75-Jährige soll Kopf einer rechtsextremen Terrorzelle sein

Entführung von Lauterbach mitgeplant? Theologin unter Terrorverdacht

Veröffentlicht am 19.10.2022 um 14:29 Uhr – Lesedauer: 

Dresden ‐ Eine habilitierte evangelische Theologin steht unter Verdacht, Kopf einer rechtsextremen Terrorzelle zu sein. Sie soll unter anderem die Entführung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach mitgeplant haben. Auffällig geworden ist sie schon früher.

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In der vergangenen Woche wurde sie als mutmaßlicher Kopf einer Terrorzelle in Sachsen verhaftet und per Hubschrauber zum Generalbundesanwalt nach Karlsruhe gebracht: Elisabeth R., 75 Jahre alt, ehemalige Lehrerin, Schulpfarrerin und habilitierte evangelische Theologin. Die Terrorzelle soll unter anderem die Entführung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplant haben. Wie kommt es, dass eine protestantische Akademikerin, die in Hessen und Rheinland-Pfalz tätig war, im organisierten Rechtsextremismus in Sachsen landet? Was führte zur Radikalisierung der Religionspädagogin?

Antworten auf solche Fragen wird wohl nur ein künftiger Prozess bieten. "Wir wissen nur wenig über Elisabeth R.", sagt in Frankfurt der Pressesprecher der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Rahn, auf Nachfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Von 1972 bis 1994 sei sie Schulpfarrerin in der Landeskirche gewesen. Danach sei sie als Religionslehrerin in den Staatsdienst und die Lehrerbildung gewechselt. "In den Personalakten der Landeskirchen gibt es keine Auffälligkeiten."

Seit sie im Staatsdienst gewesen sei, sei sie vom Staat entlohnt worden, für ihre Pensionsansprüche habe die Kirche einen Geldbetrag ans Land gezahlt. "Wir prüfen gerade, ob Elisabeth R. noch ihre Ordinationsrechte hat", sagte Rahn. "Sollte sie tatsächlich verurteilt werden, könnte sie diese Rechte verlieren." Zu den Ordinationsrechten gehört in der evangelischen Kirche etwa das Recht, Gottesdienste zu leiten, zu predigen und die Sakramente zu verwalten. Ihre Pensionsansprüche indes hat Elisabeth R. bereits verloren. Grund dafür waren mehrere Bücher mit Inhalten der sogenannten "Reichsbürger"-Szene.

Bundesrepublik "Scheinstaat", Bundespräsident "Geschäftsführer"

Im März 2022 urteilte das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, dass eine ehemalige Beamtin, die die Verfassungsordnung als "ungültig" ablehne, von der Bundesrepublik Deutschland als einem "Scheinstaat" oder "Nichtstaat" spreche, den ehemaligen Bundespräsidenten als "Geschäftsführer" und das demokratische Wahlsystem als "Partei-Wahldiktatur" bezeichne, keinen Anspruch auf staatliche Pensionsansprüche mehr habe. Die Aussage von R., sie habe die Äußerungen als Wissenschaftlerin und "kritische Demokratin" getätigt, wies das Gericht zurück (Az.: 3 A 10615/21.OVG).

An der Universität Mainz, wo sich R. im Fach Praktische Theologie habilitierte, ist sie in den 1990er-Jahren vor allem mit Veranstaltungen zum Religionsunterricht in den Vorlesungsverzeichnissen aufgeführt. Eine ordentliche Professur erhielt sie nie. Auch ihre Veröffentlichungen beschäftigten sich vorwiegend mit Schulgottesdiensten und dem Religionsunterricht – bis sie in den 2000er-Jahren Reichsbürger-Publikationen im Selbstverlag veröffentlichte.

Nicht zu verwechseln ist Elisabeth R., die derzeit in Untersuchungshaft sitzt, übrigens mit mehreren anderen evangelischen Theologinnen und sonstigen Wissenschaftlerinnen desselben Namens, die mit der in Sachsen festgenommenen Person lediglich Vor- und Nachnamen gemein haben.

Von Benjamin Lassiwe (KNA)