Nicht nur Kostenfaktor – Ordensfrauen eher Opfer als Täterinnen

Schweizer Missbrauchsstudie: Frauenklöster verlassen Dachverband

Veröffentlicht am 18.06.2024 um 18:03 Uhr – Lesedauer: 

Zürich ‐ Neben der Schweizer Bischofskonferenz und der römisch-katholischen Zentralkonferenz der Schweiz sollte sich der Dachverband der Ordensgemeinschaften an der Finanzierung einer Missbrauchsstudie beteiligen. Das führte allerdings zu Unstimmigkeiten.

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Die Kosten einer Missbrauchsstudie in der katholischen Kirche der Schweiz hat beim Dachverband der Ordensgemeinschaften (Kovos) für Unstimmigkeiten gesorgt. Die Vereinigung der Ordensoberinnen der deutschsprachigen Schweiz und Liechtensteins (Vonos) ist deshalb aus dem gesamtschweizerischen Dachverband ausgetreten. Das bestätigte der Dachverband auf Anfrage von katholisch.de am Dienstag. In einer "intern gedachten Medienmitteilung", die katholisch.de vorliegt, heißt es, mit dem Austritt der Vonos hätten die apostolischen Schwestern aus der Deutschschweiz den Dachverband verlassen, nicht aber alle Schwestern aus der Deutschschweiz. In Zahlen bedeutet der Austritt der aktiven Frauenklöster in der Deutschschweiz und in Liechtenstein 14 Gemeinschaften mit knapp 1000 Schwestern. Kontemplative sollen folgen, ob weitere folgen werden, ist derzeit unklar. 

Auslöser waren Unstimmigkeiten über die Finanzierung der Missbrauchsstudie, die rund 1,5 Millionen Franken kostete. Neben der Schweizer Bischofskonferenz und der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) sollte sich auch der Dachverband an den Kosten der Studie beteiligen. Die Ordensgemeinschaften sollten einen Anteil von 250.000 Franken aufbringen, daher habe der Dachverband alle Gemeinschaften eingeladen, "sich nach ihren Möglichkeiten an der Finanzierung zu beteiligen". Viele Gemeinschaften seien dieser Bitte nachgekommen. Die Ordensoberinnen-Vereinigung Vonos habe sich jedoch nicht an der Finanzierung beteiligen wollen, sich aber mit einem Beitrag solidarisch gezeigt, heißt es in der Mitteilung weiter. Richtig sei aber auch, dass es vielen Gemeinschaften, nicht nur den Frauengemeinschaften, zunehmend schwer falle, "immer neue zusätzliche Kosten zu übernehmen". Zu den zusätzlichen Kosten gehöre beispielsweise die Folgestudie der Universität Zürich, die sich an die Pilotstudie anschließen soll. Die Höhe der Kosten blieb allerdings offen. 

In dem Bericht des "Tages-Anzeigers" erklärte deshalb die Präsidentin der Kovos und Generalpriorin des Klosters Ilanz im Kanton Graubünden, Schwester Annemarie Müller, nicht nur der Kostenfaktor spiele eine Rolle. Man lehne unter anderem eine Mitfinanzierung der Studie ab, weil man "nicht bereit sei, für etwas zu bezahlen, bei dem die Ordensfrauen eher Opfer als Täterinnen waren". Auch die Kosten für die Nachfolgestudie, die der bereits veröffentlichten Pilotstudie folgen soll, seien noch nicht absehbar – auf die Kovos kämen noch höhere Verwaltungskosten zu. Die zusätzlichen Kosten seien von vornherein eine Hürde – nicht nur für die Frauengemeinschaften, hieß es. Kritik gab es seitens der Kovos an der Begründung und Verwendung der Schlagworte "Opfer" und "Täter" in der Frage der Finanzierung. 

Finanzierung stellt Ordensgemeinschaften vor große Schwierigkeiten 

Der Kovos ist der Dachverband der Ordensgemeinschaften in der Schweiz. Seit 2019 gilt er als zivilrechtlicher Verein nach Schweizer Recht, um die Zusammenarbeit der sechs Vereinigungen der Ordensleute in der Schweiz zu vereinfachen. Dazu gehören die Frauenvereinigungen ADRL im Tessin, die Vereinigung der Ordensoberinnen der deutschsprachigen Schweiz und Lichtenstein (Vonos) und die Oberinnen der kontemplativen Orden der deutschsprachigen Schweiz (Vokos). Ebenso die Vereinigung der Oberinnen kontemplativer Frauenorden der französischsprachigen Schweiz (UCSR), die Vereinigung der Ordensoberinnen der französischsprachigen Schweiz (USMSR) und die Vereinigung der Höheren Ordensobern der katholischen Männerorden der Schweiz (VOS'USM). 

Die Männervereinigung VOS'USM hat in der Vorbereitungsphase der Pilotstudie eng mit der Schweizer Bischofskonferenz und der Zentralkonferenz RKZ zusammengearbeitet. "Der erst 2019 konstituierte Dachverband, der seine Arbeit unter den erschwerten Bedingungen der Coronapandemie aufgenommen hat, musste unter diesen schwierigen Rahmenbedingungen relativ kurzfristig auf die parallel laufenden Entwicklungen und Vorbereitungen der historischen Studie reagieren, ohne genau zu wissen, welche Kosten auf die Gemeinschaften zukommen würden", heißt es weiter. So würde die Finanzierung der Missbrauchsstudie alle Ordensgemeinschaften vor große Schwierigkeiten stellen, da viele Ordensgemeinschaften überaltert seien. "Die im aktiven Arbeitsleben stehenden Ordensleute haben neben ihrer Arbeit auch die Sorge, wie es mit den Orden, den Werken und den zu pflegenden Ordensmitgliedern weitergeht". (mtr)