Standpunkt

Der Buß- und Bettag ist nötiger denn je

Veröffentlicht am 16.11.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Wahrscheinlich wissen nicht viele, dass heute der evangelische Buß- und Bettag gefeiert wird, meint Annette Zoch. Eine gesellschaftliche Strahlkraft hat der Tag längst nicht mehr. Dabei sei ein solcher Tag nötiger denn je.

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Am heutigen Mittwoch soll es in weiten Teilen des Landes regnen. Mit mancherorts zweistelligen Temperaturen ist es immer noch viel zu warm für Mitte November. Und in vier Bundesländern fällt von heute an die Corona-Isolationspflicht weg.

War sonst noch was? Nö, oder?

Vermutlich wissen noch nicht mal besonders viele Protestanten, dass am heutigen Tag eigentlich der evangelische Buß- und Bettag gefeiert wird. Nur in Sachsen ist er noch ein gesetzlicher Feiertag. Und bayerische Eltern von Schulkindern haben höchstens noch augenrollend registriert, dass sie heute noch eine Kinderbetreuung organisieren müssen, weil die Schule zu hat.

Der Buß- und Bettag wurde einst für die Finanzierung der Pflegeversicherung geopfert. Leider hielt dieses Ziel nicht besonders lange vor, Beitragserhöhungen kamen dann trotzdem. Und alle Bemühungen, den Tag zurückzuholen, scheiterten: einmal weg ist weg.

Nun gut, haben sich Kirchenleitende gesagt, dann feiern wir den Tag eben besonders kreativ und bewusster als zuvor. Aber damit lügen sie sich, wenn sie ehrlich sind, in die eigene Tasche: Nur das eigene Klientel feiert den Bußtag überhaupt noch, eine gesellschaftliche Strahlkraft hat der Tag längst nicht mehr. Er ist aus dem öffentlichen Bewusstsein einfach verdunstet. Dies sollte auch bei weiteren Diskussionen über christliche Feiertage eine Mahnung sein.

Was soll das überhaupt sein, so ein Buß- und Bettag, das klingt düster und altbacken – brauchen wir so etwas überhaupt? Der Buß- und Bettag lädt ein zu einer kritischen Bilanz, zum Nachdenken über Versagen und Schuld, über Fehlentscheidungen und Versäumnisse, und nicht zuletzt, zum Gebet – darum, all das vor Gott abzuladen.

Angesichts von Klimakatastrophe, Pandemie und Krieg, angesichts von Not und Verzweiflung in der Welt wäre ein solcher Tag des Innehaltens und Betens wohl nötiger denn je.

Von Annette Zoch

Die Autorin

Annette Zoch ist Politikredakteurin der "Süddeutschen Zeitung" und schreibt dort über Religion und Kirche.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.