Standpunkt

Wer von Dienst statt Macht spricht, kaschiert die Realität

Veröffentlicht am 05.05.2023 um 00:01 Uhr – Von Matthias Altmann – Lesedauer: 

Bonn ‐ In der Kirche gehe es nicht um Macht, sondern um Dienen, heißt es manchmal. Solche Aussagen versuchen, das Machtsystem in der Kirche zu verschleiern, kommentiert Matthias Altmann. Hier gelte es, sich endlich ehrlich zu machen.

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In der Kirche gehe es nicht um Macht, sondern um das Dienen, sagte der Luxemburger Kardinal und Weltsynoden-Generalrelator Jean-Claude Hollerich in seiner Kritik daran, dass sich der Synodale Weg mit dem Thema Machtteilung in der Kirche beschäftigt: "Wenn der Dienst sich in Macht verwandelt, haben wir ein Problem." Stimmt, könnte man beinahe sagen. Doch es ist naiv, wenn nicht sogar toxisch, Macht gewissermaßen als Pervertierung des Dienstcharakters der kirchlichen Autorität zu bezeichnen – und so das existierende Macht- und vor allem Herrschaftssystem in der Kirche zu kaschieren.

Macht ist in jeder Organisation eine soziologische Realität, gerade aber in einem hierarchischen System wie der Kirche. Sie hat immer eine positive und eine negative Seite, sie ist Potenzial und Gefährdung zugleich. Ohne Macht kann man nichts oder nur sehr schwer gestalten. Auch in der Kirche gibt es reichlich Beispiele für "gute" Macht: Viele Pfarrer etwa nutzen sie, um andere zu ermächtigen, sie stark zu machen und sie dazu zu befähigen, für sich selbst und für andere Verantwortung zu übernehmen. Kirche könnte überhaupt nicht existieren, wenn es nicht Tausende Menschen gäbe, die ihre Macht auch positiv gebrauchen.

Wenn man das machtvolle Gestaltungspotenzial in der Kirche aber nur als Dienst kaschiert, werden die vorhandenen Machstrukturen theologisiert – und verschleiert. Dann haben Autoritäten leichteres Spiel dabei, Entscheidungen ohne jede Form der Rechtfertigung nach "unten" zu treffen. Denn wer will einen selbstlosen Dienst schon hinterfragen? Dann ist es wiederum leichter, unangenehme Dinge unter Verschluss zu halten. Die Studien über die Missbrauchsvertuschung in den Diözesen – zuletzt in aller Deutlichkeit die aus Freiburg – haben dafür genügend Belege geliefert.

Selbst wenn das kirchliche Amt sich als Dienst versteht: Die Kirche ist per se ein Machtsystem – auch mit allen potenziellen negativen Konnotationen. Welche Gefahren das birgt, davon können nicht nur Missbrauchsbetroffene ein Lied singen. Deshalb sollten zunächst kirchliche Autoritäten ihre Selbstimmunisierung aufgeben und dazu stehen, dass sie über Macht verfügen. Und in der Kirche muss um Wege gerungen werden, Macht einzuhegen und auszubalancieren, damit es schwieriger bis unmöglich wird, sie zu missbrauchen.

Von Matthias Altmann

Der Autor

Matthias Altmann ist Redakteur bei katholisch.de.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.