Autobahnkirchen sind ein deutsches Phänomen

Glauben tanken

Veröffentlicht am 28.06.2015 um 00:01 Uhr – Von Samuel Dekempe (KNA) – Lesedauer: 
Reise

Kassel ‐ Mit der beginnenden Urlaubszeit erhöht sich auch der Verkehr auf den deutschen Autobahnen. Wer zwischendurch mal eine etwas andere Pause machen will, der ist in einer der 44 Autobahnkirchen richtig.

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Heute wird bundesweit der Tag der Autobahnkirchen begangen. "Die Autobahn ist Deutschlands größte Psychiatrie", soll der Schauspieler Henning Venske einmal gesagt haben. Auch die Kirchen halten viel von der Möglichkeit, Tankstellen des Glaubens zu schaffen. 1958 wurde die erste Autobahnkirche eingeweiht. Mittlerweile gibt es 44 in ganz Deutschland. Und es zeichnet sich weiterer Zuwachs ab.

Erste Autobahnkirche steht zwischen München und Stuttgart

"Der Wunsch nach Rastplätzen für Leib und Seele groß ist", sagtBirgit Krause, Mitarbeiterin in der Akademie der Versicherer im Raum der Kirchen (VRK) und zuständig für die Autobahnkirchen. Meist komme der Impuls für solch einen Kirchenbau aus den Pfarrgemeinden, sagt sie. Aber auch Privatleute können Initiatoren sein.

So stiftete der Augsburger Papierfabrikant Georg Haindl die erste Autobahnkirche. Sie steht an der A8 zwischen München und Stuttgart, im bayrischen Adelsried. Mit der Idee wollte er die Tradition der mittelalterlichen Wegekreuze in die Gegenwart transportieren. 1958 wurde das Gotteshaus mit dem Namen "Maria, Schutz der Reisenden" eröffnet und gab den Anstoß für weitere Autobahnkirchen in Deutschland.

Von den bislang 44 erbauten Kirchen sind 19 evangelisch, 17 ökumenisch und 8 katholisch getragen. "Die katholischen Kirchen sind deutlich in der Minderheit", stellt Krause fest, "die stehen aber auch fast alle in Bayern".

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Video: © Nicole Stroth

Autobahnkapelle im Hegau: Ruhe und Besinnung direkt an der A81

Aber nicht jede Kirche, die direkt an einer Autobahn liegt, darf sich auch Autobahnkirche nennen. Dafür gibt es klare Kriterien: Sie muss eine direkte Anbindung an eine Autobahnraststätte oder eine -abfahrt haben, die Zustimmung des Bundesverkehrsministeriums muss vorliegen, die Entfernung zwischen zwei Autobahnkirchen sollte mindestens 80 Kilometer betragen und die Autobahnmeisterei muss Schilder aufstellen.

Manche Autobahnkirchen haben rund um die Uhr offen

Außerdem muss eine Autobahnkirche mindestens von acht Uhr morgens bis acht Uhr abends ihre Tore offen halten. "Manche haben auch rund um die Uhr offen", sagt Krause. Denn sie sind ja nicht nur zum Gottesdienstfeiern da. Und auch zur Raumgröße gibt es Vorschriften: Der Innenraum der Kirche sollte so groß sein, dass auch einer Bus-Reisegruppe der gemeinsame Besuch möglich ist, heißt es in den Kriterien.

Wie die Vorschriften für die Autobahnkirchen, so sind auch die Gotteshäuser ein deutsches Phänomen: In der Schweiz und in Tschechien gibt es jeweils nur eine und in Österreich lediglich zwei Autobahnkirchen.

Eine Lichtschranke zählt die Besucher

Zur Zahl der Besucher gibt es nur Schätzungen. So steht am Eingang der katholischen Autobahnkirche Sankt Christophorus Himmelkron an der A9 eine Lichtschranke, um Besucher zu zählen. Etwa 100.000 Menschen sollen demnach das Gotteshaus im nordbayrischen Bad Berneck jährlich besuchen.

Bundesweit sollen im Jahr sogar rund eine Millionen Menschen in die Autobahnkirchen strömen. Laut der Studie "Spurwechsel: Gott auf der Autobahn" ist der durchschnittliche Autobahnkirchenbesucher männlich, katholisch, verheiratet und hat Kinder. Das Ungewöhnliche: 40 Prozent stehen der Kirche eher distanziert gegenüber. Der typische Besucher sei also ein "Autobahnkirchensponti", dessen Besuch "eine ungeplante Kurzweilinsel zum religiösen Auftanken" darstellt, so die Statistiker.

Krause betont, dass neben spontanen Besuchern vor allem Pendler in den Autobahnkirchen anzutreffen sind. "Die nehmen das Angebot wahr, um für ein paar Minuten zu entspannen." Neben der Möglichkeit, zur Ruhe zu kommen, werben die Kirchen außerdem mit ihrem Beitrag zur Verkehrssicherheit. Denn wer in Autobahnkirchen Rast gemacht hat, der fährt laut VRK danach gelassener, rücksichtsvoller und sicherer.

Von Samuel Dekempe (KNA)