Die deutsche Presse zur Umweltenzyklika des Papstes

"Das richtige Wort zur richtigen Zeit"

Veröffentlicht am 19.06.2015 um 14:37 Uhr – Von Steffen Zimmermann – Lesedauer: 
Umweltenzyklika

Bonn ‐ Nicht nur in der katholischen Welt ist das Interesse groß. "Laudato si", die Umweltenzyklika von Papst Franziskus, hat eine Vielzahl von Reaktionen hervorgerufen - auch in der säkularen Presse. Katholisch.de gibt einen Überblick.

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Frankfurter Allgemeine Zeitung

"So klar hat noch kein Papst gesprochen", schreibt die "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" über die Umweltenzyklika von Papst Franziskus. "Beispiellos" seien die "kluge Abwägung von Nutzen und Risiken der Gentechnik", "erhellend und ganz und gar unbestreitbar" die Bestimmung der Umwelt als „Kollektivgut“ und die Erinnerung an die Gemeinwohlpflicht des Privateigentums. Die Beschreibungen der Krisenphänomene seien über weite Strecken allerdings "in einem ebenso schlichten wie schrillen Ton" gehalten. Mitunter zeichne der Papst ein Zerrbild der Realität, wenn er behaupte, immer mehr Menschen würden ausgeschlossen und ihrer grundlegenden Menschenrechte beraubt. "Durch die Anstrengungen der Weltgemeinschaft sind seit den neunziger Jahren viel mehr Entwicklungsziele verwirklicht worden oder ihrer Verwirklichung näher gekommen, als viele Skeptiker es vorhergesagt hatten", heißt es weiter. Mit seiner Aussage, Politik sei ein willenloses Instrument im Dienst einer gewinnmaximierungsfixierten Wirtschaft und eines unkontrollierbaren Finanzwesens karikiert, werde auf beispiellose Weise Autorität verwirkt, "so viel Schönes, Gutes und Wahres Papst Franziskus auch sonst zu sagen hat".

Frankfurter Rundschau

"Der Mensch soll sich die Erde untertan machen? Ja, meint Papst Franziskus, aber doch nicht so", kommentiert die "Frankfurter Rundschau". Die Enzyklika "Laudato si" finde ein halbes Jahr vor dem entscheidenden Pariser Klimagipfel, der ein Kyoto-Nachfolgeprotokoll beschließen soll, "das richtige Wort zur richtigen Zeit". Da Franziskus selbst jedoch keine Kohlekraftwerke abschalten könne, komme es darauf an, wie seine Mahnung bei den Politikern und Konzernchefs wirke. "Wenn diese sich als Christen fühlen und nicht als Anhänger des ökonomischen 'Nach-mir-die-Sintflut'-Kults, nützt sie vielleicht was. Man wird sie an ihren Taten messen können", schreibt die "Frankfurter Rundschau".

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tageszeitung

Die in Berlin erscheinende "tageszeitung" schreibt: "Der Kirchenstaat kommt ohne große Emissionen aus, wenn man mal vom Weihrauch absieht; und der Vatikan kann keine Stahlwerke und Kohlegruben schließen. Aber Papst Franziskus hat Einfluss auf die globale öffentliche Meinung. Deshalb ist die aktuelle Enzyklika wichtig. Als moralische Instanz hat Franziskus Zugang zu Medien, Wirtschaft und Politikern. Und populär, wie er ist, erreicht er auch Nichtkatholiken." Der Papst bringe mit seiner Enzyklika wenige Monate vor der entscheidenden Klimakonferenz in Paris die moralische Dimension des Klimawandels ins Gespräch. Für einen Papst, der qua Amt immer an die Tradition gebunden sei, gehe Franziskus mit seinem Schreiben sehr weit: "Er übernimmt die Sprache der Umweltschützer, fordert das Ende von Öl und Kohle und korrigiert sogar die eigene Theologie, sich ‚'die Erde untertan zu machen'." Doch die "taz" warnt auch: Mehr noch als ein Politiker werde sich Franziskus an seinen eigenen Ansprüchen messen lassen müssen. "Eine ökologische Theologie würde die Politik des Vatikans und der Kirchen auf der ganzen Welt umkrempeln: Die Kirche müsste ihr eigenes Wirtschaften und ihre Finanzen nach grünen Kriterien umstellen, sie müsste ihre passive Rolle als UN-Mitglied aufgeben und aktiv für Umwelt und Fairness kämpfen."

Lausitzer Rundschau

Die "Lausitzer Rundschau" aus Cottbus schreibt: "Manchem Freund der Lausitzer Braunkohle mag es nicht gefallen: Mit klaren Worten ruft Papst Franziskus zum Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen auf." Die Enzyklika lese sich teilweise wie ein Plädoyer für Sigmar Gabriels Kohleabgabe. "Doch man täte der Enzyklika unrecht, würde man den Text nur durch die deutsche Brille sehen. Es ist vielmehr ein Weckruf für die Weltgemeinschaft, den der Papst hier abgeliefert hat." Völlig zu Recht verknüpfe Franziskus in seinem Lehrschreiben die ökologischen Probleme mit den sozialen Ungerechtigkeiten in der Welt. "Ihm geht es um Ganzheitlichkeit. Ähnlich wie schon bei den Flüchtlingen von Lampedusa mahnt der Papst in aller gebotenen Klarheit himmelschreiende Missstände an. Und es wäre der Welt zu wünschen, würde auch dieser Weckruf in ähnlicher Stärke wahrgenommen", so die "Lausitzer Rundschau".

Linktipp: Die Sorge für das gemeinsame Haus

Jetzt ist sie da: "Laudato si", die Umweltenzyklika des Papstes. Darin entwickelt Franziskus eine ganzheitliche Ökologie, die sich nicht nur auf den Klimaschutz beschränkt. Klicken Sie sich bei uns durch die Zusammenfassung der einzelnen Kapitel.

Thüringische Landeszeitung

"Papst Franziskus gibt Gas. Allerdings ohne zusätzlichen Schadstoffausstoß", kommentiert die "Thüringische Landeszeitung" aus Weimar die Enzyklika. Ein halbes Jahr vor dem Klimagipfel in Paris komme die Mahnung des Kirchenoberhaupts zum richtigen Zeitpunkt. "Franziskus sagt den Mächtigen der Welt, dass ihre Gipfel in der Vergangenheit eigentlich sinnlos waren. Er wirft ihnen vor, dass sie das mit ihrer Unterwerfung gegenüber Technologien und dem Finanzwesen selbst verschuldet haben", analysiert die Zeitung, die darüber hinaus auch die soziale Dimension des Lehrschreibens betont. "Für Franziskus sind Umweltfragen auch Fragen, deren Antworten zeigen, wie Menschen miteinander umgehen. Deshalb fordert er zu Recht eine Entschleunigung des Wachstums, dringt darauf, Schwächere nicht abzuhängen, weil sie schwächer sind. Franziskus zeichnet ein verheerendes Bild vom Zustand der Welt - und vom Umgang der Menschen miteinander."

Weser-Kurier

"Mit seiner Enzyklika 'Laudato si' über die Umwelt hat Papst Franziskus ins Schwarze getroffen", schreibt der "Weser-Kurier" aus Bremen. Wenn es ein Thema gebe, das alle Menschen gleichermaßen betreffe, dann sei es der Klimawandel mit seinen dramatischen Folgen. "Dass Franziskus diesem Thema erstmals eine ganze Abhandlung widmet, zeigt, dass die katholische Kirche in den entscheidenden Menschheitsfragen ein gewichtiges Wort mitreden will und kann", so die Zeitung, die darüber hinaus in der Enzyklika eine "verheerende Kapitalismuskritik" sieht: "Blinder Fortschrittsglaube, Konsumismus und die ungezügelte Macht der Hochfinanz sind die eigentlichen Feindbilder dieses Papstes."

Westfalen-Blatt

Das in Bielefeld erscheinende "Westfalen-Blatt" betont die Deutlichkeit, mit der Papst Franziskus das Thema Umweltschutz in seiner Enzyklika "Laudato si" beschreibt. "Er stellt den Zusammenhang zwischen der Zerstörung der Umwelt und der Armut in vielen Ländern her und verweist damit auf die moralische Dimension des Problems", so die Zeitung. Ungewöhnlich für eine Enzyklika sei außerdem, dass Franziskus konkrete Lösungsvorschläge benenne. Das "Westfalen-Blatt" bilanziert: "Noch nie zuvor war ein Papst so politisch. Er polarisiert, beeinflusst die Meinung und erreicht damit auch Nichtkatholiken." Der Erscheinungstermin sei fünf Monate vor der entscheidenden Klimakonferenz in Paris vom Papst taktisch klug gewählt.

Linktipp: Themenseite zu "Laudato si"

Am 18. Juni 2015 wurde die Enzyklika "Laudato si" von Papst Franziskus veröffentlicht. Sie beschäftigt sich vorrangig mit ökologischen Fragen. Katholisch.de hat alles Wichtige rund um das Schreiben zusammengestellt.
Von Steffen Zimmermann