Buch über die vatikanische Polizei gewährt Blick hinter die Kulissen

Immer bereit

Veröffentlicht am 30.06.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Vatikan

Bonn ‐ Wenn sich am Ende der Oper "Tosca" der Vorhang schließt, dann sind drei Menschen als Opfer hinterhältiger Intrigen in den Tod gegangen. Eine Mitschuld daran hat zumindest indirekt eine Gruppe, die eigentlich für Recht und Ordnung sorgen sollte: die päpstliche Polizei. Doch ausgerechnet die Ordnungshüter des Kirchenstaates scheren sich in dem Werk nicht um moralische Grundsätze.

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Nicht nur dem Komponisten Giacomo Puccini war die Polizei eine Inspiration. Auch romreisenden Schriftstellern wie Charles Dickens und Johann Wolfgang von Goethe war sie ein Begriff. Lange hatte die Truppe nicht wirklich einen guten Ruf: "‘Sbirren‘ wurden sie genannt – und Sbirren nennen sich noch heute im italienischen Parlament gegenseitig die Abgeordneten, wenn sie nach einer möglichst wüsten Beschimpfung suchen", sagt der deutsche Theologe, Publizist und Vatikankenner Ulrich Nersinger. Er hat die spannende Geschichte der päpstlichen Polizei nun in einem Buch zusammengefasst. Mit dem gut 300 Seiten fassenden Band "Die Gendarmen des Papstes" erscheint laut Buchdeckel "weltweit erstmals eine Gesamtdarstellung der Geschichte der Päpstlichen Gendamerie und ihrer Vorgängerorganisationen".

Verkehrs-, Zoll-, Justiz- und Kriminalpolizei

Nicht zu verwechseln sind die Gendarmen mit der Schweizergarde, die wegen ihrer prächtigen, aus der Zeit gefallenen Uniform leicht die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die beiden Einheiten haben die anfallenden Aufgaben streng unter sich aufgeteilt: Während die Garde primär für die Sicherheit des Papstes und des apostolischen Palastes verantwortlich ist, übernimmt die Gendamerie die eigentlichen Polizeiaufgaben im Vatikan.

Blaues Buchcover mit dem dem Titel "Die Gendarmen des Paptes" von Ulrich Nersinger.
Bild: ©Verlag nova et vetera

Buchtitel "Die Gendarmen des Papstes".

Sie ist unter anderem Verkehrs-, Zoll-, Justiz- und Kriminalpolizei in einem, geht gegen Korruption vor und ist für die Abwehr von möglichen Terroranschlägen verantwortlich. Im Gespräch mit katholisch.de nennt Ulrich Nersinger ein anschauliches Beispiel, an dem klar wird, wie ernst die Gruppen ihre Trennung nehmen: "In dem Moment, als Benedikt XVI. an seinem letzten Tag als Papst in Castelgandolfo angekommen war und um 20 Uhr sein Rücktritt in Kraft trat, zog sich die Schweizergarde sofort zurück. Nur die päpstliche Gendamerie ist nunmehr für seine Sicherheit verantwortlich".

Doch natürlich überlappen sich die Aufgaben der beiden Gruppen – besonders, wenn es um die Person des Papstes geht. Wenn der Pontifex ein Bad in der Menge nimmt, dann laufen Kommandanten von Schweizergarde und der Gendamerie schützend neben dem Papamobil entlang – der eine rechts, der andere links.

Moderne Polizeieinheit

Daher ist es kein Wunder, dass es in der Geschichte immer wieder Rivalitäten zwischen Garde und Gendamerie gab. Grundsätzlich sieht Nersinger in der Konkurrenz der beiden Formationen, die unterschiedlichen Dienstherren unterstehen und unterschiedliche Ausbildungen genießen, jedoch vor allem Vorteile: "Eine anregende Rivalität ist für den Schutz des Papstes und der Millionen Pilger, die jährlich den Vatikan besuchen, doch gar nicht schlecht", erläutert er. "Es ist schon sinnvoll, wenn es zwei Einheiten gibt, die mit einem unterschiedlichen Blickwinkel an ihre Aufgabe herangehen. Davon kann die Sache eigentlich nur profitieren".

Minderwertigkeitskomplexe gegenüber der Garde muss die Gendamerie jedenfalls nicht haben. Nersinger schildert sie als moderne Polizeieinheit, die mit entsprechenden Waffen ausgerüstet ist. So ist etwa die "Sala operativa" in der Gendarmen-Kaserne ein bestens ausgerüstetes Hauptquartier, in dem über 50 Fernsehmonitore mit Zugriff auf 300 Kameras nahezu jeden Winkel des Vatikan erfassen.

Zu der etwa 150 Mann starken Gendamerie gehören auch zwei "Special Forces". Eine Anti-Terroreinheit, die sich um die Entschärfung möglicher Sprengsätze kümmert, und die "Gruppo Intervento Rapido", die in etwa vergleichbar ist mit der deutschen GSG 9. Nicht umsonst lautet ihr Wahlspruch "Semper parati" – immer bereit.

„Seit dem 11. September hat sich auch im Vatikan die Sicherheitslage verändert. Das ist keine bloße Fantasie.“

—  Zitat: Autor Ulrich Nersinger

Veränderte Sicherheitslage

Obwohl die beiden Spezialeinheiten bisher noch nicht zu einem "scharfen Einsatz" kamen, hält Nersinger ihre Existenz durchaus für berechtigt: "Seit dem 11. September hat sich auch im Vatikan die Sicherheitslage verändert. Das ist keine bloße Fantasie", erklärt er. Auch vor Jahrzehnten seien schon Sprengsätze auf dem Gelände des Stadtstaates gefunden worden: "Meiner Meinung nach hat man bisher einfach ganz großes Glück gehabt, dass nichts passiert ist", resümiert Nersinger. Auch in der Vatileaks-Affäre hat die Gendamerie eine wichtige Rolle gespielt: Sie war es, die den früheren päpstlichen Kammerdiener Paolo Gabriele verhaftete.

Johannes Paul II. bekommt keine Luft, Paul VI. fällt

Wie schwierig die Aufgabe der Gendarmen auch im Alltäglichen ist, macht Nersinger an zwei Beispielen deutlich, die so übrigens auch aus anderen Pontifikaten stammen könnten: Johannes Paul II. umarmten einige Nonnen bei einer Audienz einmal so euphorisch, dass dieser keine Luft mehr bekam. Paul VI. wurde einmal aus dem gleichen Grund von Ordensschwestern am Talar festgehalten, sodass er fast gefallen wäre. "Wer diese Geschichten heute hört, muss vielleicht schmunzeln. Die Gendarmen im Einsatz jedoch mussten reagieren. Sie mussten einschätzen: Handelt es sich hier wirklich um Ordensfrauen – oder verkleidet sich da möglicherweise jemand", erklärt Ulrich Nersinger.

Schon seit seinem Studium in Rom pflegt der Theologe ein intensives Interesse für die Sicherheitsarchitektur des Vatikan. Für sein jetzt erschienenes Buch hat Nersinger das vatikanische Archiv durchstöbert, aber auch persönliche Gespräche mit den päpstlichen Gendarmen geführt. In dreizehn Kapiteln führt er den Leser von den Anfängen der Truppe bis in die Gegenwart. Sogar ein aktueller Diskurs über die Herausforderungen des unkonventionellen Stils von Franziskus ist in dem lesenswerten Band enthalten. Und natürlich ein Abstecher zu Puccinis Oper "Tosca".

Von Gabriele Höfling

Hinweis: "Die Gendarmen des Papstes" ist im Juni 2013 im Verlag "nova et vetera" erschienen und kostet 34 Euro.