Kirchenhistoriker Wolf äußerte jedoch deutliche Skepsis

Überwiegend positive Reaktionen auf Vatikan-Dokument zum Papstamt

Veröffentlicht am 13.06.2024 um 19:30 Uhr – Lesedauer: 
Bild: © KNA

Bonn ‐ Das neue Vatikan-Dokument "Der Bischof von Rom" zur Stellung des Papstes ist überwiegend positiv aufgenommen worden. Lob gab es etwa von den deutschen Bischöfen, der Evangelischen Kirche in Deutschland und den Anglikanern. Skeptisch äußerte sich dagegen der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf.

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Das am Donnerstag vom Vatikan veröffentlichte Studiendokument zur Stellung des Papstes ist überwiegend positiv aufgenommen worden. Die deutschen Bischöfe würdigten das Papier als "wichtigen Impuls für den ökumenischen Dialog". Der Vorsitzende der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Gerhard Feige, erklärte in Bonn, er erwarte sich von den Anregungen des Papiers "eine neue Dynamik" – sowohl für die innerkatholische Klärung als auch für die ökumenische Diskussion: "Dabei geht es um die wechselseitige Zuordnung von Primat und Synodalität, aber auch die Entwicklung neuer synodaler Formen im Miteinander der Kirchen."

Feige verwies darauf, dass das Dokument einen Zusammenhang zwischen der Synodalität innerhalb der katholischen Kirche – also der gemeinschaftlichen Beratung und Entscheidung – und der Synodalität im Verhältnis der christlichen Kirchen zueinander aufzeige. Synodalität in der katholischen Kirche müsse auf allen Ebenen noch besser entwickelt werden, sagte der Magdeburger Bischof: "Das schließt auch eine Stärkung der Bischofskonferenzen ein." Feige begrüßte, dass das Dokument für die Zukunft regelmäßige Treffen der Patriarchen und Kirchenleitungen vorschlage: "Auf diese Weise würde die Synodalität zwischen den Kirchen gestärkt und ein sichtbares ökumenisches Zeichen gesetzt."

EKD: Ökumenische Offenheit für Konsultationen mit dem Papst

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) nahm die Vorschläge aus dem Vatikan positiv auf. "Grundsätzlich ist es begrüßen, dass sich der Vatikan mit dem Gedanken auseinandersetzt, das Amt des Bischofs von Rom in stärker ökumenisch verbindender Weise zu denken", sagte ein EKD-Sprecher der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Voraussetzung aus evangelischer Sicht wäre aber ein grundsätzlicher Wandel im Verständnis des römischen Bischofsamtes, der in dem Studiendokument intendiert ist."

Das am Donnerstag vorgestellte Dokument "Der Bischof von Rom" beinhaltet Vorschläge für ein neues Verständnis des Papstamtes und soll laut Vatikan "zur Wiederherstellung der Einheit der Christen beitragen". Den Ideen des Dokuments zufolge könnte der Papst künftig von anderen Kirchen als Ehrenoberhaupt akzeptiert werden. Außerdem regt der Text die Schaffung einer neuen globalen Beratungsebene mit regelmäßigen Treffen der Kirchenführer unterschiedlicher Konfessionen an. Diesen Vorschlag begrüßte der EKD-Sprecher: "Für mögliche Konsultationsformate zwischen dem Bischof von Rom und Vertreterinnen und Vertretern nicht katholischer Kirchen besteht generell eine ökumenische Offenheit".

Bild: ©KNA/Sabine Kleyboldt

Aus Sicht der Kirche von England eröffnet das Papier aus dem Vatikan neue Perspektiven für die Beziehungen unter den Kirchen mit Blick auf das vieldiskutierte Thema des Papstprimats.

Die evangelisch-lutherische Kirche in Deutschland (VELKD) sieht in dem Vatikan-Dokument wichtige Anregungen für die Ökumene. Der Referent der Kirche für Catholica-Arbeit und Ökumenearbeit, Johannes Dieckow, sagte dem Kölner Portal domradio.de am Donnerstag, der in dem Papier genannte Vorschlag einer interkonfessionellen Synode der christlichen Kirchen unter dem Vorsitz des Papstes sei "interessant". Mit Blick auf das 1.700-jährige Jubiläum des Konzils von Nicäa, bei dem im Jahr 325 das ökumenisch verbindende Glaubensbekenntnis formuliert wurde, könnte in einem ökumenisch-synodalen Zusammentreffen eine Chance liegen.

Positiv wertete Dieckow, dass das Dokument die Frage nach einer ökumenisch anschlussfähigen Ausübung des Papstamtes mit dem Prinzip der Synodalität verbinde, das Papst Franziskus in der römisch-katholischen Kirche neu zu beleben und zu vertiefen versuche. "Ökumenisch bietet das nicht nur Anknüpfungspunkte für die Ostkirchen, sondern auch für evangelische Kirchen. Wir werden ökumenisch durchbuchstabieren müssen, was es bedeutet, dass der Dienst des Bischofs von Rom eingebettet ist in synodale Beratungs- und Entscheidungsprozesse der ganzen Kirche." Als einen Stolperstein bezeichnete der Ökumene-Beauftragte das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit, das vom Ersten Vatikanischen Konzil 1870 beschlossen worden war. "Es bleibt eine noch nicht bewältigte Herausforderung, wie dieses Dogma in eine ökumenische Interpretation des Papstamtes integriert werden kann."

Positive Signale auch von anglikanischer und armenischer Kirche

Auch die offiziellen Vertreter der anglikanischen und der armenischen apostolischen Kirche begrüßten die Vorschläge aus dem Vatikan für eine neue Art der Ausübung des Papstamtes. Nach der Vorstellung des Dokuments sagte der aus Armenien zugeschaltete Erzbischof Khajag Barsamian am Donnerstag, das Dokument werde von jetzt an ein Referenzpunkt für die Gespräche zwischen den Kirchen sein. Barsamian betonte, dass es in den ersten Jahrhunderten eine kirchliche Gemeinschaft ohne gemeinsames Kirchenrecht und gemeinsame Struktur gegeben habe; Pluralität sei damals akzeptiert worden. Er hoffe, dass diese Praxis der ersten Jahrhunderte auch künftig wieder gelten werde. Zwischen den Kirchen könne es "eine gewisse Form von Synodalität geben, auch wenn noch nicht die völlige kirchliche Einheit bestehe", so der armenische Erzbischof.

Für die Kirche von England begrüßte Erzbischof Ian Ernest das Dokument als einen großen Erfolg. Der persönliche Repräsentant des Erzbischofs von Canterbury in Rom sagte, das Papier eröffne neue Perspektiven für die Beziehungen unter den Kirchen mit Blick auf das vieldiskutierte Thema des Papstprimats. Die katholische Kirche rief er auf, die Anregungen des Papiers aufmerksam wahrzunehmen und so zur Rezeption der ihm zugrundeliegenden ökumenischen Dialog beizutragen.  Unter den Vorschlägen aus dem Vatikan sei die Idee einer "Neuformulierung" der Lehren des Ersten Vatikanischen Konzils (1869/70) über den Papstprimat besonders wichtig, betonte der anglikanische Erzbischof.

Hubert Wolf in der Diözesanbibliothek in Münster
Bild: ©KNA/Andreas Kühlken

"Die Revolution ist ausgeblieben", sagte der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf am Donnerstag zum Vatikan-Papier.

Als zukunftsweisend bezeichnete Ernest die Rückkehr der zeitgenössischen Päpste zum Titel "Diener der Diener Gottes", den bereits Papst Gregor der Große (590-604) eingeführt habe. Diese Formel sei die beste Garantie dafür, dass der Primat des Papstes stets auch als Dienst verstanden werde. Die Kirche von England habe sich schon seit längerer Zeit dafür ausgesprochen, einen universalen Papstprimat im Sinne eines sichtbaren Einheitssymbols für die christlichen Kirchen anzuerkennen.

Der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf reagiert auf das neue Vatikan-Dokument dagegen mit deutlicher Skepsis. "Die Revolution ist ausgeblieben", sagte er am Donnerstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Münster. Positiv an dem im Vatikan veröffentlichten Text sei, dass ein römisches Dokument erstmals die abweichenden Haltungen der übrigen christlichen Kirchen zur Vorrangstellung des Papstes mit großer Wertschätzung veröffentliche und beschreibe. Zugleich sieht Wolf in dem Papier mit dem Titel "Der Bischof von Rom" aber keinerlei verbindliche Perspektive und rechtliche Vorschläge, wie das Papstamt konkret anders ausgeübt werden könnte.

Stiländerung bei der Interpretation des Unfehlbarkeitsanspruchs

Das von der Ökumene-Behörde des Papstes unter Federführung des Schweizer Kardinals Kurt Koch erarbeitete Papier bedeute eine Stiländerung bei der Interpretation des Unfehlbarkeitsanspruchs und des Jurisdiktionsprimats des Papstes. So plädiere der Text sehr blumig dafür, das Unfehlbarkeitsdogma im Licht der Synodalität zu interpretieren. Zugleich verweise der Text auf symbolische Gesten der Wertschätzung und der Liebe, die die Päpste in den vergangenen Jahrzehnten den anderen christlichen Kirchen gegenüber gezeigt hätten.

Auf der anderen Seite aber halte das Dokument voll und ganz an den Beschlüssen zum Primat des Papstes und zur päpstlichen Unfehlbarkeit fest, die das Erste Vatikanische Konzil (1869-1870) beschlossen und das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) bestätigt habe, sagte Wolf. Andere Modelle kirchlicher Leitung, die es in der katholischen Tradition gebe, würden nicht zur Diskussion gestellt, sagte der Kirchenhistoriker etwa mit Blick auf das Konzil von Konstanz (1414-1418), das drei konkurrierende Päpste abgesetzt und einen neuen gewählt habe. Damals habe sich die Gemeinschaft der Bischöfe als eigenständige Größe gegenüber dem Papst definiert. Auch ziehe das Dokument keine konkreten Konsequenzen daraus, dass Papst Franziskus zuletzt allein auf seinem Titel "Bischof von Rom" beharrt und andere Titel wie "Stellvertreter Christi" im Päpstlichen Jahrbuch 2020 herabgestuft habe. (stz/KNA)