Schwester Tamara Emanuel ist Wassertherapeutin in Bad Wörishofen

Wie eine Ordensfrau die Lehre von Sebastian Kneipp weitergibt

Veröffentlicht am 24.06.2023 um 12:00 Uhr – Von Madeleine Spendier – Lesedauer: 

Bad Wörishofen  ‐ Schwester Tamara Emanuel ist Kurschwester in Bad Wörishofen. Dort bietet die Mallersdorfer Franziskanerin Anwendungen mit kaltem Wasser an. Im Interview mit katholisch.de erzählt sie mehr von der Lehre des Sebastian Kneipp und verrät auch, welche Gäste sie im Kurhaus betreut.

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Schwester Tamara Emanuel (73) ist Kurschwester im Kneipp-Kurhaus St. Josef in Bad Wörishofen. Die Mallersdorfer Franziskanerin ist dort unter anderem für die Wassertherapien zuständig. Sie ist eine der wenigen Ordensfrauen vor Ort, die in dieser Tätigkeit ausgebildet ist und diese noch ausübt. Die Ordensfrau berichtet von ihren Aufgaben und den Anwendungen nach der Lehre von Pfarrer Sebastian Kneipp. 

Frage: Schwester Tamara, warum haben Sie sich als Ordensschwester zur Hydrotherapeutin ausbilden lassen?

Schwester Tamara: Als ich mit Mitte sechzig in das Kneippkurhaus St. Josef der Mallersdorfer Schwestern nach Bad Wörishofen kam, wurde ich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, eine Ausbildung beziehungsweise Umschulung zur Hydrotherapeutin zu machen. Meine Vorgängerin ist in Rente gegangen. Und ich dachte mir, ja, warum eigentlich nicht. Dann habe ich die Ausbildung hier an der Sebastian Kneipp Schule in Bad Wörishofen begonnen. Heute gehöre ich zu einem Team von fünf Therapeuten im Kurhaus St. Josef. Ich bin aber die einzige Ordensfrau hier, die in der Bäderabteilung arbeitet. Ich biete jeden Tag Anwendungen für die Kurgäste an, vormittags und nachmittags.

Frage: Welche Anwendungen sind das denn genau?

Schwester Tamara: Ich lege zum Beispiel warme und kalte Wickel an. Das mache ich früh am Morgen ab etwa 5.00 Uhr, also wenn die Kurgäste noch im Bett sind. Voraussetzung ist die Bettwärme für die Wickel. Mit dem Wickel bleiben sie dann etwa noch eine Weile so liegen. Auch mache ich die Waschungen. Dabei wird ein Leinenhandschuh angefeuchtet und auf den ganzen Körper oder nur einen Teil davon ein Wasserfilm aufgetragen. Diese Kneippsche Waschung erfolgt meist mit kaltem Wasser, notfalls temperiert. Das regt die Durchblutung an und härtet den Körper ab. Die Gäste die eine ambulante Badekur machen, konsultieren zu Beginn einen Kur- und Badearzt in Bad Wörishofen, dieser erstellt den Gästen ein Kurbuch mit allen Anwendungen die für den jeweiligen Gast gesundheitsfördernd passend sind. Weiterhin bin ich in der Bäderabteilung tätig für verschiedene Wechselgüsse, Sitz- und Vollbäder, Arm- und Fußbäder. Hier werden die Kurgäste in einer Kabine behandelt. Der Wassertherapeut begießt die einzelnen Körperteile, je nach Gussart, mit kaltem und warmem Wasser nach einer bestimmten Linienführung. Es gibt zahlreiche und verschiedene Kneipp-Anwendungen. Das kann ein Gesichtsguss sein, ein Oberschenkel- oder ein Knieguss, ein Rückenguss oder ein Ganzkörperguss.

Frage: Was ist das Ziel dabei?

Schwester Tamara: Die Körperstellen werden zuerst warm, dann kalt, dann wieder warm und am Ende nochmals kalt begossen. Das kann dann positive Reize des Körpers auslösen auf das Nerven- und Hormonsystem, die Psyche, die Abwehrkräfte und das komplette Körperbewusstsein. Alle Anwendungen werden individuell mit Gast und Badearzt abgestimmt. Wir Therapeuten können am Tag etwa bis zu 40 Gäste mit kaltem Wasser behandeln.

Frage: Brrr…

Schwester Tamara: Ja, anfangs ist das schon kalt, aber den kalten Guss kann man trainieren. Natürlich kann man das Wasser auch wohltemperiert verabreichen. Begonnen wir nach der Kneippkur aber immer mit warmen Wasser damit der Körper warm wird. Ich zitiere Pfarrer Sebastian Kneipp: "Kein kaltes Wasser auf einen kalten Körper." So handhaben wir das auch. Aber durch diesen Wechselguss wird das Blut angeregt, schneller zu fließen. Ich selbst starte morgens, wenn es mir möglich ist, mit einer kalten Dusche, bevor ich zum Morgengebet gehe. Nach diesem kalten Vollguss bin ich hellwach. So kommt mein Kreislauf in Schwung und mein Immunsystem wird gestärkt. Wenn ich das morgens einmal nicht mache, dann fehlt dies mir den ganzen Tag. Mein Körper ist es schon gewohnt, daher kann ich es inzwischen richtig genießen, wenn ich kalt dusche. Ich mache das präventiv für meine Gesundheit.

Bild: ©Christian Schneider

Schwester Tamara Emanuel bei einer Wasseranwendung im Kurhaus St. Josef in Bad Wörishofen.

Frage: Kann man diese Anwendungen auch zu Hause selbst anwenden?

Schwester Tamara: Ja, natürlich. Vieles kann man selber machen. Es gibt sogar ein eigenes Gießrohr, das man mit einem Adapter auf den Brauseschlauch aufstecken kann. Damit kann man zum Beispiel einen Gesichtsguss oder auch einen Knieguss machen. Wichtig ist, das kalte Wasser immer nur kurz zu verwenden. Gerade jetzt, wenn es draußen sehr heiß ist, können diese Güsse sehr erfrischend sein. Man kann auch einfach einen Gartenschlauch nehmen und sich mit dem Wasser selbst die Füße begießen. Danach sollte man das Wasser einfach mit den Händen abstreichen und an der Luft durch Bewegung trocknen lassen oder nur mit einem Handtuch abtupfen.

Frage: Welche Rückmeldungen bekommen Sie von Ihren Gästen?

Schwester Tamara: Ich freue mich immer, wenn ich sehe, wie unseren Gästen die Kneippsche Wasserkur hier guttut. Das Wasser ist auch eine gute Vorsorge für die eigene Gesundheit. Viele Kurgäste sagen, sie fühlen sich nach so einer Kur viel vitaler. Manche versprechen auch wieder hierher zu kommen und das nächste Mal, etwas länger zu bleiben. Es freut mich einfach, wenn es den Gästen gut oder sogar besser geht. Ich denke, die Anwendungen sind für sie auch eine Zuwendung, eine innere Beglückung. 

Frage: Wer zählt denn zu Ihren Gästen?

Schwester Tamara: Bei uns sind alle Gäste in allen Altersstufen willkommen. Wir haben zum Beispiel Gruppen von Ordensleuten oder Priestern hier, aber auch viele berufstätige und pensionierte Gäste, die eine Auszeit brauchen und sich hier bei uns zu einer Kur entschieden haben.

Frage: Sind auch Bischöfe bei Ihnen zu Gast?

Schwester Tamara: Ja, erst heute Morgen war ein Bischof in unserer Bäderabteilung für die Wechselgüsse. Wir behandeln aber alle Kurgäste gleich. Unser Grundsatz gilt der Gesundung. Die Gäste schätzen die angenehme und erholende Atmosphäre bei uns im Haus. Wir haben sogar ein weiteres Gästehaus gebaut, damit wir dort etwas mehr Betten für unsere Urlauber zur Verfügung stellen können. Das Haus Franziskus ist direkt mit dem St. Josef-Kurhaus verbunden. In der Hauptsaison benötigen wir  mehr Kapazitäten, weil wir so viele Anfragen haben. Das Thema Gesundheit beschäftigt viele Menschen.

Frage: Sind Sie als Ordensfrau auch für Seelsorgegespräche für die Gäste da?

Schwester Tamara: Ja, wenn es jemand wünscht, dann nehme ich mir auch Zeit für ein Gespräch. Aber bei den Anwendungen halte ich mich meist sehr zurück. Smalltalk mache ich nicht. Wenn jemand nach etwas fragt, dann antworte ich gerne und erkläre die Anwendungen. Aber die meisten Gäste wollen nicht so viel reden, sie genießen eher die Anwendungen. Unser Hausgeistlicher und unsere Hausoberin bieten Gesprächsmöglichkeiten an. Für manche gehört zu der äußeren Reinigung auch die innere dazu. Wir Schwestern laden die Gäste auch ein, bei uns am Stundengebet oder bei den Gottesdiensten teilzunehmen. Jeder kann es so machen, so wie er es richtig für sich hält. Wir sind ein Konvent mit neun Mallersdorfer Schwestern hier. Viele schätzen die besondere Atmosphäre bei uns im Haus. Es ist eine besondere Stille und Ruhe, die für die Erholung der Gäste wichtig ist. Hier können sie Kräfte sammeln für den Körper und die Seele. Dies kann hier in vollem Umfang umgesetzt werden. Da kommt auch die fünfte Säule des Pfarrer Sebastian Kneipp zu tragen, das ist die innere Ordnung. Ein bekanntes Zitat von Sebastian Kneipp lautet: "Vergesst mir die Seele nicht!" 

Frage: Was fasziniert Sie an Pfarrer Sebastian Kneipp und seiner Lehre?

Schwester Tamara: Mich fasziniert, dass er in seiner Zeit damals schon erkannt hat, welche heilende Wirkung kaltes Wasser auslösen kann. Er war selbst schwer an Tuberkulose erkrankt und wurde allein mit der Kraft des Wassers wieder gesund. Als Priester und Beichtvater kam er 1855 in das Dominikanerkloster nach Bad Wörishofen und hat durch seine Wasseranwendungen daraus einen weltbekannten Kurort gemacht. Die Mallersdorfer Franziskanerinnen hat er 1891 sogar persönlich nach Bad Wörishofen geholt, damit sie ihn bei den Anwendungen für die Kurgäste unterstützen. Des Weiteren hat er die Kneippsche Kinderheilstätte und das Kneippianum gebaut. Auch hier waren Mallersdorfer Schwestern mit der Pflege und den Anwendungen der Kinder betraut. Bis heute gibt es hier Kindergärten, die vom Kneippbund zertifiziert sind. Hier wachsen die Kinder mit der naturheilkundlichen Lehre des Pfarrer Sebastian Kneipp auf und lernen deren Wirkung kennen. Wichtig ist, dass es einem guttut.

Frage: Und was ist, wenn einem das kalte Wasser nicht gut tut?

Schwester Tamara: Das gibt es auch. Also wenn jemand zum Beispiel erkältet ist, dann raten wir in der Kur davon ab, sich jeden Tag kalt zu begießen. Dann ist der Guss zu anstrengend. Das wird aber alles beim Besuch des Kur- und Badearztes abgeklärt und untersucht. Aber in der Lehre von Pfarrer Kneipp, einem ganzheitlichen Naturheilverfahren, geht es um mehr, als um das kalte Wasser. Da spielen neben dem Wasser auch noch die Bewegung, die Ernährung, die Pflanzenheilkunde, und die Lebensgestaltung, also die innere Ordnung im eigenen Leben, eine wichtige Rolle. So eine ganzheitliche Therapie, kann dabei helfen, sein Leben wieder neu auszurichten und auf seinen Körper zu hören

Von Madeleine Spendier