Was der Papst zu sagen hat
Zunächst die Fakten. Mit dem dritten Teil schließt Benedikt XVI. seine Jesus-Reihe ab. Vom Stammbaum Jesu spannt er den erzählerischen Bogen über die Weihnachtsgeschichte und die Heiligen Drei Könige bis zu den Erlebnissen, die Maria und Josef mit ihrem zwölfjährigen Sohn im Tempel haben. Wie auch in den ersten beiden Teilen belässt der Papst es nicht bei der simplen Nacherzählung. Er reflektiert über die ersten Lebensjahre von Gottes Sohn, unterzieht die Textstellen aus den Evangelien einer kritischen Analyse und klopft sie auf ihren theologischen Gehalt hat.
Dem unbedarften Leser macht er es dabei leicht und schwer zugleich. Schwer, weil Benedikt XVI. nun mal ein ausgezeichneter Kenner der Bibel und ein belesener Wissenschaftler ist: Viele Querverbindungen zwischen Altem und Neuen Testament, historische und textkritische Ausdeutungen von Bibelstellen, Verweise auf den römischen Dichter Vergil oder den Astronomen Johannes Kepler sowie theologisches Vokabular kann der Nicht-Wissenschaftler nur begrenzt nachvollziehen. Nicht umsonst stehen am Ende des Buches fast zwanzig Seiten Glossar mit Erklärungen.
Für das 21. Jahrhundert
Erfrischend leicht ist dagegen der Stil, der wenig von einer wissenschaftlichen Arbeit hat, ohne den Geist und die Ernsthaftigkeit einer solchen aufs Spiel zu setzen. Dadurch wird der Blick frei für die Bezüge in die heutige Zeit, die Benedikt XVI. unternimmt. Unter der Ebene des Nachdenkens über den Sinngehalt der biblischen Geschichte wendet sich der Papst direkt an die Gläubigen des 21. Jahrhunderts.
Die jungfräuliche Geburt Jesu und dessen Auferstehung nennt der Papst einerseits einen "Skandal für den modernen Geist". Andererseits empfindet er sie als "Prüfsteine des Glaubens" und "grundlegendes Element unseres Glaubens und ein Leuchtzeichen der Hoffnung". Dies mahnt die Ernsthaftigkeit der Religion auch in unserer Zeit an. Glaube ist eben kein esoterischer Selbstbedienungsladen.
Auch nimmt Benedikt XVI. die Christen für die in der letzten Zeit oftmals beschworene Aufgabe der Neuevangelisierung in die Pflicht. "Welche Christen eilen heute, wenn es um die Dinge Gottes geht? Wenn etwas Eile verdient – so will uns der Evangelist wohl im Stillen auch sagen –, dann sind es die Dinge Gottes", schreibt er.
Anspielungen auf aktuelle Fragen finden sich noch mehr. In Gedanken über das Römische Reich zur Zeit Jesu positioniert sich Benedikt XVI. in der Kampfzone zwischen Kirche und Staat in der heutigen, zunehmend säkularen Welt: "Der Politik ist durchaus ihr eigener Raum und ihre eigene Verantwortung gelassen. Aber freilich – wo sich der Kaiser vergöttlicht und göttliche Qualitäten in Anspruch nimmt, überschreitet die Politik ihre Grenzen und verspricht, was sie nicht leisten kann."
Mehr Käufer als es Theologen gibt
Auf fast 1.000 Seiten bringen es die drei Jesus-Bände insgesamt – eine ungeheure Leistung für einen über 80-Jährigen, der zudem noch die katholische Kirche leitet. Vor zehn Jahren hatte sich der Autor, damals noch als Chef der Glaubenskongregation unter dem Namen Joseph Ratzinger zu seinen Beweggründen für das Buchprojekt geäußert. "Was mir aber besonders am Herzen läge, wäre, noch ein Buch über Jesus Christus zu schreiben. Wenn mir das geschenkt würde, wäre das sozusagen der Wunsch, den ich vor allem trage. Und damit verbindet sich auch der Wunsch, dass ich genügend Zeit und Freiheit finde, um das zustande zu bringen", sagte er damals. Herausgekommen sind mehr als Bücher über den Sohn Gottes, sondern ebenso eine Reflektion über Kirche und Gesellschaft damals und heute.
Nach Angaben des Herder-Verlags gingen vom ersten Band der päpstlichen Jesus-Trilogie rund 500.000 Exemplare über die Ladentheke. Band zwei verkaufte sich noch gut 150.000-mal. Auch der dritte Teil wird weit mehr Abnehmer finden als es Theologen in Deutschland gibt. Bei wie vielen Käufern das Buch mehr als nur intellektueller Schmuck im Regal sein wird, weiß niemand. Ein Blick hinein, auch ein zweiter, lohnt sich auf jeden Fall, vielleicht regt er ja zur weiteren Lektüre an. Dieses Engagement hat übrigens jedes Buch verdient, bevor es im Schrank verstaubt.
Von Christoph Meurer
