Die Vorschläge des Synodalen Wegs und ihre Effektivität

Mehr Laienmitsprache bei Bischofsbesetzungen – (wie) geht das?

Veröffentlicht am 15.11.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Geht es nach der Mehrheit beim Synodalen Weg, sollen die Laien in Deutschland künftig bei der Besetzung von Bischofstühlen mitwirken. Die vom Macht-Forum ausgearbeiteten Vorschläge befinden sich alle im rechtlich möglichen Rahmen. Doch wie effektiv sind sie tatsächlich?

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Wie sollen Bischöfe in ihr Amt kommen? Forderungen, Laien besser in die Auswahl neuer Oberhirten für ihre Diözese einzubeziehen, gibt es seit Jahrzehnten. Geht es nach der Mehrheit der Delegierten auf dem Synodalen Weg, soll die Kirche in Deutschland damit in naher Zukunft ernst machen: Bei der vergangenen Vollversammlung wurde die Vorlage zu einem entsprechenden Handlungstext angenommen und zur weiteren Bearbeitung an das Synodalforum "Macht und Gewaltenteilung in der Kirche" überwiesen. Entsprechend der Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils müsse das Volk Gottes insgesamt als handelndes Subjekt in Erscheinung treten, heißt es in dem Papier. "Deshalb erscheint es unumgänglich, das Volk Gottes der diözesanen Ortskirche stärker als bisher an der Bestellung der Bischöfe zu beteiligen."

Das übliche Verfahren bei Bischofsernennungen ist im Kirchlichen Gesetzbuch festgelegt: Die Übertragung des Amts erfolgt durch den Papst. Er "ernennt die Bischöfe frei oder bestätigt die rechtmäßig Gewählten", heißt es im Codex Iuris Canonici (c. 377 § 1). Dabei ist für die jeweilige Ortskirche und ihre Glieder bereits Mitwirkung vorgesehen – wenn auch nur in geringem Maße: Der Apostolische Nuntius kann die Meinungen "anderer aus dem Welt- und Ordensklerus sowie von Laien" zu möglichen Kandidaten für das Bischofsamt erfragen (c. 377 §3).

Verschiedene Wege

In Deutschland gelten bei der Besetzung der Bischofsstühle die Bestimmungen der jeweiligen Konkordate, also vertraglich festgelegter Vereinbarungen über das Verhältnis von Kirche und Staat. Sie stammen noch aus den 1920er-Jahren. So hat nach dem Bayerischen Konkordat jeder Bischof und jedes Domkapitel der bayerischen Diözesen alle drei Jahre dem Heiligen Stuhl eine Liste von geeigneten Kandidaten für das Bischofsamt vorzulegen. Bei Vakanz eines Bischofsstuhls legt das Domkapitel der entsprechenden Diözese nochmals eine eigene Kandidatenliste vor. Aus all diesen Kandidatenlisten wählt der Papst den aus, den er zum Bischof ernennt.

Bild: ©picture-alliance / dpa/dpaweb / Arne Dedert (Symbolbild)

In den deutschen Bistümern ist die Bestellung von Bischöfen je nach geltendem Konkordat unterschiedlich geregelt.

Auch das Badische sowie das Preußische Konkordat bestimmen, dass die Bischöfe und Domkapitel dem Heiligen Stuhl Listen geeigneter Kandidaten für das Bischofsamt vorlegen. "Unter Würdigung", wie es heißt, dieser Vorschläge nennt der Heilige Stuhl dem Domkapitel drei Kandidaten, aus denen dieses dann in freier und geheimer Abstimmung den Bischof zu wählen hat. Nach dem Badischen Konkordat muss allerdings unter den drei vom Papst dem Domkapitel zur Wahl des Bischofs benannten Kandidaten mindestens ein Angehöriger der betreffenden Diözese sein.

Soweit die gültige Rechtslage. An dieser setzt der Handlungstext des Machtforums zur Bischofsbestellung an und macht die in diesem Rahmen möglichen Vorschläge für mehr Mitsprache von Laien. So soll ein Vertretungsgremium der Gläubigen gebildet werden, "das so viele Mitglieder hat wie das Domkapitel und dieses bei der Wahrnehmung seiner Rechte im Prozess der Bischofsbestellung unterstützt". Beide Gruppen sollen gemeinsam eine Kandidatenliste aufstellen. Im Wirkungsbereich des Preußischen und Badischen Konkordats soll das Domkapitel darüber hinaus vor seiner Wahl das Gremium anhören. Dieses soll berechtigt werden, dem Domkapitel mehrheitlich eine Wahlempfehlung zu geben. Perspektivisch soll schließlich eine Gläubigenvertretung "in Abstimmung mit dem Apostolischen Stuhl" dieses Wahlrecht wahrnehmen. Dabei müsse man jedoch klären, inwieweit das mit den Konkordaten vereinbar sei.

Freiwilliger Verzicht

Das Zauberwort lautet dabei "freiwillige Selbstbindung des jeweiligen Domkapitels": Dieses soll sich verbindlich den Regelungen verschreiben. Aktuell – Stichwort gültige Rechtslage – ist das der einzige Weg, der mehr Laienmitsprache ermöglichen würde: der Verzicht auf bestimmte Rechte.

Diese Option stehe jedem Rechtsträger offen, betonte die Regensburger Kirchenrechtlerin Sabine Demel, selbst Mitglied des synodalen Macht-Forums, bereits im Sommer. "Die Idee mit der freiwilligen Selbstbindung ist so etwas wie ein vorauseilender Gehorsam von Reformen, die von der Theologie her notwendig sind." Das hätte auch den Vorteil, dass man bereits Erfahrungen in diesem Bereich sammeln könne.

Der Sitzungssaal im Frankfurter Congress Center bei der zweiten Synodalversammlung
Bild: ©KNA/Julia Steinbrecht (Symbolbild)

Das Macht-Forum des Synodalen Wegs hat Vorschläge erarbeitet, wie Laien innerhalb der gültigen Rechtslage besser an der Besetzung von Bischofsstühlen beteiligt werden können.

Doch freiwillige Selbstbindung hin oder her: Garantieren die Vorschläge tatsächlich eine wirksame Mitbestimmung? Klar ist: Wie sehr man Laien auch in den Prozess einbindet – unter den gültigen Voraussetzungen kann man die Rechnung nicht ohne den Heiligen Stuhl machen. Denn der sitzt bei allen durchgespielten Varianten am längeren Hebel. Deshalb betrachtet etwa der Freiburger Kirchenrechtler Georg Bier den Handlungstext mit Skepsis. Schon beim Umgang mit Kandidatenvorschlägen sei der Papst trotz der Konkordatsbestimmungen weitestgehend frei. "In Diözesen, in denen der Bischof vom Domkapitel gewählt wird, ist der Papst bei der Zusammenstellung seiner Dreierliste nur verpflichtet, die Vorschläge zu berücksichtigen. Berücksichtigen heißt, er nimmt sie zur Kenntnis", betont Bier.

In Bayern wir zwar nicht vom Domkapitel gewählt – dafür darf der Papst nur jemanden ernennen, der zuvor auch vorgeschlagen worden ist. Transparent ist das Ganze aber nicht. Denn auch das sei theoretisch nicht überprüfbar, "weil man letztlich nicht weiß, wer alles vorgeschlagen wird oder von wem", so der Kirchenrechtler. Denn neben dem Domkapitel könne etwa auch die Bischofskonferenz Kandidatenempfehlungen beim Heiligen Stuhl einreichen. "Die Mitentscheidung bei der Erstellung von Kandidatenlisten hat also nur einen sehr begrenzten Effekt."

Kein Wahlrecht im Codex

Das treffe auch für die angedachte Beteiligung der Laien beim Wahlverfahren in den Diözesen zu, in denen das Badische oder das Preußische Konkordat gilt. "Was soll das Domkapitel mit einer Wahlempfehlung anfangen?", fragt Bier. Selbst, wenn man eine gesetzesfeste Konstruktion dafür fände: "Wenn man wählt, folgt man dann doch eher dem eigenen Gewissen als einer Empfehlung von anderen." Wenn der Text zudem von einem Wahlrecht spreche, das auf lange Sicht ein anderes Gremium als das Domkapitel wahrnehmen soll, liege er einem Irrtum auf. In den Ausführungen zur Bischofsbestellung im Kirchlichen Gesetzbuch gebe es nämlich gar kein Wahlrecht. "Wenn es heißt, der Papst benennt den rechtmäßig Gewählten, ist das bereits eine Rücksichtnahme auf die Sondersituation in Deutschland sowie in einigen anderen Diözesen in der Schweiz oder in Österreich." Es handelt sich dabei also nur um ein konkordatäres Zugeständnis.

Gewiss: Die Konkordate sind nicht für die Ewigkeit geschrieben – und auch das kirchliche Recht muss zumindest in diesem Punkt nicht für alle Zeiten gültig sein. So ist zumindest in der Theorie vieles möglich. Auch im Laufe der Kirchengeschichte verschiedene Formen der Laienbeteiligung. Denkbar wäre mit einer Änderung der Konkordate etwa, dass die Rechte, die dem Domkapitel bislang zustehen, an repräsentative Gremien der Diözese angeknüpft würden, die bereits bestehen, etwa den Diözesanpastoralrat beziehungsweise den Diözesan- und Priesterrat. Eine Änderung der Staatskirchenverträge ist allerdings schwierig, wie Sabine Demel betonte: "Meiner Wahrnehmung nach wollen die Bischöfe und auch der Apostolische Stuhl da nicht ran, weil man Angst hat, wenn man an den Konkordaten rührt, wird vieles andere gleich mit über Bord geworfen."

Bild: ©KNA/Romano Siciliani (Symbolbild)

Wie ist dem Apostolischen Stuhl zu vermitteln, warum er weitreichenderen Mitwirkungsrechten zustimmen soll? "Ich habe nicht die Erwartung, dass er sich dazu veranlasst sieht", sagt der Freiburger Kirchenrechtler Georg Bier.

Für Georg Bier spielt dabei noch ein weiterer Aspekt eine Rolle: Wer die Konkordate aufschnüren will, müsse mit der Möglichkeit rechnen, dass der Apostolische Stuhl selbst die bisherigen Zugeständnisse gar nicht mehr erneuert. Er beobachtet nämlich die Tendenz, dass der Vatikan bei konkordatären oder ähnlichen Vereinbarungen versucht, das Recht zur Bischofsbestellung noch weiter an sich zu ziehen. Als Beispiel nennt er das Schweizer Bistum Basel: Dort wird der Bischof frei vom Diözesanklerus gewählt, der Papst kann ihn nur bestätigen. "Da gibt es starke Bestrebungen des Apostolischen Stuhls, Einfluss zu nehmen."

Die Frage sei, wie dem Apostolischen Stuhl zu vermitteln sei, warum er weitreichenderen Mitwirkungsrechten zustimmen solle, sagt Bier. "Ich habe auch nicht die Erwartung, dass er sich dazu veranlasst sieht." Das passe nicht zum Konzept des Apostolischen Stuhls. Dieser favorisiere nämlich das Modell des gegenwärtigen Codex: die Bestellung des Bischofs durch den Papst – und nicht mehr Beteiligung von Laien als bisher.

Eine schwierige Gemengelage also. Sollten die Vorschläge final von der erforderlichen Synodalmehrheit beschlossen und in einigen Bistümern umgesetzt werden, wird es zumindest entsprechende Testläufe geben, sobald dort ein Bischofsstuhl vakant wird. Dann wird sich zeigen, ob der Ernannte oder Gewählte der ist, den auch die Laienvertreter favorisieren.

Von Matthias Altmann