Es gibt ein Zu-Spät im Leben
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"Überlege Dir, ob Du wirklich den zweiten Fachanwalt machen willst oder ob Du dich nicht lieber darauf konzentrierst, die große Liebe zu finden." Diesen Satz habe ich vor 13 Jahren zu einem Freund gesagt. Es war unser letztes Telefonat. Zwei Monate später ist er bei einer Veranstaltung die Treppe heruntergefallen, lag 13 Jahre im Wachkoma und ist erst vor kurzem verstorben.
Der Satz geht mir seither nach. Was wäre, wenn der Freund noch seine große Liebe gefunden hätte? Aber wie lässt es sich ertragen, dass er sie nicht, nie im Leben, gefunden hat?
Jesus warnt heute im Evangelium sehr deutlich: Es gibt ein Zu-Spät im Leben – für das Leben selbst.
Gleichzeitig handelt der Bauer, den er schildert, per se richtig: Wir planen in unserem Alltag, erwerben Güter und treffen Vorsorge für die Zukunft. Wie notwendig das ist, macht einem die aktuelle Krise deutlich. Zählerstände in Gasspeichern werden diskutiert, Mehl wird gehortet. Ein guter Umgang mit Ressourcen und Vorräten zeichnet eine kluge Politik aus. Auch beim Freund war ein weiterer beruflicher Karriereschritt gut und sinnvoll.
Passt Jesu Kritik dann nur für die Tragik eines einzelnen Lebens, nicht aber als Ansage an eine Gesellschaft?
Was in der Erzählung vom reichen Bauern fehlt und oft auch in einer einsamen Karriereplanung: die anderen, die Mitmenschen. Die Menschen um den Bauern herum. Wir wissen nicht, wie es den anderen Bauern geht oder seinen Mitarbeitern. Wir wissen nicht, ob da Not herrscht, ob er mit dem Reichtum zum allgemeinen Wohl beitragen könnte. Und wer nur seine Karriere verfolgt, wie der Freund, trinkt nur mit Kolleginnen und Kollegen sein Bier.
Jesus mahnt den "richtigen" Reichtum an. Wir sind auf Netzwerke angewiesen, auf Solidarität, auf Menschen, denen wir etwas bedeuten. Wir sind auch darauf angewiesen, unserem Tun auch einen Sinn abzugewinnen. Sinnvoll ist es, ins Gemeinwesen zu investieren, in Solidar-Bündnisse. Sinnvoll ist es, die Sehnsucht nach einer Partnerin oder einem Partner oder einem Kinderwunsch etwa ernst zu nehmen.
Und noch ein Aspekt Bei allem Planen und aller Gemeinschaft bleibt Leben und Besitz ein Geschenk. "Genieße Dein Leben, es hat ein Ablaufdatum" – so lautet ein Spruch in den Sozialen Medien. Die persönliche Lage kann sich plötzlich verändern – ein Unfall, eine Krankheit, ein Streit. Die politische und gesellschaftliche Lage, das erfahren wir aktuell mit jeder neuen Schlagzeile, kann sich schnell ändern. Sicher haben wir nur den Moment und - vielleicht – Menschen, die uns nahestehen.
Was bleibt dann? Woran können wir uns festhalten? Mir helfen da, so altmodisch es klingen mag – die Haltungen der Bibel, die Tugenden. Ganz klassisch sind das die Kardinaltugenden: Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung. Klingen die nicht sehr aktuell? Dazu kommen die drei christlichen Tugenden: Glaube, Liebe und Hoffnung. Und das war auch mein Umgang mit dem Freund: Freundin bleiben auch in 13 Jahren Wachkoma. Da bleiben am Krankenbett, die Fragen im Glauben aushalten und mit einer Trotzdem-Hoffnung an Gott weitergeben.
Evangelium nach Lukas (Lk 12,13–21)
In jener Zeit bat einer aus der Volksmenge Jesus: Meister, sag meinem Bruder, er soll das Erbe mit mir teilen! Er erwiderte ihm: Mensch, wer hat mich zum Richter oder Erbteiler bei euch eingesetzt?
Dann sagte er zu den Leuten: Gebt Acht, hütet euch vor jeder Art von Habgier! Denn das Leben eines Menschen besteht nicht darin, dass einer im Überfluss seines Besitzes lebt.
Und er erzählte ihnen folgendes Gleichnis: Auf den Feldern eines reichen Mannes stand eine gute Ernte. Da überlegte er bei sich selbst: Was soll ich tun? Ich habe keinen Platz, wo ich meine Ernte unterbringen könnte.
Schließlich sagte er: So will ich es machen: Ich werde meine Scheunen abreißen und größere bauen; dort werde ich mein ganzes Getreide und meine Vorräte unterbringen.
Dann werde ich zu meiner Seele sagen: Seele, nun hast du einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trink und freue dich!
Da sprach Gott zu ihm: Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann das gehören, was du angehäuft hast?
So geht es einem, der nur für sich selbst Schätze sammelt, aber bei Gott nicht reich ist.