Ökumenische Gemeinschaft feiert Jubiläum - und schaut nach vorn

Frühlingsinspektion in Taizé

Veröffentlicht am 09.08.2015 um 16:00 Uhr – Von Alexander Brüggemann (KNA) – Lesedauer: 
Ein Morgengebet der Gemeinschaft von Taizé.
Bild: © KNA
Frankreich

Taizé ‐ Seit Sonntag feiert die Gemeinschaft von Taizé eine "Solidaritätswoche". Die Brüder gedenken mit ihren zahlreichen jungen Gästen nicht nur ihrer Gründung vor 75 Jahren, sondern auch des zehnten Todestags ihres Gründers, Frère Roger.

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Die Brüdergemeinschaft aus Burgund feiert Mitte August eine Gedenkwoche. Nach dem 100. Geburtstag von Frère Roger (1915-2005) am 12. Mai jährt sich am 16. August zum zehnten Mal sein Todestag. Und vor 75 Jahren (20. August) wurde mit Rogers Hauskauf in Taizé der erste Stein für die spätere Communauté gelegt. Die Jubiläen sind Anlass zur Freude - aber auch zur Selbstvergewisserung und Neujustierung.

In Taizé spricht man lieber von einer "Solidaritätswoche". Denn auch wenn die Brüder wie stets Abstand zur Tagespolitik und ihren Parteiungen halten, so zeichnet die Gemeinschaft doch ein tiefes politisches Engagement aus: für die Armen und Ausgegrenzten, für die Opfer von Ungerechtigkeit und Konflikten.

Wege zur Solidarität suchen

Die Feierwoche beginnt am Sonntag und gipfelt eine Woche später am 16. An diesem Datum wurde der 90-jährige Frère Roger 2005 während des Abendgebets von einer geistig verwirrten Frau erstochen. Der amtierende Prior, der deutsche Katholik Frère Alois (61), sagt, man wolle zu diesem Anlass mit den Jugendlichen Wege suchen, "um noch stärker aus dem Glauben heraus in Solidarität mit anderen zu leben".

Bild: ©KNA

Der derzeitige Prior der Gemeinschaft von Taizé:: Frère Alois Löser. Ihm sagt man eine größere ökumenische Ungeduld nach als seinem Vorgänger Frère Roger.

Taizé ist ein Symbol der ökumenischen Bewegung. Das kleine Dorf in Burgund wurde seit den 1950er Jahren zum Treffpunkt für Jugendliche aus aller Welt. Der Gemeinschaft gehören heute rund 100 evangelische und katholische Männer aus mehr als 25 Ländern an. Seit 1974 Zehntausende zu einem "Konzil der Jugend" zusammenkamen, veranstalten die Taizé-Brüder regelmäßig Jugendtreffen auf allen Kontinenten. Dieses "Konzil" haben sie zu einem permanenten "Pilgerweg des Vertrauens" umgewidmet. Zusätzlich zur allwöchentlichen Begegnung von Tausenden Pilgern in Taizé findet jährlich über Silvester ein "Taizé-Treffen" in einer europäischen Großstadt statt; das nächste im spanischen Valencia.

Auch für die Brüder eine besondere Zeit

Zu den Feiern werden auch hochrangige Vertreter zahlreicher christlicher Kirchen und anderer Religionen erwartet. Es wäre freilich ein Stilbruch, wenn am Todestag von Frère Roger eine Art Festhochamt zelebriert würde. Die schlichte Gebetsversammlung mit den internationalen Würdenträgern und Tausenden Jugendlichen am Sonntagnachmittag (16.) soll, wenn möglich, unter freiem Himmel stattfinden.

Abseits des großen Protokolls sind diese Tage auch für die Brüdergemeinschaft eine besondere Zeit: Alle Mitglieder der kleinen Fraternitäten weltweit kommen für die Festwoche nach Taizé. Erstmals seit dem Ausgreifen in die Welt wären dann alle Taizé-Brüder gleichzeitig an einem Ort versammelt.

Linktipp: Ein Kämpfer für die Versöhnung

Junge Erwachsene aus aller Welt pilgern jedes Jahr auf einen kleinen Hügel im Burgund. Roger Schutz hat dort vor 75 Jahren die Gemeinschaft von Taizé gegründet - und damit das Leben tausender Menschen verändert. Im August vor zehn Jahren wurde er während des Abendgebets ermordet. Dieses Jahr wäre er hundert Jahre alt geworden.

"Ach, Taizé, dieser kleine Frühling!", seufzte einst der ökumenisch gesinnte Konzilspapst Johannes XXIII. (1958-1963). Doch kann ein Frühling 50, 75 oder gar 100 Jahre dauern? Er soll es. Die Zahl der Pilger hat seit dem Tod von Frère Roger eher zu- als abgenommen. Manche sagen, Frère Alois habe eine größere ökumenische Ungeduld als sein Vorgänger; er dränge nach vorn und auf Ergebnisse. Doch wie vergleicht man den Grad an Ungeduld, wenn sich die Klimadaten in der Ökumene unterdessen nach unten verschoben haben?

Zwischen Tradition und Innovation entscheiden

Und schließlich die Jugend selbst: Zwischen den unruhigen Langhaarigen der 60er Jahre im noch festen Milieu, den "Children of the 80's" zwischen Helmut Kohl und Joan Baez, der postkommunistischen Wendejugend und den "Sozialen Netzwerkern" des 21. Jahrhunderts ohne institutionelle Bindungen gibt es grundlegende Unterschiede, nicht nur was ihre religiöse und politische Bodenkrume oder ihre Einstellungen zum Thema Sexualität angeht.

Offenheit und Vorläufigkeit zur eigenen Maxime zu erklären, kann für eine entstehende Gemeinschaft fruchtbar und weise sein. Hat man aber erst mal eine Geschichte, kann das auch zur Hypothek werden: sich an der Weggabelung zwischen Tradition und Innovation immer neu entscheiden zu müssen.

Von Alexander Brüggemann (KNA)