Klosterleben in einem säkularen Umfeld

Benediktiner über Diaspora: Eine "Ahnung von Gott" wachhalten

Veröffentlicht am 05.04.2023 um 00:01 Uhr – Von Madeleine Spendier – Lesedauer: 

Magdeburg ‐ Bruder Antonius Pfeil lebt im Benediktinerkloster auf der Huysburg im Bistum Magdeburg. Dort sind viele Menschen kirchlich nicht gebunden. Wie der Ordensmann ihnen "eine Ahnung von Gott" nahebringen möchte, erklärt er im Interview mit katholisch.de.

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Das Benediktinerkloster auf der Huysburg im Bistum Magdeburg ist eine relativ junge Klostergründung. Auch wenn dort nur wenige Mönche leben, sind sie von der Idee überzeugt, gerade hier im Osten Deutschlands eine besondnere Aufgabe für die meist areligiösen Menschen zu haben. Was das konkret bedeutet und welche Herausforderungen er für das Ordensleben der Zukunft sieht, erklärt der frühere Prior der Gemeinschaft, Bruder Antonus Pfeil, im Interview mit katholisch.de.

Frage: Bruder Antonius, das Benediktinerkloster auf der Huysburg ist eine junge Gründung. Wie kam es dazu?

Bruder Antonius: Unser Priorat wurde erst vor 50 Jahren gegründet. Auf der Huysburg bei Halberstadt entstand das damals einzige benediktinische Männerkloster im Gebiet der DDR. Der Gründer war ein Görlitzer Pfarrer, Alfred Goebel. Er wurde im Alter von 60 Jahren Mönch in der polnischen Benediktinerabtei Tyniec bei Krakau, um das Kloster auf der Huysburg zu gründen. Schon bald ergaben sich Kontakte zu der Benediktinerabtei St. Matthias in Trier. Die Mönche dort waren auf die Anfrage der Huysburger bereit, sich bei und mit ihnen im Kloster und im Bistum Magdeburg auch personell zu engagieren. Das war nur möglich, weil das die recht gute damalige Personallage in Trier zuließ. 2004, also 30 Jahre nach der Gründung von Kloster Huysburg, schlossen sich die beiden selbständigen Klöster dann auch offiziell kirchenrechtlich zusammen. Damit wir besser gemeinsam in den zwei Konventen unter Leitung unseres gemeinsamen Abtes leben und wirken können, in Trier und auf der Huysburg.

Frage: Wie viele Mönche leben in den beiden Konventen?

Bruder Antonius: Momentan sind in Trier elf Brüder und auf der Huysburg sind wir sechs Brüder. Am 12. Februar 2023 hatten wir die Profess auf Lebenszeit des zuletzt auf der Huysburg eingetretenen Bruders. Es gibt auch immer wieder Interessenten, aber momentan keinen Neueintritt. Beide Konvente haben unterschiedliche kirchliche und gesellschaftliche Herausforderungen, woran wir als Gemeinschaft wachsen und uns gegenseitig bereichern. Solange es möglich ist, wollen wir keinen der beiden Konvente aufgeben, auch wenn wir nur noch wenige Brüder vor Ort sind. Nicht einfach mit einem sturen "Weiter so"!, sondern wir stellen unser konkretes Leben hier und dort immer wieder auf den Prüfstand und passen es auch deutlich an. Dabei bemühen wir uns, wie es der Heilige Benedikt betont, um das gute, menschlich-realistische Maß und um Verantwortung vor Gott und den Menschen.

Bild: ©Kloster Huysburg / Ulrich Schrader

Die Benediktinergemeinschaft des Huysburger Konvents im Jahr 2019 mit Abt Ignatius mit Brustkreuz und Bruder Antonius (2.v.l.).

Frage: Was ist die Herausforderung auf der Huysburg, einem Kloster im Osten Deutschlands?

Bruder Antonius: Die Huysburg gehört zum Bistum Magdeburg. Unter einer Mehrheit von etwa 80 Prozent der Bevölkerung, die religiös nicht gebunden ist und es meistens auch nie war, leben hier nur 20 Prozent Christen, drei bis vier Prozent Katholiken und 16 bis 17 Prozent Protestanten. Unser Magdeburger Bischof Gerhard Feige spricht in diesem Zusammenhang gern von einer "schöpferischen Minderheit". Kirche und damit Religion überhaupt, ist also hier kaum öffentlich wahrnehmbar.

Frage: Spüren Sie auch eine Ablehnung in Ihrem Lebensumfeld?

Bruder Antonius: Nein, ich habe selbst keine aggressive oder hämische Ablehnung von uns Ordensleuten erlebt. Es ist eher ein manchmal unverständliches Staunen oder auch eine freundliche Zurückhaltung. Neulich war ich im Zug mit Habit unterwegs. Ein junger Mann meinte, ich sei verkleidet. Er sagte zu mir: "Ich dachte, so was gibt‘s nur noch im Film". Insgesamt würde ich sagen: Es gibt, auch in den ernsthafteren Kontakten und Gesprächen, ein gewisses Interesse an Religion, mit dem man sich aber nicht unbedingt an die Kirchen wendet. Daher wollen wir als Klostergemeinschaft die Leute einladen, zu uns zu kommen und wollen ihnen zeigen, wie wir beten, wie wir leben. Wir wollen in den Menschen hier die "Ahnung von Gott wachhalten". Das ist natürlich gar nicht so einfach.

Bild: ©Kloster Huysburg / Ulrich Schrader

Bruder Antonius Pfeil OSB ist 71 Jahre alt. Von 2005 bis 2023 war er Prior der benediktinischen Mönchsgemeinschaft auf der Huysburg. Zur Zeit leben in dem Konvent sechs Benediktiner.

Frage: Was bedeutet es, in den Menschen eine "Ahnung von Gott" wachzuhalten?

Bruder Antonius: Wenn wir für diese "Ahnung von Gott" eintreten, geschieht das zunächst ja mal nicht aus Sorge um den Selbsterhalt von Religion, sondern weil wir überzeugt sind: Der Glaube an Gott ist gute Voraussetzung dafür, dass Menschen wirklich Menschen sein können. Bei aller Unsicherheit im Leben eines Menschen, kann doch die Gewissheit des Glaubens, immer wieder entlasten. Die Botschaft, dass es Gott gibt, kann auch bedeuten: Ich darf sein, wer ich bin, ich muss kein Übermensch sein. Zunächst einmal ist Gott es, der mein Leben lenkt. Diese Hoffnung eines bergenden Zusammenhangs, in dem ich stehe und aus dem ich nicht herausfalle, kann mir Kopf und Hände frei machen, für mich und andere zu tun, was möglich ist. 

Frage: Was bieten Sie konkret im Kloster an?

Bruder Antonius: Wir machen im Kloster auf der Huysburg vor allem die Erfahrung, dass es, um diese "Ahnung von Gott zu wecken und wachzuhalten", Orte braucht, zu denen man kommen kann, wo man Menschen antrifft und sich willkommen fühlen kann. Das wollen wir mit unserem Kloster sein. Dabei fühlen wir uns beauftragt und bestärkt durch den Heiligen Benedikt. Seine zentrale Botschaft in seiner Regel ist: "Fest überzeugt sein, dass Gott immer und überall auf uns schaut" (vgl. RB 4, 49). Wer zu einem der Gebete zu uns ins Kloster kommt, wird eingeladen, sich zu uns in den Chorraum zu setzen. Wichtig ist dabei die Möglichkeit der Beteiligung, schon durch das einfache Dabeisein-Können im Chorgestühl etwa, das Mitmachen der Bewegungen des Aufstehens und des Verneigens, des Sich-Versammelns um den Altar. Das ist für viele Menschen neu und faszinierend, das so nah miterleben zu können. Unter dem Titel "Einkehr im Haus Gottes" wollen wir ausdrücklich Christen ansprechen: Exerzitien und stille Tage, eine eigene Gebetsschule und "Recollectio-Tage", die der geistlichen Vertiefung und Erholung dienen. Wir bieten "Benediktinische Impulse" an, einen Choralkurs oder Fastenkurse und biblische Tage. Pilgerwege sind erfahrungsgemäß besonders geeignet, Christen und Nichtchristen zusammenzubringen. Obwohl Nichtchristen zu allen Angeboten immer willkommen sind. Wir haben auch ein besonderes Konzertformat, es heißt "Gregorianik plus". Dabei wird unser gregorianischer Gesang begleitet von einem Soloinstrument und einigen weiterführenden Worten. Dieses spezielle Angebot erfährt viel Zuspruch bei den Menschen, auch über den kirchlichen Kontext hinaus. All diese Angebote, die gut angenommen werden, lassen uns hoffen, dass lebendige, einladende kirchliche Orte ein Baustein sein könnten für die zukünftige Gestalt von Kirche. 

Bild: ©Kloster Huysburg / Milan-Bild

Erst vor 50 Jahren entstand auf der Huysburg bei Halberstadt das damals einzige benediktinische Männerkloster im Gebiet der DDR. Schon bald ergaben sich Kontakte zu der Benediktinerabtei St. Matthias in Trier. 2004 schlossen sich die beiden selbständigen Klöster zusammen. Nun gehören die beiden Konvente unter dem Abt in Trier zusammen.

Frage: Aber reicht dies alles schon aus, um Menschen von Gott zu überzeugen?

Bruder Antonius: Gerade als Mönche sehen wir Chancen, etwas dafür zu tun, dass die Ahnung von Gott nicht ganz verschwindet, sondern dass sie zum Vorschein kommt und wirken kann. Denn die Gestalt unseres Lebens als Mönche scheint über uns hinauszuweisen. Das Mönchsleben hat seine Plausibilität nicht in sich selbst. Schon die Vielzahl der Gebetszeiten, aber auch die Lebensform in sexueller Enthaltsamkeit, in Gütergemeinschaft und im Gehorsam scheinen bei allen Grenzen und Defiziten, die wir als Menschen haben, eine Spur dahin zu legen, dass es ein Gott gewidmetes Leben ist. Wenn es gelingt, dass andere Menschen einfach durch unser Leben auf diese Fragen und Zusammenhänge aufmerksam werden ist schon viel erreicht.

Frage: Bruder Antonius, Sie sind auch Novizenmeister in Ihrer Gemeinschaft. Wie stellen Sie fest, ob jemand geeignet ist für ein Leben in Ihrer Gemeinschaft?

Bruder Antonius: Es gibt bestimmte Berufungskriterien, die der Heilige Benedikt in seiner Ordensregel aufgeschrieben hat. An die halten wir uns auch. Sie lauten: "Sucht jemand wirklich Gott? Hat er Freude am Gottesdienst? Ist er gemeinschaftsfähig und kann er Gehorsam akzeptieren?" Das sind die entscheidenden Punkte. Es ist damit letztlich die persönliche Beziehung zu Jesus Christus gemeint. Denn es geht darum, dass derjenige sagen kann: "Ich verspreche Jesus diese Lebensform". Dann erhält so eine Entscheidung das richtige Fundament. Momentan ist kein Novize bei uns auf der Huysburg. Wir bitten aber regelmäßig darum, dass auch heute Gottes Geist in Menschen das Interesse weckt an der Nachfolge Jesu in der Lebensform des benediktinischen Mönchtums. Und dass Gott uns bereit macht, diese Menschen in unsere Gemeinschaft gut einzuführen und weiter zu begleiten.

Von Madeleine Spendier