David Heith-Stade zur Weihe einer Frau im Patriarchat von Alexandria

Ostkirchenkundler: Diakoninnenweihe war nur eine Frage der Zeit

Veröffentlicht am 21.05.2024 um 00:01 Uhr – Von Felix Neumann – Lesedauer: 

Wien ‐ Die katholische Kirche diskutiert seit langem über Diakoninnen – bisher fruchtlos. In der Orthodoxie ist man weiter: Dort wurde jüngst die erste Frau sakramental geweiht. Der Ostkirchen-Experte David Heith-Stade erklärt im katholisch.de-Interview, was diese Weihe besonders macht.

  • Teilen:

Die Weihe von Angelic Molen zur Diakonin durch den orthodoxen Erzbischof von Simbabwe hat weltweit Wellen geschlagen: Erstmals in der Neuzeit wurde eine Frau wie männliche Diakone sakramental geweiht. Das Patriarchat von Alexandria, zu dem Simbabwe gehört, sah sich zu einer Klarstellung veranlasst, betont aber die historische Kontinuität. Die Frage nach dem Diakonat der Frau wird in der orthodoxen Kirche schon lange diskutiert – schon seit Jahrzehnten gibt es Überlegungen dazu und vereinzelt auch Weihen von Frauen. Was die früheren Diakoninnenweihen von Molens Weihe unterscheidet und was Diakone in der Orthodoxie tun, erläutert der Wiener Ostkirchenkundler David Heith-Stade im Interview mit katholisch.de. Er sieht in der Weihe eine logische Entwicklung – so kontrovers sie auch diskutiert wird.

Frage: Dr. Heith-Stade, haben Sie damit gerechnet, dass im orthodoxen Patriarchat von Alexandria eine Frau zur Diakonin geweiht wird? War das eine Überraschung?

Heith-Stade: Es war nur eine Frage der Zeit, obwohl der Ordinationsritus und die der Diakonissin gewährten liturgischen Rechte eine Überraschung waren.

Frage: Wie kann man den Status der neugeweihten Diakonin bewerten? Ist ihre Weihe genau dieselbe sakramentale Weihe wie die eines männlichen Diakons?

Heith-Stade: Ja, das ist das Novum in diesem Fall, dass sie mit demselben Ritus geweiht wurde, der für die Weihe eines männlichen Diakons verwendet wird, und dass sie die Gewänder eines männlichen Diakons erhielt. Zuvor hatten die Diakonissen ihre eigenen Gewänder, die eher den Gewändern eines Subdiakons im byzantinischen Ritus ähneln, obwohl der historische Ritus für die Weihe einer Diakonisse eher dem Ritus für die Weihe eines Diakons als dem Ritus für die Weihe eines Subdiakons entspricht.

Portraitfoto von Dr. David Heith-Stade
Bild: ©privat/Montage katholisch.de (Archivbild)

David Heith-Stade ist Universitätsassistent am Institut für Historische Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien. Er forscht dort am Fachbereich "Theologie und Geschichte des christlichen Ostens" zu Recht und Religion der Ostkirchen.

Frage: Welche Aufgaben und Befugnisse haben Diakone in der Orthodoxie ganz allgemein? Wie unterscheidet sich das von Diakonen in der katholischen Kirche?

Heith-Stade: Es gibt große Unterschiede zwischen den verschiedenen orthodoxen Kirchen sowie zwischen der Diaspora und den Kernländern der Orthodoxie. Im Allgemeinen wurde der Diakonat auf einen rein liturgischen Dienst reduziert und die nichtliturgischen Funktionen der Diakone wurden von diözesanen Verwaltungsmitarbeitern und ehrenamtlichen Laien in den Pfarreien übernommen. In der russischen Tradition ist es nicht ungewöhnlich, dass es in Pfarreien ständige Diakone gibt, aber in der griechischen Tradition sind diese normalerweise nur in den Kathedralen tätig. In Griechenland kümmern sich die Diakone in der Regel auch um den Haushalt eines Bischofs. In Rumänien wird jetzt verlangt, dass männliche Theologieprofessoren geweiht sein sollen, weswegen es akademische Theologen gibt, die Diakone geworden sind, um eine feste Stelle an einer theologischen Fakultät zu bekommen. In der Diaspora wird der Diakonat manchmal zur Ausbildung von Priesteramtskandidaten genutzt. Auch in Nordamerika gibt es Versuche, den Diakonat wiederzubeleben und Diakone in der Missionssituation mit katechetischen Aufgaben und der Leitung von Gottesdiensten zu betrauen, für die keine Priester erforderlich sind. In den Kirchen, in denen eine liturgische Erneuerung stattgefunden hat und die häufige Kommunion wiederhergestellt wurde, ist es Diakonen manchmal gestattet, der Gemeinde die Kommunion zu spenden. Im Allgemeinen lesen die Diakone die Litaneien in den Gottesdiensten, verkünden das Evangelium in der Liturgie und assistieren dem Bischof oder Priester bei der Feier der Gottesdienste. Priesteramtskandidaten müssen natürlich zu Diakonen geweiht werden, bevor sie zu Priestern geweiht werden können.

Frage: In der Demokratischen Republik Kongo, also auch im Patriarchat von Alexandria, wurden bereits 2017 Diakoninnen geweiht. Was ist bei der jüngsten Weihe anders?

Heith-Stade: Der Patriarch verwendete 2017 den Ritus für die Weihe von Subdiakonen, während der Metropolit von Simbabwe am 2. Mai 2024 den Ritus für die Weihe eines männlichen Diakons mit geringfügigen Änderungen vollzog. Beide Varianten sind überraschend, da wir den historischen Ritus für die Weihe von Diakonissen haben und dieser historische Ritus meines Wissens bei allen früheren Weihen von Diakonissen von 1911 bis 2017 verwendet worden ist.

Frage: Wie wurde die Weihe in Harare in der Orthodoxie aufgenommen? Das Patriarchat von Alexandria sah sich ja bereits zu einer Klarstellung veranlasst.

Heith-Stade: Es ist noch zu früh, das zu sagen. Ich habe gesehen, dass einige Traditionalisten aus Nordamerika online sehr aktiv dagegen polemisieren. Ich habe auch gesehen, dass Vertreter des russisch-orthodoxen Exarchats in Afrika, das aus politischen Gründen kirchenrechtswidrig auf dem kanonischen Territorium des Patriarchats von Afrika und ganz Afrika etabliert wurde, versuchen, diese Weihe für ihre Propaganda gegen die kanonische Kirche zu instrumentalisieren. Ansonsten habe ich auch viele positive Reaktionen von Theologen gesehen, und die meisten Bischöfe scheinen zu diesem Thema zu schweigen.

Diakonin Angelic Molen und Erzbischof Serafim von Simbabwe
Bild: ©St. Phoebe Center/Annie Frost

Diakonin Angelic Molen nach ihrer Weihe durch Erzbischof Serafim von Simbabwe.

Frage: Im 20. Jahrhundert haben der heilige Nektarios von Ägina und der Athener Erzbischof Christodoulos Diakoninnen geweiht. Warum ist die Weihe von Angelic Molen heute so eine große Nachricht? Unterscheiden sich die von Nektarios und Christodoulos gespendeten Weihen von der, die Erzbischof Serafim jetzt in Harare gespendet hat?

Heith-Stade: Angelic Molen wurde nicht nach dem historischen Ritus der Diakonissenweihe geweiht und ihr wurden die gleichen Gewänder wie einem männlichen Diakon verliehen. Sie ist auch keine Nonne. Die früheren Diakonissen, die seit dem heiligen Nektarios bis zum Beginn dieses Jahrhunderts geweiht wurden, waren alle Nonnen, es wurde der historische Ritus für die Weihe einer Diakonisse angewendet und sie erhielten die liturgischen Gewänder eines Subdiakons. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass Molen für den Dienst in einer Pfarrei geweiht ist, während der Dienst in den meisten früheren Fällen auf das jeweilige Kloster beschränkt war. Aus diesem Grund wissen die meisten Menschen nicht, dass es in einigen orthodoxen Kirchen seit fast einem Jahrhundert wieder Diakonissen gibt.

Frage: Ist die Frage nach der Zulassung von Frauen zum Diakonat eine moderne Entwicklung?

Heith-Stade: Das Thema ist seit dem neunzehnten Jahrhundert präsent. Sowohl die russische als auch die griechische Kirche waren sehr beeindruckt von der sozialen Arbeit der evangelischen Diakonissen im deutschsprachigen Raum und wollten etwas Ähnliches in der orthodoxen Kirche einführen. Dies zeigt sich im präsynodalen Prozess, der zum Landeskonzil der Russischen Orthodoxen Kirche 1917 bis 1918 führte, auf dem der Frauendiakonat offiziell wieder eingeführt wurde. Es handelte sich um einen Versuch, das deutsche evangelische Phänomen der Diakonissen mit einer Wiederbelebung des byzantinischen Frauendiakonats zu verbinden. Allerdings wurden in den 1920er Jahren in Russland nur einige wenige Diakonissen geweiht, bevor die Verfolgung durch die sowjetischen Behörden der Umsetzung des Landeskonzils ein Ende setzte. Der heilige Nektarios war Seelsorger eines von ihm gegründeten Frauenklosters, und als er älter wurde, spürte er, dass er Hilfe bei der Feier der Gottesdienste im Kloster brauchte. Aus diesem Grund weihte er 1911 zwei Nonnen zu Diakonissen.

Frage: Hat die Kirchengeschichte die Frage schon zugunsten der Diakoninnen geklärt? Darauf verweist Erzbischof Serafim selbst, wenn er auf das Neue Testament, die frühe Kirche und das alte Kirchenrecht verweist.

Heith-Stade: Ja.

Frage: In der katholischen Debatte wird oft befürchtet, dass die Forderung nach dem Diakonat der Frau nur ein taktischer Zwischenschritt wäre, die Diakoninnenweihe also quasi ein trojanisches Pferd ist, um die Priesterinnenweihe zu erreichen. Spielt das auch in der Orthodoxie eine Rolle?

Heith-Stade: Dies ist ein Beispiel für einen "Slippery-Slope"-Trugschluss, ein Dammbruchargument. Es gibt natürlich auch Traditionalisten in den orthodoxen Kirchen, die sich dieser Behauptung bedienen.

Frage: Welche Auswirkungen hat die Weihe von Angelic Molen auf den katholisch-orthodoxen Dialog? Bringt das die Weihe von Diakoninnen in der katholischen Kirche voran? Trennt das die Kirchen noch weiter?

Heith-Stade: Seit fast einem Jahrhundert gibt es in der Orthodoxen Kirche wieder Diakonissen. Die Armenisch-Apostolische Kirche hat den Frauendiakonat bereits im siebzehnten Jahrhundert wiederbelebt, und die wenigen Diakonissen, die es in der armenischen Kirche gibt, haben die gleichen liturgischen Funktionen wie männliche Diakone. Dies ist mit anderen Worten nichts Neues im Hinblick auf den ökumenischen Dialog mit der römisch-katholischen Kirche.

Von Felix Neumann