Schwester Christine Klimann über das Sonntagsevangelium

In der Dunkelheit singen?

Veröffentlicht am 28.01.2023 um 12:15 Uhr – Lesedauer: 
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Rom ‐ Mit den Seligpreisungen tut sich Schwester Christine Klimann schwer – zu unattraktiv ist das, was Jesus da anpreist. Der versprochene Lohn für die Anstrengungen klingt zwar durchaus erstrebenswert, aber müssen wir dafür auf das Jenseits warten?

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Ich mag es, an die Dinge pragmatisch heranzugehen: Habe ich ausreichende Mittel, um ein Vorhaben zu realisieren? Besteht die realistische Aussicht, dass am Ende Früchte zu sehen sein werden? Werden sich der Aufwand und die Anstrengung durch das entsprechende Ergebnis bezahlt machen? Ja, die Kosten-Nutzen-Frage habe ich spätestens seit meinem Berufseinstieg verinnerlicht und ich kann Idealisten gegenüber, die den Kopf in den Wolken haben, ganz schön ungehalten reagieren.

"Selig seid ihr", sagt Jesus, und ich muss aufhorchen. Was er da anpreist, Armut, Traurigkeit, Verfolgung klingt nicht wirklich attraktiv, sondern wirkt eher so wie eine Anti-Einladung. Warum sollen Menschen das auf sich nehmen oder es sogar erstrebenswert finden? Da zeigt es sich, dass auch Jesus die Kosten-Nutzen-Frage zu kennen scheint. Er verspricht einen Lohn für die Anstrengungen, der durchaus erstrebenswert klingt: Töchter und Söhne Gottes sollen wir werden, Gott schauen und getröstet werden, und es wird sogar noch konkreter: satt werden und das Land erben. Nur – wann und wie das geschehen soll, da hält Jesus sich bedeckt. In einem jenseitigen Leben? Oder doch schon hier auf der Erde? Und unter welchen Umständen? In Bezug auf diese Frage eiert die Theologie seit Jahrhunderten herum. Während in früheren Zeiten der Schwerpunkt auf dem Jenseits lag, steht spätestens seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil die Forderung im Raum, dass das Leben mit Jesus Christus schon in diesem Leben und in dieser Welt befreiend wirken, Gerechtigkeit schaffen, stärken muss. Diese Spuren der Befreiung gibt es zweifellos. Das Problem ist aber, dass sie bei weitem nicht für alle Menschen auf dieser Welt spürbar sind. Liegt der Lohn also doch im Jenseits? Ich, die Kosten-Nutzen-Frau, will mich mit einer so unklaren Situation nicht zufriedengeben. Ich will wissen, wann und auf welche Art der Lohn kommen wird. Ob sich die Anstrengung lohnt, ob die Rechnung aufgeht.

Jesus aber hält sich bedeckt. "Selig seid ihr", sagt er und lädt ein, auf ihn selbst zu schauen. Wie war das mit seinem Lohn? Von außen betrachtet ist die irdische Existenz Jesu eine gescheiterte, und beweisen können hat die Auferstehung noch niemand. Mit den Augen des Glaubens ergibt sich jedoch ein anderes Bild. Die Atmosphäre, die Jesus um sich verbreitet, all die Menschen, die in seiner Nähe wieder aufatmen können und die Begeisterung, die seine Freunde – nach dem Schock des Kreuzes – weitertragen, erzählen etwas von einem tiefen Sinn, der froh machen kann und in der Nacht singen lässt. Es ist seine Logik, die in den Seligpreisungen auf kondensierte Weise zum Ausdruck kommt.

Wie ist das also jetzt mit der Kosten-Nutzen-Rechnung? Vielleicht beginne ich zu ahnen, dass das "lohnendste" an den Seligpreisungen die Einladung ist, meine Logik für einen Moment loszulassen und auf die Logik Jesu hören, die nicht rechnet, sondern singt.

Aus dem Evangelium nach Matthäus (Mt 5,1–12a)

In jener Zeit, als Jesus die vielen Menschen sah, die ihm folgten, stieg er auf den Berg. Er setzte sich und seine Jünger traten zu ihm. Und er öffnete seinen Mund, er lehrte sie und sprach:

Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich. Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden. Selig die Sanftmütigen; denn sie werden das Land erben. Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden gesättigt werden. Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden. Selig, die rein sind im Herzen; denn sie werden Gott schauen. Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden. Selig, die verfolgt werden um der Gerechtigkeit willen; denn ihnen gehört das Himmelreich.

Selig seid ihr, wenn man euch schmäht und verfolgt und alles Böse über euch redet um meinetwillen. Freut euch und jubelt: Denn euer Lohn wird groß sein im Himmel.

Die Autorin

Schwester Christine Klimann gehört zur Kongregation der Helferinnen, ist Pastoralreferentin und studiert in Rom Psychologie.

Ausgelegt!

Katholisch.de nimmt den Sonntag stärker in den Blick: Wie für jeden Tag gibt es in der Kirche auch für jeden Sonntagsgottesdienst ein spezielles Evangelium. Um sich auf die Messe vorzubereiten oder zur Nachbereitung bietet katholisch.de nun "Ausgelegt!" an. Darin können Sie die jeweilige Textstelle aus dem Leben Jesu und einen Impuls lesen. Diese kurzen Sonntagsimpulse schreibt ein Pool aus Ordensleuten und Priestern für uns.