Einige Traditionen haben sich bis heute erhalten

Nicht nur ein kirchliches Fest: Brauchtum am Kirchweihtag

Veröffentlicht am 17.10.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Vielerorts wird am dritten Sonntag im Oktober die Kirchweih gefeiert. Auch wenn es seine einstige Bedeutung eingebüßt hat: Viele Gemeinden begehen das Fest nach wie vor mit großer Feierlichkeit – und Geselligkeit. Katholisch.de erklärt Ursprung und Bräuche rund um diese Tradition.

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Die Kirchweih ist ein altes, christliches Fest, das bis heute in vielen Gemeinden mit großer Feierlichkeit begangen wird. In der Mitte steht dabei – so sagt es ja schon der Name – das Gedenken an den Weihetag der Kirche. Jedes Gotteshaus wurde einmal geweiht beziehungsweise gesegnet und damit gewissermaßen seinem Zweck übergeben, fortan Versammlungsort für die Gläubigen zur Feier des Gottesdienstes zu sein. Der Kirchweihgottesdienst ist daher auch immer ein beliebter Zeitpunkt, um über das Leben der Kirche im Allgemeinen und das Engagement in einer Pfarrgemeinde nachzudenken. Kirche ist zwar immer Weltkirche, aber genauso Ortskirche: In jeder Eucharistiefeier denkt die versammelte Gemeinde aus einem konkreten Ort an die Kirche auf dem ganzen Erdkreis.

Zurückgeführt werden kann das Gedenken an den Weihetag der Kirche auf das jüdische Chanukka-Fest. Infolge der Eroberung Jerusalems durch die Seleukiden unter Antiochus IV. Epiphanes wurde der Tempel entweiht und das liturgische Inventar geraubt. Erst durch den Einsatz der Makkabäer konnte Jerusalem von der Oberherrschaft befreit und der Gottesdienst im Tempel wieder aufgenommen werden. Chanukka, das acht Tage lang begangen wird, erinnert bis heute alljährlich an die Wiedereinweihung des Tempels infolge des Makkabäer-Aufstandes.

Öffentliche Weihe seit Zeit Konstantins

In den christlichen Kirchen wurde die öffentliche Weihe einer Kirche erst seit der Zeit Konstantins begangen. Als erste konsekrierte Kirche gilt die Kathedrale von Tyrus, wie aus einem Bericht des Kirchenhistorikers Eusebius von Caesarea hervorgeht. Seit Papst Gregor dem Großen gehören zur Weihe einer Kirche die Besprengung mit Weihwasser sowie die Beisetzung von Reliquien im Altar. Dies hat seinen Ursprung darin, dass man in der Frühzeit des Christentums den Gottesdienst über den Gräbern der Märtyrer feierte; symbolisch sollte dies bewahrt werden, indem man in den Altären Reliquien von Heiligen beisetzte.

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In anderen Quellen heißt es auch, die Kirchweihfeste, die oftmals im Herbst begangen werden, würden auf ein heidnisches Brauchtum zurückgehen. Hierbei sei es üblich gewesen, Opfer- und Erntefeste zu feiern, die mit großem Aufwand und hoher Festlichkeit begangen wurden. Da bei vielen Kirchweihen Essen und Trinken nicht zu kurz kommen, scheint es nahezuliegen, heidnische Feste als Ursprung des Kirchweihbrauchtums anzunehmen. Diesen paganen Festen wurde dann eben ein christlicher Anstrich verpasst, wobei sich wesentliche Elemente der ursprünglichen Feierlichkeiten erhalten haben. Dies jedenfalls würde auch erklären, warum das Kirchweihfest bis heute selbst in Gemeinden begangen wird, die nicht einmal eine eigene Kirche oder Kapelle besitzen. Freilich ist diese Deutung nicht unumstritten. Ebenso ist es möglich, dass ein ursprünglich kirchliches Fest den Ausgangspunkt für die vielfältigen Kirchweihfeierlichkeiten bildete. Kirchliche Feste wurden häufig als Anlass für weltliche Feierlichkeiten genutzt, wobei sich diese dann oftmals vom eigentlichen Grund mehr und mehr lossagten. Man denke zum Beispiel nur an das Weihnachtsfest, das heutzutage selbst in nichtchristlichen Familien gefeiert wird, ohne dabei direkt auf die Geburt Jesu Bezug zu nehmen.

Der Zeitpunkt der Kirchweih-Feier ist durch das Datum der Konsekration der Kirche bestimmt. Mancherorts wurden auch die "große Kirchweih" (also der Weihetag der Kirche) und die „kleine Kirchweih“ gefeiert. Letztere nahm den Festtag des Heiligen zum Anlass, der das Patronat für die Kirche bildete. Da Patrozinium und Weihetage nur selten zusammenfielen, wurde und wird eigentlich immer in irgendeiner Gemeinde Kirchweih gefeiert. Da sich an das religiöse Fest auch eine größere weltliche Feier anschloss, wurde dieses Treiben von den Behörden in früheren Zeiten zunehmend mit Argwohn betrachtet. Im Jahr 1806 führte man in Bayern daher den Tag der Allgemeinkirchweih" ein: Am dritten Sonntag im Oktober sollten alle Gemeinden das Kirchweihfest begehen. Damit sollten die unterschiedlich datierten Kirchweihfeste zugunsten eines gemeinsamen Termins abgeschafft werden. Heutzutage jedenfalls spielt die "Allerweltskirchweih" nur noch eine geringe Rolle. In vielen Gemeinden wird die Kirchweih wieder rund um den ursprünglichen Weihetag der Kirche (insofern er bekannt ist) begangen. Dies führt dazu, dass eigentlich immer irgendwo Kirchweih gefeiert wird, da die Weihetage der Kirchen natürlich höchst unterschiedlich sind. Zusätzlich begehen manche Gemeinden auch noch die "Allgemeinkirchweih" als sogenannte "Herbstkirchweih".

Immer auch bedeutendes weltliches Fest

Kirchweih ist nie nur ein religiöses Fest gewesen, sondern war schon immer auch ein bedeutendes weltliches Fest. Fröhlichkeit, Tanzvergnügen, reichlich Essen und Trinken umrahmten die religiöse Feier, die am Sonntagmorgen mit dem Gottesdienst ihren Höhepunkt erreichte. In vielen Dörfern war die Kirchweih das höchste Fest, zu dem in früheren Zeiten häufig die Verwandtschaft aus dem Umland zu Besuch kam. In Franken zum Beispiel wurden für diesen Tag traditionell Krapfen gebacken und es wurden Bratwürste serviert, die es sonst nur zu den höchsten Feiertagen im Jahreslauf gab. Oft war die Kirchweih "das größte Fest im ganzen Jahr", wie der bayerische Volksdichter Ludwig Thoma einstmals schrieb.

Biergläser stoßen aneinander
Bild: ©dpa/Tobias Hase (Symbolbild)

An die geistliche Kirchweihfeier schließt sich vielerorts auch eine weltliche an.

In früheren Zeiten war der Ablauf des Kirchweihfestes streng geregelt: Am Donnerstag wurde geschlachtet, am Freitag gebacken, am Samstag Haus und Hof auf Vordermann gebracht, der Sonntag war schließlich Feiertag für die Familie. Am Montag folgte der Kehraus, der oftmals als "Halbfeiertag" begangen wurde und an dem man nur so viel arbeitete, wie wirklich im Stall oder auf dem Hof nötig war. Der Dienstag war schließlich der Tag des Abschiednehmens von der ausgelassenen Feier: Mancherorts wurde die Kirchweih unter verschiedenen Zeremonien traditionell "begraben". Ein Bericht aus der Fränkischen Schweiz aus dem Jahr 1926 gibt einen guten Einblick in dieses Brauchtum: "Ein eingefleischter Brauch war das Kirchweihein- und ausgraben, was jetzt verboten ist. Der Hauptgrund zur Untersagung wird wohl die Nachäffung kirchlicher Zeremonien durch die Jugend mancher Orte gewesen sein." In einem Ort in der Fränkischen Schweiz "hatte diese Sitte mit einem christlichen Begräbnis auch äußerlich nichts gemein, höchstens vielleicht das bitterliche Schluchzen und Weinen, mit dem am letzten Kirmestag einige Burschen an geheimen Orten einige Symbole der Kirchweih (Krapfen – Flasche Bier – kleine Münzen) vergraben haben. Ein Jahr lang mussten hier diese stummen Zeugen und Reste eines frohen Festes schlummern, bis sie am nächsten Kirchweihsamstag unter Jubel ausgegraben wurden." Am folgenden Mittwoch war die Kirchweihfeier längst vergessen und jeder musste wieder seiner alltäglichen Arbeit nachgehen.

Natürlich waren und sind die Kirchweihfeierlichkeiten regional stark unterschiedlich. Selbst von Dorf zu Dorf wurden verschiedene Traditionen gepflegt, die sich teilweise noch bis heute erhalten haben. Ob Kirchweihständchen, bei denen die Musikanten spielend durchs Dorf ziehen und den Einwohnern eine "frohe Kirchweih" wünschen, oder das Aufstellen eines Kirchweihbaumes: Manches Brauchtum hat sich bis heute erhalten. Wenngleich festzustellen ist, dass die Kirchweih vielerorts ihren ursprünglichen Reiz verloren hat. Vielfältig sind die Angebote geworden, die einen Anlass zum Feiern und ausgelassenen Frohsinn bieten. Heutzutage gibt es vermutlich nur noch sehr wenige, welche die Kirchweih als Höhepunkt des Jahres bezeichnen. Umso wichtiger, dass sich manche Bräuche rund um den Kirchweihtag dennoch erhalten haben und bis heute mit teils großer Sorgfalt gepflegt werden.

Von Fabian Brand