Persönliche Stellungnahme zu Missbrauchsstudien

Kohlgraf: Heute belastete Bischöfe waren früher mein Vorbild

Veröffentlicht am 24.01.2022 um 14:06 Uhr – Lesedauer: 

Mainz ‐ Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf wendet sich mit einer sehr persönlichen Stellungnahme an die Öffentlichkeit: Die Missbrauchsstudien der vergangenen Jahre gehen an ihm nicht vorbei, oft schäme er sich. Doch er hat auch Kritik an der Berichterstattung.

  • Teilen:

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf ist angesichts des Missbrauchs in der Kirche erschüttert und beschämt. Es habe seinen Glauben erschüttert, "wenn auch ich heute wegen des augenscheinlichen Versagens kirchlicher Amtsträger kritisiert werde", schrieb er am Montag in einer persönlich gehaltenen Stellungnahme. Aus dem Stolz, für Christus unterwegs zu sein, sei bei ihm auch immer wieder Scham geworden. "Namen von versagenden Verantwortlichen, die jetzt genannt werden, waren für mich viele Jahre, bei aller Distanz, immer auch Persönlichkeiten, die mein Kirchenbild geprägt haben", so Kohlgraf. Viele prominente Bischöfe seien heute zumindest in ihrem Ansehen angekratzt. "Sie können nicht mehr meine Vorbilder sein." Dabei ging er auf die Kölner Kardinäle Joachim Meisner, der ihn zum Priester geweiht hatte, und Joseph Höffner, der ihn als Jugendlichen fasziniert hatte, ein. "Bischofspersönlichkeiten sind komplex. Das gilt auch für den emeritierten Papst", betonte er. Für diese versagende Kirche müsse er als Bischof einstehen. Die Kirche sei mehr als der Bischof, und das Hauptproblem sei nicht die persönliche Situation des Bischofs. Er könne aber bei Menschen, die wegen des Versagens in Mithaftung genommen werden, "manche kritische, wütende und erschöpfte Äußerung nur zu gut verstehen".

In der Berichterstattung über Missbrauchsgutachten beklagte Kohlgraf eine zu starke Täterfixierung. Gegenüber dem Leid einzelner Betroffener sei die Berichterstattung über Täter in der Kirche dominant. Die mediale Öffentlichkeit reduziere das komplexe Thema der Aufarbeitung oft auf die Frage nach den Tätern und der Höhe von Anerkennungsleistungen für Betroffene. Studien könnten jedoch nur ein Mosaikstein im Prozess der Aufarbeitung sein, um "aufzudecken, zu verstehen, und daraus Konsequenzen zu ziehen". 

Forderungen, die Kirche weltlichem Recht zu unterstellen, wies Kohlgraf zurück: Bereits jetzt unterstehe die Kirche in vielerlei Hinsicht dem weltlichen Recht. Er unterstütze die konsequente Verfolgung von Fällen in der Kirche. "Wir sind dankbar für jeden Fall, in dem die Staatsanwaltschaft ermittelt", so Kohlgraf. Zugleich verteidigte er ein eigenes kirchliches Strafrecht. "Das kirchliche Recht ersetzt nicht das weltliche Strafrecht", betonte Kohlgraf. Ein eigenes Recht mit anderen Verjährungsfristen und der Möglichkeit der Sanktionierung von Fällen, die unterhalb der staatlichen Strafbarkeitsgrenze liegen, ermögliche, auch gegen von staatlichen Gerichten nicht verurteilte Täter durchzugreifen. Das betreffe einen beträchtlichen Teil der kirchlichen Fälle. "Das Kirchenrecht hilft mir, geeignete Disziplinarmaßnahmen zu setzen, die der Staat nicht kennt", betonte der Bischof. (fxn)