Wissenschaftlicher Pionier, Kirchenkritiker und Kirchenberater

Religionssoziologe Franz-Xaver Kaufmann ist tot

Veröffentlicht am 08.01.2024 um 15:41 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Kaum einer beobachtete die Kirche in Deutschland so kritisch und konstruktiv wie Franz-Xaver Kaufmann: Als Professor für Soziologie und Berater von Synoden, Bischöfen und Laien wirkte er über Jahrzehnte – nun ist er im Alter von 91 Jahren gestorben.

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Der Religionssoziologe Franz-Xaver Kaufmann ist tot. Er starb am Sonntag im Alter von 91 Jahren, wie katholisch.de aus seinem Umfeld erfuhr. Zuletzt lebte er in einer Seniorenresidenz in Bonn. Der gebürtige Schweizer lebte seit 1963 in Deutschland und gehörte zu den Gründern der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld, wo er von 1969 bis zu seiner Emeritierung 1997 den Lehrstuhl für Sozialpolitik und Soziologie innehatte. Kaufmann gilt als einer der Pioniere der Religionssoziologie und befasste sich vor allem mit der katholischen Kirche. Er selbst begründete seine Entscheidung für die Soziologie mit dem Interesse an der sozialwissenschaftlichen Durchdringung der Kirche, wie er 1973 schrieb: "Die Vorstellung, es sei mit Hilfe soziologischer Einsichten möglich, kirchliches Denken vom Ballast überholter Welt- und Sozialvorstellungen zu befreien, und der Wunsch, hierzu beizutragen, haben seinerzeit meine Entscheidung, mich der Soziologie zuzuwenden, mitbestimmt."

Neben seiner Forschung engagierte sich der Katholik Kaufmann auch in der Kirche. Bei der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland (Würzburger Synode, 1971–1975) war er Berater der Sachkommission "Glaubenssituation und Verkündigung", er war ein langjähriges Mitglieder des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) und der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz (DBK). Er war Vorsitzender des Wissenschaftlichen Rates der Katholischen Akademie in Berlin und empfing theologische Ehrendoktorwürden unter anderem von der Universität Münster, wo er sich 1968 habilitiert hatte.

Seit Mitte der 1960er Jahre publizierte Kaufmann neben seinen Forschungen zur Sozialpolitik, für die sein Lehrstuhl eingerichtet worden war, zu religionssoziologischen Themen. Seine religionssoziologischen Forschungen habe er "mit bescheidenen Mitteln und als wissenschaftliche Nebentätigkeit" betrieben, schreibt er selbst über seine Arbeit. Darin befasste er sich mit Bildungsfragen, der Erforschung und Bestimmung von Kirchlichkeit und immer wieder mit Fragen der Reform der Kirche und zum Verhältnis der Kirche zur Moderne, zur Rolle der Frau und zum Umgang mit dem Missbrauch.

Kritischer Beobachter und Zeitgenosse der Kirche

Bis ins hohe Alter war Kaufmann ein engagierter Beobachter seiner Kirche: 2019 setzte er sich in einem Essay mit Klerikalismus auseinander und plädierte dafür, sakramentale Kompetenzen und Leitungskompentenzen zu entkoppeln: "Nur eine Kirche, die den ursprünglichen Liebesimpuls der Bewegung von neuem zur Maxime ihres Handelns werden lässt, hat noch Aussichten, Vertrauen zu erzeugen. Das erfordert auch ein neues institutionelles Verhältnis zwischen Klerus und Laien." Zuletzt erschienen 2022 gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie unter dem Titel "Katholische Kirchenkritik". Darin erläuterte er auch seine Methode: "Soziologische Kirchenkritik bedeutet mir zu differenzieren, Unterschiede aufzuzeigen, die Perspektiven zu wechseln, um Kirche in ihrer historischen oder sozialen Dimension, in ihrer Vielschichtigkeit oder auch Widersprüchlichkeit zu beleuchten und dem Verstehen der Beteiligten nahe zu bringen." (fxn)