanbischof jedoch grün mit nur sechs Quasten. Hinter dem Schild wird ein Kreuzstab geführt, der anzeigt, ob der jeweilige Oberhirte Bischof oder Erzbischof ist. Äbte und Äbtissinnen nutzen hingegen einen Hirtenstab mit einem kleinen angehängten Tüchlein, dem Pannisellus. Diese und weitere Nebenstücke sind je nach Aufgabe und Rang des wappenführenden Klerikers in verschiedener Anzahl und Farbigkeit zu kombinieren und halten so manche Ausnahmen bereit, wie etwa das Wappen des Erzbischofs von Salzburg. Dieser darf als Primas Germaniae ein Wappen nutzen, das dem eines Kardinals sehr ähnelt.

Individuelle Zeichen für Oberhirten

Die heraldischen Regeln der Gestaltung eines Wappens werden in Deutschland in aller Regel eingehalten. Weltkirchlich ist die Situation jedoch eine andere: So sorgte etwa das Papstwappen von Johannes Paul II. für Aufsehen, weil es ein großes "M" zeigt. Die Darstellung eines solchen Buchstabens ist in der Heraldik unüblich. Das Wappen des polnischen Heiligen führt jedoch deutlich vor Augen, was die Wappenkunst in der Kirche weiterhin interessant macht: Ein Wappen ist ein Individualitätsmerkmal für den jeweiligen Oberhirten. Es bietet ihm die Gelegenheit, etwas über sein Verständnis des christlichen Glaubens und das Bischofsamt auszusagen. Besonders geschieht dies durch den Wappenspruch, der unter dem Schild angebracht ist und ein Zitat aus der Heiligen Schrift oder einem spirituellen Werk aufgreift. Bei Johannes Paul II. lautete dieses Motto "Totus tuus", "Ganz dein". Durch das Wappen stellte er sein Pontifikat unter den Schutz Mariens.

In jüngerer Vergangenheit beeindruckte vor allem das Wappen des kanadischen Kurienkardinals Michael Czerny. Der Jesuit wurde 2019 von Papst Franziskus zum Kardinal ernannt und gab sich ein Wappen, auf dem ein Flüchtlingsboot dargestellt ist. Auch wenn diese Abbildung nach den heraldischen Regeln eher ungewöhnlich ist, griff Czerny damit ein aktuelles Symbol auf, das für das Leid vieler Flüchtlinge weltweit steht – ein Thema, dem sich der Kardinal mit seiner Arbeit im Vatikan intensiv widmet. Czernys Wappen zeigt: Die kirchliche Heraldik befindet sich in einem leisen Wandel. Sie bietet die Möglichkeit, über starre Regeln hinauszugehen und auf traditionsreiche Weise stets neu vom Glauben zu sprechen. Werden Wappen auf diese Weise gestaltet und verstanden, erübrigt sich die Kritik, die bisweilen geäußert wird, sie seien klerikalistisch oder als Symbole der Macht aus der Zeit gefallen.

Von Roland Müller