Kongregation macht Ergebnisse eines Aufarbeitungsprojekts öffentlich

Gründer der Franziskusschwestern Vierzehnheiligen war Missbrauchstäter

Veröffentlicht am 07.11.2023 um 12:00 Uhr – Lesedauer: 

Bad Staffelstein ‐ Die Franziskusschwestern Vierzehnheiligen haben ihre Geschichte aufarbeiten lassen – nun gehen sie mit einer erschütternden Nachricht an die Öffentlichkeit: Ihrem Gründer wird Missbrauch in vier Fällen vorgeworfen. Schwer bestraft wurde er nicht.

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Der Gründer der heutigen Kongregation der Franziskusschwestern Vierzehnheiligen, Pater Peter Natili (1842–1914), war nach den Erkenntnissen einer historischen Aufarbeitung ein Missbrauchstäter. Bei einem von dem Orden selbst beauftragten Aufarbeitungsprojekt in Zusammenarbeit mit der Universität Regensburg wurde das Ausmaß der schwerwiegenden Missbrauchsvorwürfe gegen den italienischen Hieronymitenpater ans Licht gebracht, teilten die Franziskusschwestern am Dienstag mit. Die Vorwürfe betreffen die Zeit von 1885 bis 1899, zu den Betroffenen gehören Schwestern der Gemeinschaft. Die Generaloberin der Franziskusschwestern, Schwester Regina Pröls, zeigte sich erschüttert über die aus Archivunterlagen gewonnenen Erkenntnisse, die einen dunklen Schatten auf die Gründungsgeschichte der Gemeinschaft legen.

Die Untersuchungen ergaben, dass Natili mindestens drei der damaligen Schwestern sowie eine verheiratete Frau, die er aus der Beichte kannte, sexuell missbrauchte. Dafür musste er sich vor dem Amtsgericht München verantworten. Obwohl das Gericht den Zeuginnen geglaubt habe, sei es zu keiner Verurteilung gekommen. Natili wurde jedoch in seine Heimat Italien ausgewiesen. Hintergrund der Aufarbeitung ist die Unterzeichnung der Ordnung zur Prävention von sexuellem Missbrauch an Minderjährigen und erwachsenen Schutzbefohlenen. Damit habe sich der Orden verpflichtet, seinen Beitrag zur Aufarbeitung und zur Präventionsarbeit zu leisten, heißt es in der Mitteilung. "Denn nur wer seine Vergangenheit wirklich kennt, hat eine Zukunft und kann diese gewaltfrei gestalten", so die Generaloberin. Bisher seien über Natili hinaus keine Missbrauchsvorwürfe gegen die Kongregation bekannt.

Weitere Forschungen zum vorhandenen Aktenbestand

Das Aufarbeitungsprojekt wurde begleitet von der Theologin Barbara Haslbeck, die Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprojekt "Gewalt gegen Frauen in der katholischen Kirche" ist, das an der Professur für Pastoraltheologie und Homiletik der Universität Regensburg angesiedelt ist. Derzeit entsteht dort auch eine Dissertation zu dem vorhandenen Aktenmaterial, in der analysiert werden soll, wie die Schwesterngemeinschaft, aber auch staatliche und kirchliche Behörden mit den Berichten über den Missbrauch umgingen. Leitend ist dabei die Fragestellung, unter welchen Bedingungen es möglich war, über den Missbrauch zu sprechen, wo die Erfahrungen der Betroffenen gehört und ernst genommen wurden und wo sie unsichtbar gemacht wurden.

Die Franziskusschwestern entstanden in den 1890er Jahren in München. Natili hatte dort mit Krankenschwestern den Verein für ambulante Krankenpflege vom Hl. Josef gegründet. Die Schwestern schlossen sich schon früh als Gemeinschaft mit gemeinsamer Tracht, gemeinsamer Wohnung und einem Leben nach einer von Natili verfassten religiösen Regel zusammen. Ab 1913 trugen sie den Namen "St. Franziskusschwestern", 1921 wurden sie vom Bamberger Erzbischof Jacobus von Hauck als Orden diözesanen Rechts anerkannt. Die Kongregation der St. Franziskusschwestern Vierzehnheiligen hat derzeit in weltweit 16 Konventen 121 Professschwestern. Die Gemeinschaft hat Niederlassungen in Deutschland, Peru und Indien. (fxn)

7. November 2023, 13.30 Uhr: Ergänzt um Details zu den Vorwürfen.