"dennoch. Konferenz" in Hannover will Mut zu Aufbrüchen machen

Theologe: Viele Gläubige schämen sich ein bisschen, katholisch zu sein

Veröffentlicht am 15.09.2023 um 00:01 Uhr – Von Roland Müller – Lesedauer: 

Paderborn ‐ Welche Impulse benötigt die Kirche für die Zukunft? Eine Antwort auf diese Frage will die "dennoch. Konferenz" geben, die heute startet. Im katholisch.de-Interview erzählt Daniel Born vom Bonifatiuswerk, wann kirchliche Projekte gelingen und weshalb der Glaube anschlussfähiger ist als viele denken.

  • Teilen:

Heute beginnt die "dennoch. Konferenz" in Hannover, die sich nach eigenen Angaben an Menschen richtet, "die heute Impulse für die Kirche von Morgen suchen". Auf dem Kongress spricht Daniel Born vom Bonifatiuswerk über das Förderprogramm "Räume des Glaubens eröffnen". Im Interview erzählt der Theologe von den geförderten Projekten und erklärt, warum es sich für die Kirche lohnt, aktiv in die Öffentlichkeit zu gehen.

Frage: Das Bonifatiuswerk organisiert mit mehreren Partnern die "dennoch. Konferenz" in Hannover. Dort soll es an diesem Wochenende um neue Entwicklungen in der Kirche gehen. Herr Born, Sie wollen Menschen ansprechen, die mit dem aktuellen Zustand der Kirche nicht zufrieden sind. Es werden Impulse für eine Kirche von morgen gesucht. Was heißt das konkret?

Born: Man merkt deutlich, dass die Kirche aktuell stark mit sich selbst beschäftigt ist. Die Debatten drehen sich um Personalfragen und strukturelle Probleme. Das dominiert das kirchliche Alltagsgeschäft. Aber das kann aus unserer Sicht nicht alles sein. Wir müssen in der gegenwärtigen Situation in Deutschland und Europa neue Wege des Glaubens finden. Die Frage ist: Wie können wir Kirche heute zeitgemäß erfahrbar machen? Dazu versuchen wir, Impulse zu geben und Unterstützung mit unseren missionarischen Initiativen, etwa mit dem Förderprogramm "Räume des Glaubens eröffnen". Menschen, die die Hoffnung noch nicht aufgegeben haben und die Hände nicht in den Schoß legen wollen, sind zu der Konferenz eingeladen.

Frage: Was erhoffen Sie sich als Ergebnis dieser Konferenz? Was sollen die Teilnehmer mit nach Hause nehmen?

Born: Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhoffe ich mir einen Mehrwert an Inspiration, an Vernetzung, an gegenseitigem Kennenlernen und dass man konkrete Impulse mitnimmt aus der aktuellen pastoraltheologischen Forschung oder interessanten Projekten, aber auch praktische Tipps für die Arbeit vor Ort. Wir haben gesagt: Jede und Jeder, der kommt, erhält Einblicke in aktuelle kirchliche Themen und auch Training in konkreten Tools und Methoden für die eigene Arbeit. Inspiration im geistlichen Sinne, für den Aufbruch und die Vernetzung, für die gemeinsame Arbeit wird es auch geben. Darüber hinaus soll von dieser Konferenz ein Impuls für die gesamte Kirche ausgehen, um zu zeigen: Es ist nicht alles im Niedergang, sondern wir können auch auf das schauen, was wir haben, auf die Menschen, die sich engagieren und aus dem Geist Gottes heraus die Zukunft gestalten.

Frage: Beschäftigen Sie sich auf der Konferenz auch mit dem Reformstau der Kirche oder den Beschlüssen des Synodalen Wegs?

Born: Wir wollen auf dieser Konferenz keine kirchenpolitischen Fragen behandeln. Es geht in Hannover nicht darum, ob es den Zölibat oder das Weiheamt der Frau braucht. Im Fokus stehen vielmehr neue Initiativen im diakonischen Bereich, in der Liturgie oder in der Gemeinde. Die Teilnehmer sollen hier etwas mitnehmen und im eigenen Umfeld umsetzen.

Daniel Born
Bild: ©Wilfried Hiegemann

Daniel Born ist Referent für missionarische und diakonische Pastoral beim Bonifatiuswerk in Paderborn. Der Theologe ist verantwortlich für das Förderprogramm "Räume des Glaubens eröffnen".

Frage: Bei der "dennoch. Konferenz" sprechen Sie vor dem Hintergrund Ihrer Erfahrungen mit dem Förderprogramm "Räume des Glaubens eröffnen" über Innovationen in der Kirche. Worum geht es dabei?

Born: Das Besondere an "Räume des Glaubens eröffnen" ist, dass es nicht nur eine finanzielle Förderung bietet, sondern auch gegenseitige Vernetzung und Evaluation in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Angewandte Pastoralforschung (zap) in Bochum. Das heißt, wir können sehr genau sehen, welche Projekte gut funktionieren und welche nicht. Wir erkennen mit Hilfe der Evaluation, was Projekte in der Kirche erfolgreich macht. Ein Beispiel: Es ist immer gut, wenn die Projektpartner ein klares Ziel vor Augen haben. Eine Antwort auf die Frage wissen: Warum machen wir das? Das hat viel mit dem spirituellen Fundament der Kirche zu tun. Wenn etwa die Projektpartner sagen, dass bei ihnen genau das erfahrbar sein soll, was zum Beispiel in der Geschichte vom heiligen Lazarus beschrieben wird: dass Menschen vom Tod wieder zum Leben kommen, von der Trauer zur Hoffnung. Dann kann das ein ganzes Projekt prägen und viel Ausstrahlung entfalten. Für einige Projekte ist dieses Fundament eine Bibelstelle, für andere ein Gebet, eine bestimmte Ikone oder ein Ritual. Ein geistliches Fundament bringt ein Projekt nach vorne.

Frage: Welche anderen Erkenntnisse haben Sie aus dem Projekt gewonnen?

Born: Es lohnt sich für die Kirche, aktiv in die Öffentlichkeit zu gehen. Manchmal denke ich, wir sind als Gläubige scheu geworden. Viele schämen sich ein bisschen, katholisch zu sein angesichts all der Skandale, die es in der Vergangenheit gegeben hat und immer noch gibt. Aber die Projekte, die ernsthaft nach draußen gehen und Begegnung suchen, auf den Marktplätzen, auf den Straßen, werden oft belohnt. Die Menschen sind viel offener für die christliche Botschaft, als man denkt. Ich habe schon ein Projekt erlebt, bei dem Bibelteilen in der Öffentlichkeit angeboten wurde und das hat erstaunlicherweise gut funktioniert. Es waren immer Leute dabei, die mitgemacht haben. Das zeigt, dass der christliche Glaube viel anschlussfähiger ist, als man denkt. Wir müssen uns überhaupt nicht verstecken.

Frage: Es gibt wahrscheinlich auch Projekte, die scheitern oder nicht funktionieren. Welche Faktoren machen Sie da aus?

Born: Ein großer Dämpfer war die Corona-Pandemie. Da haben wir gemerkt, dass viele Projekte Schwierigkeiten hatten, weil man sich nicht mehr in Gruppen versammeln konnte und direkte Begegnungen stark eingeschränkt wurden. Inzwischen hat wieder ein Aufschwung eingesetzt. Es gibt also immer noch Raum und Potenzial für sehr viele gute Projekte in der Kirche.

Der Durchkreuzer
Bild: ©katholisch.de

Nathalie Jelen (Mitte des Bildes), Projektleiterin des „durchkreuzers“, fährt mit dem umgebauten Kleinbus zu Festivals und Veranstaltungen, um mit jungen Menschen ins Gespräch zu kommen. Das Bonifatiuswerk förderte das Projekt.

Frage: Welche anderen Erkenntnisse gibt es noch bei den Projekten, die nicht funktioniert haben?

Born: Generell ist der Start das Schwierigste. Wir nehmen wahr, dass viele Gemeinden und Gruppen mit ihren Alltagssorgen beschäftigt sind. Das ist mehr als verständlich, aber führt dazu, dass man keinen freien Kopf für neue Ideen hat. Aber sobald ein Initialfunke übergesprungen ist, trauen sich die Menschen etwas Neues zu. Mit der Bitte um Förderung passiert sehr viel. Und sobald das einmal geschafft ist, gibt es nur noch ganz wenige Projekte, die abbrechen müssen. Die Zahl der gescheiterten Fälle ist sehr gering.

Frage: In Ihren Förderkriterien werden vier Kennzeichen als Kriterien für mögliche Projekte genannt. Warum sind Ihnen gerade diese vier Punkte so wichtig?

Born: Das ist eine theologische Frage. Im Glaubensbekenntnis wird die Kirche als eine, heilige, katholische und apostolische beschrieben. Diese sogenannten vier Kennzeichen der Kirche haben wir versucht, in unserem Förderungskatalog ins Heute zu übertragen. Ein Beispiel: Katholisch bedeutet ursprünglich eine umfassende Version von Kirche, die in die Weite geht. Die Kirche ist für alle da und nicht nur auf eine bestimmte Gruppe beschränkt. Das heißt für uns heute, dass man sich im eigenen Umfeld umschaut, was die Menschen bewegt, wer da ist, mit wem wir zusammenarbeiten können. Das haben wir unter den Begriff Kontextualität gefasst. Ein kirchliches Projekt soll also in seinem gesellschaftlichen Umfeld andocken und sich damit befassen, was die Menschen dort bewegt. Kein kirchliches Projekt fällt vom Himmel. Bei den anderen Kriterien versuchen wir ebenfalls, sie auf das Heute anzuwenden.

Frage: Wie viele Projekte haben Sie jetzt schon gefördert? Und um wie viel Geld ging es dabei?

Born: Die Gesamtsumme dürfte im mittleren sechsstelligen Bereich liegen. Seit 2019 haben wir bis heute 32 Projekte gefördert. 

Frage: Sie arbeiten bei "Räume des Glaubens eröffnen" mit dem zap-Institut an der Ruhr-Universität Bochum zusammen. Wie sieht diese Kooperation aus?

Born: Das zap ist hauptverantwortlich für die Evaluation. Das heißt, wir legen sehr viel Wert darauf, dass die Evaluation fundiert gemacht wird. Die Fachleute aus der Pastoraltheologie haben ein ausgeklügeltes Evaluationssystem entwickelt, das unter anderem auf den vier Kriterien beruht, die wir gerade genannt haben. Es wird geschaut, wie sich die Projekte weiterentwickelt haben, auch in den Fragen von Kontextualität oder Professionalität. So können wir im Nachhinein feststellen, welche Faktoren ein Projekt erfolgreich gemacht haben – oder auch nicht. Wir lernen von Projekt zu Projekt hinzu.

Lazarus-Dienste
Bild: ©Markus Nowak

Ehrenamtliche in Stralsund bieten mit den Lazarus-Diensten Menschen Begleitung und Unterstützung in Grenzsituationen des Lebens an. Martha Künel freut sich über die Blumen von Roland Steinfurth, der sie und ihren Mann regelmäßig besucht. Das Projekt wird vom Bonifatiuswerk gefördert.

Frage: Der andere große Partner des Förderprogramms ist Porticus, eine philanthropische Organisation, die für die Unternehmerfamilie Brenninkmeijer soziale und karitative Projekte fördert.

Born: Porticus stellt den internationalen Zusammenhang her. Es gibt ja nicht nur "Räume des Glaubens eröffnen" in Deutschland, sondern auch vergleichbare Förderprogramme in Belgien und den Niederlanden. Der Austausch ist spannend, denn die Situation in unseren drei Ländern ist ähnlich, wenn auch mit regionalen Unterschieden. Alle drei Länder haben noch eine starke christliche Tradition, die lange die Kultur geprägt hat. In den Niederlanden ist man jetzt am weitesten mit der Säkularisierung, in Belgien und Deutschland ist sie aber ebenso spürbar. Diese Prozesse miteinander zu vergleichen, zu schauen, welche Projekte wo gut laufen und dann die Fäden in der Forschung zusammenzuführen, ist sehr interessant.

Frage: Wie kam die Zusammenarbeit mit Porticus zustande?

Born: Das Bonifatiuswerk arbeitet schon länger mit Porticus zusammen, weil die Organisation sich für kirchliche Erneuerung einsetzt. Und wie gesagt, sie ist nicht nur in Deutschland tätig, sondern auch in den Niederlanden, Belgien und in ganz Europa. Wenn wir schon in diesen Ländern ähnliche kirchliche Herausforderungen haben, dann können wir auf diese Weise gemeinsam neue Initiativen stärken und daraus lernen.

Frage: Können Sie ein bestimmtes Projekt aus Ihrem Förderprogramm hervorheben, das für Sie persönlich ganz besonders für kirchliche Erneuerung steht?

Born: Da möchte ich kein einzelnes Projekt hervorheben. Das Spannende ist: Die Förderung ist für alle möglichen kirchlichen Akteure ausgeschrieben und man mag denken, es melden sich nur Kirchengemeinden oder vielleicht noch Schulen. Aber tatsächlich kommen die Projekte aus vielen verschiedenen Richtungen innerhalb der Kirche, etwa von geistlichen Gemeinschaften, von der Caritas oder von Diözesen. In dieser Vielfalt liegt die Zukunft der Kirche. Wir werden unterschiedliche Schwerpunkte in der Kirche haben, mal im diakonischen Bereich, mal im liturgischen Bereich oder bei neuen Gemeindeformen. Diese Vielfalt ist gut, alles andere wäre eine Engführung. "Räume des Glaubens eröffnen" geht übrigens auch nach der Konferenz weiter. Das heißt, wenn Leserinnen und Leser interessante Ideen oder Projekte für unser Förderprogramm haben, sind sie herzlich eingeladen, sich bei uns zu melden.

Von Roland Müller