Standpunkt

"Traditionis custodes" – ein schwieriger Erlass

Veröffentlicht am 05.08.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Christus will die Einheit der Kirche. Diese zu erhalten, sei nach der Einschränkung der "Alten Messe" und dem Furor ihrer Anhänger nicht gerade leichter geworden, kommentiert Gudrun Sailer. Es gebe daher eine "lohnende" Zukunftsfrage für die Kirche.

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Für Anhänger der Alten Messe weltweit brechen harte Zeiten an. Papst Franziskus hat mit seinem Erlass "Traditionis Custodes" die Feier nach den alten liturgischen Büchern wieder eingeschränkt und unter bischöfliche wie römische Kontrolle gestellt. Eine schwierige Entscheidung, die Franziskus auf der Grundlage von Informationen aus mindestens drei Quellen getroffen hat. Er befragte Bischöfe, las Berichte von Nuntien über Wortmeldungen von Traditionalisten und ließ offensichtlich Verantwortliche seines Apparats einen Blick auf Blogs und Internet-Foren werfen. Letzteres hatte übrigens sein Vorgänger Benedikt XVI. der Römischen Kurie nach einem so handfesten wie hausgemachten Skandal rund um einen Anhänger der liturgischen Tradition ans Herz gelegt: Der Vatikan hatte 2009 die Rücknahme der Exkommunikation des Lefebvre-Bischofs und Holocaust-Leugners Richard Williamson just am Tag nach der Ausstrahlung eines Interviews mitgeteilt, in dem Williamson erklärte, im Holocaust seien "höchstens 300.000 Juden" gestorben, niemand in einer Gaskammer. Oh ja, es empfiehlt sich, heutzutage auch mal schnell im Internet nachzusehen, was es Neues gibt, ehe man im Vatikan eine folgenschwere Entscheidung trifft. Was inzwischen geschieht.

Wenig überraschend, ging es nach der Veröffentlichung von "Traditionis Custodes" auf bestimmten Portalen im US-amerikanischen Raum und anderswo schwer zur Sache. Natürlich konnte niemand daran zweifeln, dass traditionsverbundene Gläubige die Entscheidung von Franziskus mit Wehmut und Wut aufnehmen würden. Ein kleiner, aber lauter Teil von ihnen, nämlich jene, die einen Papst wie Franziskus, das Konzil, die heutige römische Liturgie und die Idee einer voranschreitenden Kirche ohnehin nicht akzeptieren, gerieten in einen Furor, der beim bloßen Mitlesen schmerzt. Ja, es gibt auch reflektierte, begründete und bedenkenswerte Einwände gegen die Einschränkung der Alten Messe durch Franziskus. Aber der stärkste Eindruck bei den Reaktionen auf diesen Blogs ist ein emotionaler: bodenloser Hass auf diesen Papst und alles, wofür er steht. Dass das aber schon seit Jahren immer weiter entgleiste, dass ausgerechnet die Liturgie die Arena für immer höher sich auftürmenden Hass wurde, war mit ein Grund für dieses Dekret. Da ist ad hoc nicht mehr viel zu retten. Franziskus weiß das, und er bittet die Bischöfe, diese Last mit ihm zu teilen.

Und doch: Ein Schisma, eine Abspaltung, wie der Jesuit Stefan Kiechle sie jüngst als weniger gravierend bezeichnet hat, kann trotzdem nicht gefallen. Dazu erhalten wir im Vatikan zu viele Mails aus Deutschland, die ein Schisma durch den reformorientierten Synodalen Weg herbeireden, ersehnen, ja würdig und recht fänden. Eine Spaltung der katholischen Kirche auf der einen oder anderen Seite zu wollen, halte ich für verfehlt. Alles ist zu tun, um die Einheit zu erhalten, die Christus will. Mit dem An-die-Kandare-Nehmen der Alten Messe und ihrer Freunde durch "Traditionis Custodes" wird das nicht leichter. Die lohnende Zukunftsfrage wäre tatsächlich die: Wie kann eine Weltkirche aussehen, die wie selbstverständlich Platz für alle Getauften inklusive Anhänger der alten Liturgie bietet?

Von Gudrun Sailer

Die Autorin

Gudrun Sailer ist Redakteurin bei "Vatican News".

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin wider.