Pfarrer vor Synodentreffen: Reformstau ist überall ein Thema
Ab Sonntag treffen sich 300 Pfarrer aus der ganzen Welt in der Nähe von Rom: Sie sollen über Themen der Weltsynode beraten, bei der Gemeindepriester bisher kaum vertreten sind. Die Ergebnisse der Beratungen der Pfarrer sollen in das Arbeitsdokument für die zweite Sitzung der Weltsynode im kommenden Oktober im Vatikan einfließen. Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) schickt drei Pfarrer – einer von ihnen ist Jochen Thull, Pfarrer in Brühl und Wesseling im Erzbistum Köln. Im Interview mit katholisch.de erzählt er, was er von dem Treffen erwartet, wie Synodalität in der Pfarrgemeinde jetzt schon gelebt wird, und warum er die kritischen Themen in der Kirche Deutschlands nicht für deutsche Sonderwege hält.
Frage: Pfarrer Thull, Sie sind einer von drei Pfarrern aus Deutschland, die am Pfarrertreffen in Rom teilnehmen. Wie wurden Sie ausgewählt?
Thull: Ich bin seit 2009 Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Priesterräte in Deutschland und in dieser Funktion auch regelmäßig mit der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz in Kontakt. Ich nehme an, deshalb wurde ich angefragt.
Frage: Was erwarten Sie von dem Treffen?
Thull: Der Fokus liegt auf dem Hören, wie andere Pfarrer weltweit mit ihrem Alltag umgehen, mit großen Pfarreien und mit pastoralen Schwerpunkten.
Zur Person
Jochen Thull ist Leitender Pfarrer in Brühl und Wesseling (Erzbistum Köln). Er ist Sekretär des Kölner Priesterrats und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Priesterräte Deutschlands. Zusammen mit den Pfarrern Johannes Schaan (Stralsund/Erzbistum Berlin) und Bernhard Waltner (Kaufbeuren/Bistum Augsburg) nimmt er an dem durch das Generalsekretariat der Weltsynode organisierten Treffen "Pfarrer für die Synode" teil, das von Sonntag bis Donnerstag in der Nähe Roms stattfindet.
Frage: Sie selbst haben in Rom studiert. Haben Sie da Pfarreien anders erlebt als hier in Deutschland?
Thull: Das ist 30, 40 Jahre her, daher ist vieles heute sicher anders. Ich habe dort in einer Stadtrandgemeinde mitgearbeitet, ich habe mit italienischen Müttern Kommunionsunterricht gegeben. Das war damals sehr ähnlich strukturiert wie in Deutschland auch: eine klassische Pfarrei mit überschaubarer Größe.
Frage: Heute gibt es kaum noch kleine Pfarreien. Wie haben Sie die Veränderungen im Laufe ihres Priesterlebens wahrgenommen?
Thull: Schon als Kaplan war ich in mehreren Pfarreien eingesetzt, und als ich 1997 Pfarrer in Köln-Porz wurde, habe ich die erste Fusion selbst mitgestaltet. Derzeit bin ich Pfarrer in den Städten Brühl und Wesseling mit sieben Pfarreien und 16 Kirchen. Dass Pfarreien immer größer werden, begleitet mich also schon von Anfang an.
Frage: Kann man da noch ganz klassisch Pfarrer sein oder ist man hauptsächlich Manager?
Thull: Die vielen Gruppen und Kreise und das Pastoralteam muss man natürlich "managen". Der Großteil der Verwaltung ist bei uns im Erzbistum Köln schon länger in die Hände von Verwaltungsleitungen und der geschäftsführenden Kirchenvorstandsvorsitzenden gelegt. Dadurch habe ich mit dem alltäglichen Verwaltungsgeschäft wenig zu tun. So bleibt zum Glück genug Zeit für Seelsorge, für Trauerpastoral, Beerdigungen, Taufen und Hochzeiten.
Frage: Welche Rolle spielte die Synode bei Ihnen in der Pfarrei?
Thull: Es gab im vergangenen Jahr den Aufruf an alle Pfarreien, sich an den Rückmeldungen zu beteiligen, die das Erzbistum an die Bischofskonferenz weitergeleitet hat. Vor allem haben wir die Synode aber aus der Presse verfolgt. Die Synode hat im Alltag keine besonders große Rolle gespielt.
Frage: Was ist bisher Ihr Eindruck von der Synode?
Thull: Mein Eindruck ist, dass es nicht so sehr um einzelne Themen geht, sondern wie man einen Zugang dazu findet, zuzuhören und abzuwägen. So hat es uns auch Kardinal Jean-Claude Hollerich, der Generalrelator der Synode, erläutert, als wir ihn mit den Priesterräten in Luxemburg getroffen haben: Erst einmal aufeinander hören und lernen, die Wege der einzelnen Ortskirchen zu respektieren. Die große Frage ist, ob bei der nächsten Synodentagung im Herbst daraus dann schon konkrete Konsequenzen gezogen werden.
Frage: Welche Themen und Anliegen nehmen Sie mit nach Rom?
Thull: Das Programm ist ganz ähnlich aufgebaut wie die Synode selbst: Viel Zeit zum Hören, und dann Austausch in Tischgruppen. Ich bringe meine Erfahrung als Pfarrer in Deutschland ein. Mich interessiert aber vor allem, wie Pfarrer in Afrika und Lateinamerika ihre pastorale Arbeit vor Ort gestalten.
Frage: Die deutschen Bischöfe haben in der Weltkirche durch den Synodalen Weg einen Ruf als Revoluzzer. Wie erklären Sie in Rom die deutsche Kirche?
Thull: Ich denke, da kommt es darauf an, die Geschichte zu erklären, wie sich hier Themen über die Jahrzehnte entwickelt haben. Es sind ja keine rein deutschen Probleme, die wir hier verhandeln: Reformstau ist auch in anderen Teilen der Weltkirche ein Thema. Wir haben hier in Deutschland auch nicht besonders revolutionäre Ideen und Themen auf der Agenda – das hat man im Vorfeld der Synode ja gesehen, dass unsere Themen auch in anderen Teilen der Weltkirche drängend sind, wenn auch in unterschiedlicher Gewichtung.
Frage: Von der Weltkirche zurück in die Pfarrei: Wie steht es in der Pfarrei um Synodalität? Es gibt viele Gremien, aber ist das schon Synodalität?
Thull: Es gibt zumindest Ansätze von Synodalität, und manchmal gelingt sie auch. Das ist immer dann der Fall, wenn es gelingt, mit verschiedenen Beteiligten und Interessierten gemeinsam zu beraten und zu entscheiden – das Entscheiden ist da oft die größte Herausforderung: Wer entscheidet eigentlich wirklich? Wie treten wir als Pastoralteam in solchen Prozessen auf?
Frage: Als kfd-Präses kennen Sie auch das Verbandswesen und seine Strukturen gut. Ist das ein Vorbild für Synodalität?
Thull: Jedenfalls sind die Entscheidungswege klarer. Aber grundsätzlich läuft es ja ganz ähnlich wie in den Gremien einer Pfarrei. Daher finde ich es interessanter, sich von den Orden inspirieren zu lassen. Die Benediktiner haben in ihrer Ordensregel von Anfang an synodale Strukturen, in denen der Abt mit den Brüdern gemeinsam berät und entscheidet. Von dieser Synodalitätskultur können wir lernen.
Frage: Wenn sie übernächste Woche wieder heimfahren aus Rom, was hoffen Sie im Gepäck zu haben?
Thull: Gute Begegnungen und Erfahrungen mit vielen Menschen aus der Weltkirche. Ich hoffe, dass es uns gelingt, über unseren deutschen oder auch europäischen Horizont hinauszuschauen und die Vielfalt der Kirche zu sehen und zu schätzen.