"Einmaliger zweistelliger Milliarden-Betrag" als Ablösung nicht zahlbar

Experte: Übernahme kirchlichen Eigentums statt Staatsleistungen

Veröffentlicht am 17.06.2022 um 17:44 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ Die Ablösung der Staatsleistungen an die Kirche sind seit Jahren ein Dauerthema in Deutschland. Der Wirtschaftsberater Ernst Dohlus bringt nun einen Alternativvorschlag ins Spiel – und rät den Kirchen, möglichst schnell auf die Politik zuzugehen.

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Anstelle von Staatsleistungen soll der Staat nach Ansicht eines Experten die Erhaltungskosten oder das Eigentum denkmalgeschützter Kirchen übernehmen. Die Kirche solle Geld nicht wegen "überholter, schlecht begründbarer Uralt-Ansprüche" erhalten, "sondern aufgrund der Tatsache, dass sie staatliche Aufgaben übernommen hat und Dinge finanziert, die eigentlich der Staat selbst finanzieren sollte", sagte der Journalist und Wirtschaftsberater Ernst Dohlus am Freitag dem Kölner Internetportal domradio.de. Dies geschehe im Bildungs- und Sozialbereich. Beim Denkmalschutz jedoch zahle die Kirche viel Geld, "obwohl das eigentlich Staatsaufgabe ist".

Bei den Staatsleistungen handelt es sich nicht um Kirchensteuern, sondern um Ausgleichszahlungen für die Enteignung von Kirchenbesitz während der Säkularisierung, die die Länder bis heute den Kirchen zahlen. Diese finanzieren damit unter anderem Personal und Sachbedarf. Sie belaufen sich derzeit auf bundesweit rund 580 Millionen Euro jährlich, von denen die katholischen Bistümer knapp 242 Millionen Euro und die evangelischen Landeskirchen gut 340 Millionen Euro erhalten. Solche Staatsleistungen sind nach Ansicht von Dohlfus "anachronistisch" sowie Begründung und Höhe "nicht nachvollziehbar".

Rat: Schnell auf Länder zugehen

Aktuell arbeitet das Bundesinnenministerium an einem Zeitplan für die Vorlage eines Gesetzentwurfes zur Ablösung der Staatsleistungen. SPD, Grüne und FDP hatten sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, im Dialog mit den Ländern und den Kirchen dafür "einen fairen Rahmen" zu schaffen.

Die beiden Kirchen und die ihnen positiv gegenüberstehenden Parteien hätten die Ablösung immer als einen "einmaligen zweistelligen Milliarden-Betrag" interpretiert, sagte der Experte. So viel Geld könnten die Länder, die laut Grundgesetz die entsprechende Abschlagszahlung aufbringen müssten, angesichts der angespannten Haushaltslage aber gar nicht zahlen.

Dohler rät den Kirchen angesichts sinkender Mitgliedszahlen, möglichst schnell mit einem Vorschlag auf die Länder zuzugehen: "Denn sonst steht zu befürchten, dass ihnen bei zunehmender Kirchenfeindlichkeit oder Kirchenapathie die Verfassungsgarantie unter den Händen wegschmilzt und sie mit beinahe nichts abgespeist werden. Heute können sie noch selbst gestalten, morgen nicht mehr." (KNA)