Akten zu sexualisierter Gewalt oft verklausuliert formuliert

Kirchenhistorikerin: Vatikan-Archive offen für Missbrauchsaufarbeitung

Veröffentlicht am 13.12.2021 um 16:00 Uhr – Lesedauer: 

Frankfurt ‐ Die Kirchenhistorikerin Alexandra von Teuffenbach sieht im Vatikan keine Vorbehalte gegenüber der Nutzung der Archive für die Missbrauchsaufarbeitung. Doch zu finden, was man sucht, ist oft schwierig. Nicht nur Sprachbarrieren bestehen.

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Die vatikanischen Archive sind laut der Kirchenhistorikerin Alexandra von Teuffenbach in Bezug auf die Nutzung ihrer Archivgüter zur Aufarbeitung von Missbrauch sehr aufgeschlossen. Bei einer Tagung zur Rolle von Primärquellen in der Missbrauchsforschung an der Universität Frankfurt sagte Teuffenbach am Freitag, dass das größte Hindernis neben der Begrenzung auf die Zeit bis zum Ende des Pontifikats von Papst Pius XII. (Oktober 1958) die Erschließung des Archivguts sei, da nur ein Bruchteil inventarisiert sei. Man müsse also wissen, wie und wonach man suche. Der Forschungsgegenstand Missbrauch stelle aber kein Hindernis dar: "Es gibt ein großes Wohlwollen für diese Form von Forschung und auch bei der Aufklärung dieser Fälle hier in Rom, vor allem wenn man seitens der Archive den Eindruck hat, es geht um ernsthafte wissenschaftliche Forschung", so Teuffenbach.

Zur Aufarbeitung von Missbrauch müsse man die Akten aber auch zu lesen verstehen. Neben Sprachkenntnissen gehörten dazu auch die Kenntnis der spezifischen Ausdrücke der Kurie und ihrer Vorgehensweise. "Man kann nicht erwarten, in Akten der 40er und 50er Jahre des letzten Jahrhunderts heutige Ausdrücke zu finden. Auch hatten die missbrauchten Frauen häufig nicht nur Scham, sondern begrifflich nicht einmal die Möglichkeit, das ihnen Geschehene auszudrücken", so Teuffenbach. Heute verwendete Begriffe wie "sexueller Missbrauch" tauchten in den Akten des Heiligen Offiziums, der heutigen Glaubenskongregation, nicht auf. Auch schwere Verstöße gegen Moral und Kirchenrecht würden nur knapp beschrieben. Neben Schilderungen von Betroffenen könne man vor allem aus den getroffenen Sanktionen auf die Schwere der festgestellten Schuld Rückschlüsse ziehen.

Teuffenbach hatte auf Grundlage von Archivfunden im Apostolischen Archiv sowie Recherchen im Limburger Provinzialarchiv der Pallottiner Missbrauchsvorwürfe gegen den Gründer der Schönstatt-Bewegung, Pater Josef Kentenich, öffentlich gemacht. Unter anderem hatte sie eine Archivdokumentation mit eidesstattlichen Aussagen von ehemaligen Schönstatt-Schwestern über das Verhalten Kentenichs ihnen gegenüber herausgegeben. Im Kontext dieses Falls beklagte sie, dass trotz der Aktenlage das Seligsprechungsverfahren im Bistum Trier und seitens der Schönstatt-Bewegung weiterhin vorangetrieben wird. "Man mag sich fragen, was hier los ist, wenn man zu der Schlussfolgerung kommen muss, dass das Heilige Offizium der fünfziger Jahren missbrauchte Frauen weit besser behandelt hat, ja ernster genommen hat und zu schützen versucht hat, als heute gewisse Kreise der Schönstattgemeinschaft es tun", so Teuffenbach. Nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe hatte das Bistum Trier eine Expertenkommission zur Klärung eingesetzt. (fxn)