Geplante Kontrollen der Kirchenfinanzen stoßen auf Kritik

Erhöhter Druck auf Religionsgemeinschaften

Veröffentlicht am 02.07.2015 um 10:50 Uhr – Von Oliver Hinz (KNA) – Lesedauer: 
Russland

Bonn/Moskau ‐ Die Nichtregierungsorganisationen waren zuerst dran, nun trifft es die Glaubensgemeinschaften: Das russische Parlament will ihre Geldquellen genau unter die Lupe nehmen. Kritiker sehen Kirchen, die Spenden aus dem Ausland erhalten, unter Generalverdacht.

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Ausländische Geldquellen dürften nicht länger verheimlicht werden, sagte der Vorsitzende des Duma-Ausschusses für religiöse Organisationen, Jaroslaw Nilow, von den nationalistischen Liberaldemokraten laut russischen Medienberichten (Dienstagabend).

Spitzenvertreter der orthodoxen Kirche und der Muslime begrüßten das geplante Gesetz. Es diene der Überwachung von "destruktiven pseudoreligiösen Sekten und extremistischen Kräften", die aus dem Ausland unterstützt würden, zitiert die staatliche Nachrichtenagentur RIA Novosti den Chef der Kirchenabteilung für die Beziehungen zur Gesellschaft, Erzpriester Wsewolod Tschaplin. Seit langem in Russland bestehenden Glaubensgemeinschaften drohten hingegen keine zusätzlichen Kontrollen.

Regierung will extremistische religiöse Gruppen besser kontrollieren

Die jüdische Gemeinde kritisierte hingegen, die Buchhaltung würde künftig sehr erschwert. Die Vatikanbotschaft in Moskau zeigte sich ebenfalls skeptisch. Die Kulturattache der Nuntiatur, Giovanna Parravicini, verlangte vor einigen Tagen, dass das Gesetz die Solidarität und Hilfe zwischen Christen über Grenzen hinweg nicht unterbinden dürfe.

Russlands Präsident Wladimir Putin
Bild: ©dpa

Russlands Präsident Wladimir Putin ist orthodoxer Christ und zeigt Nähe zum orthodoxen Moskauer Patriarchat. Die Geldquellen der Religionsgemeinschaften will er trotzdem genau unter die Lupe nehmen.

Das katholische Osteuropa-Hilfswerk Renovabis in Freising bei München bedauerte, dass das geplante Gesetz ein "Grundmisstrauen gegen Religionsgemeinschaften schürt". Entscheidend sei, wie das Gesetz umgesetzt werde, sagte Russland-Referentin Angelika Schmähling am Mittwoch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Es gebe "keine direkte Gefahr für die katholische Kirche in Russland, weil sie sehr gut in dem Land verankert ist". Renovabis fördert in Russland nicht nur katholische Einrichtungen, sondern auch orthodoxe Projekte.

Die russische Regierung will mit dem Gesetz nach eigenen Angaben extremistische religiöse Gruppen unter ihre Kontrolle bringen. Doch dieses Ziel würde auf diesem Weg kaum erreicht, betonte der evangelisch-lutherische Moskauer Erzbischof Dietrich Brauer. "Die eigentlichen extremistischen Gruppen agieren nicht in der offiziellen Sphäre und sind gar nicht als religiöse Organisationen registriert", sagte er der KNA. Die traditionellen Konfessionen seien schon jetzt "unendlichen Kontrollen durch unterschiedliche staatliche Ämter ausgesetzt, die die Zeit unserer Mitarbeitern voll in Anspruch nehmen und uns von unseren Hauptaufgaben ablenken". Der Staat solle die Kirchen endlich als Partner sehen, statt "totale Kontrolle auszuüben".

Caritas beklagt sich über penible Kontrollen der Behörden

Der Gesetzentwurf erinnert an ein umstrittenes Gesetz aus dem Jahr 2012, das Nichtregierungsorganisationen, die aus dem Ausland Geld erhalten und in Russland politisch aktiv sind, als "ausländische Agenten" bezeichnet. Sie müssen sich speziell registrieren lassen und unterliegen einer strengeren Finanzkontrolle. Diese Kontrollen dienen laut betroffenen Nichtregierungsorganisationen auch dazu, ihre Aktivitäten lahmzulegen. Religionsgemeinschaften können dem Entwurf zufolge allerdings nicht als "ausländische Agenten" eingestuft werden.

Trotzdem sehen Kritiker die Gefahr, dass Kirchen als vom Ausland finanziert gebrandmarkt werden könnten. Die katholische und die evangelische Kirche erhalten ebenso wie die muslimischen und jüdischen Gemeinden in Russland häufig ausländische Spenden, vor allem von Diasporawerken. Erzbischof Brauer verweist darauf, dass es seit der Zeit der Apostel zur guten Tradition geworden sei, dass eine Gemeinde der anderen helfe, wo auch immer sie sich befinde.

In den vergangenen Jahren klagte unter anderem die katholische Caritas über penible Kontrollen der Behörden. Die Staatsanwaltschaft ging gegen den Sozialverband unter anderem vor, weil in Sankt Petersburg für die rund 100 Jahre alten Teppich- und Parkettböden Brandschutzzertifikate sowie Gebrauchsanweisungen für die Feuerlöscher fehlten. Hohe Bußgelder konnten katholische Einrichtungen zuletzt jedoch meist abwenden.

Von Oliver Hinz (KNA)