Von Kaiser Konstantin bis ins 20. Jahrhundert

Diese Konzile haben die Kirche nachhaltig verändert

Veröffentlicht am 30.04.2021 um 00:01 Uhr – Von Christoph Paul Hartmann – Lesedauer: 

Bonn ‐ 1.700 Jahre Geschichte haben die Kirche ganz entscheidend verändert – und das gerade durch Konzile. Diese Bischofsversammlungen haben über die unterschiedlichsten Themen debattiert. Katholisch.de macht eine Tour de Force durch die Historie.

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"Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind", da ist Jesus zwar "mitten unter ihnen" (Mt 18,20), es entstehen wie bei allen größeren Bewegungen aber auch schnell Meinungsverschiedenheiten. Das Christentum macht da keine Ausnahme. Nach der Gewährung der Religionsfreiheit durch Kaiser Konstantin 313 breitet sich die Religion im Römischen Reich noch schneller aus als bislang, überall entstehen neue Gemeinden und Gotteshäuser. Mehr und mehr entwickeln sich unterschiedliche Auffassungen davon, was man da eigentlich glaubt – und in welcher Form. In Nicäa beginnt deshalb im Jahr 325 ein neues Format, das die Kirchengeschichte nachhaltig prägen sollte: ein Konzil.

Ein Konzil ist eine von Bischöfen geprägte Kirchenversammlung, die verbindliche Entscheidungen über theologische Fragen und das Glaubensleben treffen kann. Unter der einen Überschrift "Konzil" gab es in der Kirchengeschichte recht unterschiedlich gelagerte Treffen. Wichtig ist: Auf diesen Versammlungen wird Kirche geformt. Die bedeutendsten sind die 21 "ökumenischen" Konzile, die also die ganze Kirche betreffen – wobei auch diese "Ganzheit" sehr unterschiedlich verstanden wurde. Doch zu alldem später mehr, zurück zum Anfang: Nicaea, 325.

Einberufen hat dieses erste Konzil Kaiser Konstantin, der es als Oberhaupt des Römischen Reiches zu seinen Aufgaben zählt, die im Aufstieg begriffene Großreligion zu stabilisieren und auf einen gemeinsamen Kurs zu bringen – denn es gibt durchaus unterschiedliche Meinungen. So sind kleine Splittergruppen oft die Anlässe für die ersten Konzile. In Nicaea sind es die Arianer: Der aus Alexandrien stammende Priester Arius lehrt, dass nur Gott-Vater Gott sei, Jesus dagegen ein von ihm geschaffenes Wesen. Diese Meinung verwirft das Konzil und stellt nun eine verbindliche Zusammenfassung elementarer Glaubenswahrheiten zusammen, die bis heute gelten: Das Nicänische Glaubensbekenntnis. Darin wird festgehalten, dass Jesus "gezeugt, nicht geschaffen", also keineswegs ein Geschöpf, sondern genauso Gott ist wie der Vater. Die Arianer werden damit aus der Kirche ausgeschlossen.

Dynamik des Ausschlusses

Einige Dynamiken zeigen sich schon bei diesem ersten Konzil, die auch die weiteren bestimmen: Mit jedem Konzil steht eine Gemeinschaft vor der Wahl: Ihre Meinung ändern und in der Kirche bleiben – oder aus ihr ausgeschlossen werden. Manche dieser Minderheiten existieren als altorientalische Kirchen zum Teil bis heute. In diesen Abtrennungsprozessen wird die Glaubenslehre immer weiter ausdifferenziert. So wird im Konzil in Konstantinopel 381 die Rolle des Heiligen Geistes definiert und in Ephesus 431 geht es um die Rolle Marias als Gottesgebärerin – sie gebärt also auch das Göttliche an Jesus und nicht "nur" einen Menschen.

Wichtig wird dann wieder das Konzil von Chalcedon 451, hier steht Jesus Christus im Vordergrund. Ist er zu gleichen Teilen Gott und Mensch, überwiegt eine dieser beiden Naturen – und wie sehr mischen sie sich? Die Monophysiten glauben, dass Jesus lediglich Gott in einer menschlichen Hülle war. Die große Mehrheit des Konzils sieht das anders: Jesus sei gleichzeitig "wahrer Gott" und "wahrer Mensch" gewesen, die beiden Naturen seien in ihm "unvermischt" und "ungetrennt". Hier wird wiederum mit jeder dogmatischen Definition eine Minderheitenmeinung abgelehnt. Die Konzile in Konstantinopel 553 sowie 680/681 führen die Auseinandersetzungen über das Verhältnis der göttlichen und menschlichen Natur Jesu weiter.

Bischöfe beim Konzil von Chalcedon
Bild: ©picture-alliance / akg-images

Das Konzil von Chalcedon verkündete die Zwei-Naturen-Lehre.

Je länger die Spätantike dauert, desto weniger stehen dogmatische Fragen im Mittelpunkt der Debatte: Das Konzil in Nicaea 787 setzt sich nach Jahrzehnten des Ikonoklasmus im byzantinischen Reich schwerpunktmäßig mit der Frage auseinander, ob Gott bildlich dargestellt werden darf  (Bilderstreit) – was im Falle Jesu bejaht wird. Die Verbreitung von Ikonen erlebt daraufhin einen Aufschwung. Beim 869/870 abgehaltenen Konzil in Konstantinopel deutet sich dann schon der Streit an, der die Kirche lange beschäftigen wird: Jener zwischen Ost und West. Dort geht es um Streitigkeiten über die Rangfolge der Patriarchen. Der damalige Patriarch von Konstantinopel, Photius, hatte sich mit dem Bischof von Rom angelegt – und wird abgesetzt.

Teilung und Neufassung

Nun ändert sich die Kirche – und die Konzile mit: 1054 trennen sich im Morgenländischen Schisma katholische und orthodoxe Kirche. Besonders die ersten Konzile waren noch ganz überwiegend von Bischöfen aus dem griechischen Raum bestimmt, unter anderem weil der Westen spärlicher christianisiert und organisiert war – diese Vertreter fallen nun weg. Auch die herausgehobene Stellung des Kaisers mit Sitz in Konstantinopel fällt weg, ein gemeinsames Kaisertum gibt es nicht mehr. An dessen Stelle setzen sich die Bischöfe von Rom. Während die Päpste in den ersten Konzilen noch keine entscheidende Stimme haben, gewinnen sie nun im Raum der westlichen Kirche mehr und mehr an Einfluss. Als Teilnehmer kommen bald auch Äbte hinzu, zudem laden die Päpste als nun Konzile Einberufende auch Vertreter der Fürsten ein. Dadurch werden die mittelalterlichen Konzile zu europäischen Kongressen, auf denen sich die klerikalen und politischen Eliten zum Austausch treffen.

Einflussreich ist besonders das vierte Konzil im Lateran 1215. Nachdem bei den drei Konzilien im Lateran zuvor über die Besetzung von kirchlichen Ämtern im sogenannten Investiturstreit mit den römisch-deutschen Kaisern debattiert wurde (1123) und Kirchenspaltungen (Schismen) geklärt werden mussten (1139 und 1179), ruft Papst Innozenz III. nun das größte Konzil der bisherigen Kirchengeschichte ein: Insgesamt werden mehr als 1200 Teilnehmer gezählt, davon 400 Bischöfe und 800 Äbte. Nachdem in einem abgelenkten Kreuzzug 1204 Konstantinopel erobert wurde, sind vorübergehend auch wieder Vertreter aus dem Osten, aus dem nun lateinischen Kaiserreich dabei. Die 70 Dekrete, die verabschiedet werden, stellen eine Art Grundgesetz für die Kirche dar, mit Regeln für das Mönchtum oder die Priester. Diese Regeln gelten zum Teil Jahrhunderte. Auch dogmatisch werden erstmals wieder Wegmarken gesetzt, etwa bei der Festschreibung der Transsubstantiation in der Eucharistiefeier, also der wesensverändernden Verwandlung von Brot und Wein – das gilt bis heute. Nach dem Laterankonzil finden drei Konzile auf dem Gebiet des heutigen Frankreich statt, was den großen Einfluss des französischen Königshauses zeigt. In Lyon wird 1245 Kaiser Friedrich II. abgesetzt, ebendort scheitert 1274 eine Vereinigung mit der griechisch-orthodoxen Kirche und in Vienne wird 1311/1312 der Templerorden aufgehoben.

Hundert Jahre Pause

Dann ist erstmal für hundert Jahre Pause. Die Päpste beziehen im Zuge wachsender Konflikte mit konkurrierenden Herrschern ihren Sitz in Avignon, wiederum unter den Fittichen des französischen Königs. Hundert Jahre ohne Konzile bedeutet: Hundert Jahre keine Beschäftigung mit drängenden Glaubensfragen auf oberster Ebene – und die kommen mehr und mehr auf. Schon bevor Reformatoren in ganz Mitteleuropa der Kirche ihre Fehlentwicklungen plakativ unter die Nase reiben, wissen viele Theologen: Es gibt einige Fehlentwicklungen. Doch daran zu arbeiten ist schwer, denn seit 1378 gibt es zwei Päpste, einen in Rom und einen in Avignon, das Abendländische Schisma entsteht. Ein 1409 in Pisa veranstaltetes Konzil scheitert daran, diese heikle Situation zu lösen. Es wählt zwar einen neuen Papst, die beiden alten treten trotz Absetzung aber nicht zurück. Es gibt also nun drei Päpste.

Blick auf ein großes altes Haus mit dunkler Vertäfelung.
Bild: ©KNA

In diesem Gebäude am Hafen in Konstanz tagte das Konzil von Konstanz.

Den Gordischen Knoten soll nun ein neues Konzil zerschlagen: Das wegweisende Treffen findet von 1414 bis 1418 in Konstanz und damit zum ersten Mal in Deutschland, in einer deutschen Reichsstadt statt. Der Fortgang des Konzils ist äußerst turbulent: Der in Pisa gewählte Papst Johannes XXIII. kann zwar überredet werden, nach Konstanz zu kommen. Als er aber merkt, dass seine Legitimität angezweifelt wird, ergreift er die Flucht. Er wird gefangen genommen. Kaiser Sigismund reist durch Europa, um für das Konzil und die Einheit werben. Das dauert allerdings seine Zeit, also sitzen die Bischöfe ohne Papst und Kaiser da und können sich mit anderen Fragen beschäftigen – was sie auch tun: Zu dieser Zeit sorgen die Thesen von Jan Hus für Aufsehen, der – zumindest unterstellen ihm das seine Gegner – fordert, den Priesterstand, das Papstamt und das Kirchenvermögen abzuschaffen. Das Konzil verurteilt ihn zum Tode, er wird hingerichtet. Seine Ideen kann das nicht ersticken, sie beeinflussen vor allem die Geschichte Tschechiens. Auf dem Basler Konzils werden die hussitischen Lehren später toleriert. Weiterhin will man in Konstanz die Einheit mit der Ostkirche wiederherstellen und gießt das auch in einen Beschluss. Der kann sich allerdings nicht durchsetzen, die Teilung bleibt bestehen.

Als der Kaiser und mit ihm die spanischen Konzilsväter zurück sind, steht die Lösung der Pontifexfrage wieder im Vordergrund. Das ist der größte Erfolg des Konzils: Die drei bisherigen Päpste werden abgesetzt, mit Martin V. 1417 ein neuer Pontifex gewählt. Es ist das erste und bislang einzige Mal, dass ein Konzil erfolgreich einen Papst gewählt hat.

Erstaunliche Kirchenreform

Vielleicht ist es ja gerade der ganze Ärger mit den Päpsten, der auf dem Konstanzer Konzil zu – auch für heutige Ohren – erstaunlichen Beschlüssen in Sachen Kirchenreform führt: Die Teilnehmer legen im Dekret "Haec sancta" fest, dass in Glaubensfragen Konzilsbeschlüsse grundsätzlich über jenen der Päpste stehen. Weiterhin sollen laut dem Dekret "Frequens" Konzile nicht mehr nur nach gusto abgehalten werden, sondern regelmäßig: Zuerst nach fünf, dann nach sieben, dann alle zehn Jahre.  Es wurde nach 1431 nicht mehr angewendet. "Haec sancta" ist hingegen bis heute unter Theologen umstritten.

Auch die Konzile in Basel, dem längsten Konzil der Welt (1431-1449), und im Lateran 1512 bis 1517, unmittelbar vor der Reformation, beschäftigen sich mit Reformen.  So werden in Basel dem Papst Eugen IV. die meisten Einnahmen gestrichen, die er für Ämterverleihungen erhält und der Kurie damit eine erhebliche Einnahmequelle entzogen. Das sorgt natürlich für Widerstand. Es kommt zu einem Verfassungskonflikt zwischen Papst und Konzil, der in der Absetzung Papst Eugens und in der Wahl eines Gegenpapstes, Felix V., bislang des letzten der Geschichte, gipfelt. Immerhin gelingt dem päpstlichen Gegenkonzil von Ferrara/Florenz/Rom mit dem Abschluss der Union mit den Griechen 1439 ein Erfolg.

Das Denkmal für Martin Luther in der Lutherstadt Eisleben.
Bild: ©nhermann/Fotolia.com

Martin Luther setzt anfangs noch auf Konzilsentscheidungen.

Am Ende setzt sich das Papsttum durch, viele der Basler Reformbeschlüsse dagegen nicht. Das wäre allerdings notwendig gewesen, schließlich bläst später Martin Luther gegen viele Verkrustungen der Kirche zum Angriff. Anfangs setzt er noch auf Konzilsentscheidungen, ist aber mehr und mehr entmutigt und entrüstet angesichts des Reformunwillens der Kirche. Schließlich tagt im Jahr der Veröffentlichung seiner Thesen noch das Fünfte Lateranum – ohne zufriedenstellendes Ergebnis.

Eine verpasste Chance

Beim nächsten Geschichte schreibenden Konzil, jenem in Trient 1545 bis 1563, ist die Chance auf eine Einigung mit den Kräften der Reformation schon lange verstrichen. Der Raum der katholischen Kirche wird ein weiteres Mal dezimiert. So bestimmen zwei Gedanken dieses Treffen: Einerseits eine Selbstversicherung der Katholiken, andererseits dann doch weitere Reformen. Unter anderem wird erstmals eine liturgische Form der Messfeier festgeschrieben – wenn es nicht starke Ortstraditionen gibt. Zudem werden die sieben Sakramente, die Heiligenverehrung und eine Neukonzeption der Priesterausbildung festgeschrieben.

Weiterhin wird die katholische Position zur Rechtfertigungslehre definiert: Kann der Mensch etwas zu seiner Erlösung beitragen? Die Katholiken finden: Ja, durch gute Werke kann ein Gläubiger einen winzig kleinen Teil zu seiner Erlösung beitragen. Luther sieht das anders: Seines Erachtens ist der Mensch allein von der Gnade Gottes abhängig. Die Positionen beider Konfessionen liegen eigentlich sehr nah beieinander, Zeitgenossen empfinden das allerdings bewusst als großen Unterschied.

Jetzt geht sogar noch deutlich mehr Zeit ins Land, bis wieder ein Konzil zusammenkommt, folglich sieht sich das Erste Vatikanische Konzil 1869/1870 mit ganz neuen Fragestellungen konfrontiert: Um die Kirche herum hat sich die Moderne entwickelt, mit Liberalismus, Sozialismus und Nationalstaatswerdung. Nicht zuletzt die Ideen der Französischen Revolution haben diese Zeit geformt. Die Kirche lehnt all dies ab und setzt einen Gegenakzent: Anders als im Treffen in Konstanz, auf dem der Papst sich eindeutig den Konzilen unterordnen sollte, wird die Stellung des römischen Bischofs nun erhöht. Die ganze Kirche läuft auf ihn zu und durch das Unfehlbarkeitsdogma darf er in bestimmten Situationen in Glaubens- und Sittenfragen für die ganze Kirche verbindliche Aussagen treffen. Die Spannungen nehmen während des Konzils zu: Vor allem viele deutsche Bischöfe reisen als Unfehlbarkeitsgegner vorzeitig ab, gleichzeitig spitzt sich die politische Lage um den Vatikan zu: Italienische Truppen besetzen während einer Sitzungspause im Verlauf des deutsch-französischen Krieges Rom, das Konzil wird nie wieder zusammengerufen. Bald verschwindet der Kirchenstaat.

Öffnung zur Welt

An diesem Punkt setzt mehr als 90 Jahre später das Zweite Vatikanische Konzil an: Wo sich das erste Vatikanum nur auf die Abgrenzung der Kirche von der Welt konzentriert hatte, öffnen sich die Bischöfe bei ihrer Versammlung zwischen 1962 und 1965 der Welt. Die Liturgie soll in der Muttersprache gefeiert werden, nichtchristliche Religionen werden gewürdigt, es gibt ein Bekenntnis zu Ökumene und Religionsfreiheit – all das im Jahrhundert davor noch völlig undenkbar. Nach der Papstzentrierung 1870 geht die Kirche nun wieder in die Breite.

So zeigen die beiden jüngsten Konzile einen Gegensatz, der die Kirche seit ihrer Gründung prägt: Der Berliner Historiker Johannes Helmrath spricht von einer durch Päpste und Bischöfe repräsentierten "monarchischen Linie" der Kirche und einer "kollegial-demokratischen" Seite der Konzile und Synoden. "Beide Traditionslinien laufen parallel und treten in Verbindung, aber auch – wie in Basel – in Gegensatz zueinander", sagt er. Sie ziehen die Kirche jeweils in ihre Richtung und haben sie so immer wieder verändert und für ihre je eigenen Bedürfnisse angepasst. Papst Franziskus wird da keine Ausnahme machen, wenn auch vielleicht eine besondere: Dass er eine Synode zum Thema Synodalität angesetzt hat, ist sicher kein Zufall. Die Geschichte der Veränderung ist noch nicht zu Ende geschrieben.

Von Christoph Paul Hartmann