Ein sozialistischer Akt?
Vordergründig zanken sich Demokraten und Republikaner um den Haushalt; im Mittelpunkt stehen aber Pflichtversicherung und Gesundheitsreform. Diese ist zwar längst verabschiedet; die "Tea Party"-Aktivisten vom rechten Flügel des Repräsentantenhauses setzen sie dennoch weiter als Druckmittel ein: Haushalt gegen "Obamacare", wie die Reform in Anlehnung an ihren Initiator, US-Präsident Barack Obama, genannt wird.
Ein sozialistischer Akt?
Die rechten Republikaner stoßen sich an der Reform als Ganzes. Nach ihrer Sicht ist es nicht Aufgabe des Staates, die Menschen in eine Versicherung zu zwingen. In den USA sind 47 Millionen Menschen ohne Krankenversicherung. "Obamacare" will allen einen Versicherungsschutz bieten - ein sozialistischer Akt, wie rechtskonservative US-Politiker finden.
Katholische Stimme mit Gewicht in den USA: Kardinal Timothy Dolan ist seit Feburar 2009 Erzbischof von New York sowie seit November 2010 Vorsitzender der US-amerikanischen Bischofskonferenz.
Das sehen die katholischen Bischöfe nicht so, im Gegenteil: In einem Brief an den Kongress forderte die Bischofskonferenz ausdrücklich, dass jedem und vor allem den Armen Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen gewährt werden müsse. "In unserem Land kämpfen heute Millionen darum, ihre grundlegenden Bedürfnisse zu befriedigen."
Krankenversicherung beinhaltet auch Verhütungsmittel
Dennoch ist auch der Kirche die aktuelle Reform ein Dorn im Auge. Denn die Krankenversicherungen sollen künftig für Methoden der Familienplanung wie Verhütungsmittel und Sterilisation aufkommen. Diese aber lehnt die katholische Lehre ab. Mit Verweis auf die Religionsfreiheit verlangen die Bischöfe seit Monaten, kirchlichen Institutionen die Möglichkeit zu geben, die Kostenerstattung für Verhütung und Ähnliches in den Versicherungsverträgen mit ihren Mitarbeitern auszuschließen.
Gleichwohl halten sich die US-Bischöfe in der hitzigen Debatte zurück. Einen Schulterschluss mit den Rechten wollen sie vermeiden. In ihrem Brief sprechen sie zwar nicht offen von Geiselnahme, wie es Obama tut; sie machen aber unmissverständlich klar, was sie von dem Vorgehen halten: nichts. "Die Regierung ist dazu da, den Menschen zu dienen", schreiben sie.
Zwangsbeurlaubte Staatsdiener
Davon kann angesichts Hunderttausender zwangsbeurlaubter Staatsdiener zurzeit nicht die Rede sein. Das mache nichts, erklärt eine der Budget-Verweigerinnen, die republikanische Abgeordnete Marsha Blackburn. Da könnten die Bürger mal sehen, dass sie so viel Staat gar nicht bräuchten.
Allerdings braucht die Gesundheitsreform wohl auch nicht das Getöse von Blackburn und ihren Mitstreitern: Seit Dienstag sind wichtige Teile des Gesetzes wie geplant in Kraft getreten. Prompt begannen die Menschen, online bei einer Versicherungsbörse nach passenden Policen zu suchen.
Nicht jeder Antrag auf eine Krankenversicherung ist erfolgreich
Das scheiterte allerdings in so manchem Fall. Einige Arbeitslose etwa mussten erkennen, dass sie kein Anrecht auf Versicherungsschutz haben: Sie sind nicht arm genug, um ins Geringverdiener-Programm "Medicaid" aufgenommen zu werden. Millionen Versicherungslosen, vornehmlich Schwarzen und Alleinerziehenden, wird es ähnlich ergehen. Ein großer Teil der von Republikanern regierten Bundesstaaten hatte sich geweigert, die Einkommensgrenze anzuheben, bis zu der "Medicaid" beantragt werden kann. Dies sei nicht finanzierbar. Tatsächlich übernimmt Obamas Regierung zusätzliche Kosten.
Auch Missouri gehört zu den Staaten, die das "Medicaid"-Programm nicht ausweiten wollen. Als die Entscheidung vor Monaten fiel, kommentierte eine Zeitung zornig, ob die Politiker in Washington überhaupt noch wüssten, wen sie repräsentieren. Genau daran erinnerten die katholischen Bischöfe in ihrem aktuellen Brief an den Kongress und zitierten Papst Franziskus: "Man kann die Menschen nicht regieren, wenn man sie nicht liebt."
Von Stefanie Ball (KNA)
