Alle Betroffene müssten im Blick sein

Missbrauchsbeauftragte Claus: Keine Wahrheitskommission nur für Kirche

Veröffentlicht am 05.08.2022 um 12:14 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung will keine Betroffenen erster und zweiter Klasse – Aufarbeitung müsse es unabhängig vom Tatort geben. Kerstin Claus ist zuversichtlich, dass eine gesetzliche Regelung der Aufarbeitung bald kommt.

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Die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), Kerstin Claus, spricht sich gegen eine Wahrheitskommission speziell für die Betroffenen sexuellen Missbrauchs in der Kirche aus. Gegenüber dem WDR sagte sie am Freitag, dass es keine Betroffenen erster und zweiter Klasse geben dürfe. Die in ihrem Amt angesiedelte Aufarbeitungskommission habe viel Expertise und sei für Betroffene aller Kontexte zuständig, insbesondere auch den von Familien. Die Aufarbeitungskommission bei der UBSKM solle die Struktur sein, die den Prozess der Aufarbeitung umfassend gegenüber allen Institutionen begleite.

Die Aufarbeitung unabhängig von der Kirche bezeichnete Claus als wichtig. Die letzten Jahre hätten gezeigt, dass Institutionen Aufarbeitung nicht alleine leisten könnten. Daher brauche es auch eine größere staatliche Verantwortung. SPD, Grüne und FDP hatten in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, die Arbeit der UBSKM gesetzlich zu regeln. Claus forderte, dabei auch Aufarbeitung als Teil des gesetzlichen Auftrags der Beauftragten zu verankern. Außerdem sollten Auskunftsrechte für Betroffene geregelt werden. Für Institutionen sollten demgegenüber Pflichten zu Auskunft und Akteneinsicht sowie die Benennung von klaren Ansprechpartnern stehen. Claus setzt sich dafür ein, dass die gesetzliche Regelung bis zum Sommer 2023 beschlossen wird. Derzeit seien sowohl das zuständige Bundesfamilienministerium wie die UBSKM mit der Formulierung von Eckpunkten für ein solches Gesetz befasst.

Die Beauftragte begrüßte außerdem die Klage eines Missbrauchsbetroffenen gegen das Erzbistum Köln auf ein Schmerzensgeld in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro, über die der WDR zuvor berichtet hatte. Der Kläger sei selbst seit vielen Jahren als Pastoralreferent im Erzbistum Köln tätig ist, ist dem Bericht zufolge als Ministrant in den 1970er-Jahren mehrere hundert Male von einem mittlerweile verstorbenen Priester sexuell missbraucht worden und sieht das Erzbistum in einer Mitverantwortung, da die Vorgesetzten des Priesters in Amtshaftung gestanden hätten. Zwar seien solche Verfahren langwierig und für die Betroffenen belastend, sagte Claus. "Aber natürlich dient es dazu, eine Rechtsklarheit zu haben: Gibt es einen Anspruch wegen Amtspflichtverletzungen?", so die Beauftragte weiter. (fxn)