Vor dem Konklave: Der Vatikan im Ausnahmezustand

Wer sich in diesen Tagen im Vatikan aufhält, erlebt eine dichte, fast greifbare Atmosphäre: Zwischen Pilgergruppen aus aller Welt mischen sich Ordensfrauen, Kleriker, Journalistinnen und Journalisten. Es ist laut, es wird viel telefoniert, Kameras laufen. Internationale Fernsehteams haben ihre Positionen vor dem Petersdom bezogen – seit den Trauerfeierlichkeiten für Papst Franziskus, der am Ostermontag verstarb, berichten sie ununterbrochen über Kirche und Konklave.
Am Mittwoch begann das Konklave mit der feierlichen Messe "Pro eligendo Romano Pontifice" – der "Messe zur Wahl des Papstes". Tausende Gläubige füllten neben zahlreichen Priestern, Bischöfen und Kardinälen den Petersdom. Die künftigen Papstwähler bekamen auch was zu hören, denn Kardinaldekan Giovanni Battista Re (91) rief eindringlich zur Einheit in der Vielfalt auf. Ein Papst müsse die Gemeinschaft der Kirche stärken – nicht durch Gleichförmigkeit, sondern durch eine "tiefe und feste Einheit in Verschiedenheit".

Internationale Fernsehteams auf dem Petersplatz. Alle warten auf das Konklave.
Doch nicht nur der Kardinaldekan skizzierte in seiner Predigt im voll besetzten Petersdom Erwartungen an den neuen Papst. Auch unter den Pilgerinnen und Pilgern auf dem Petersplatz ist die Erwartung groß. Eine junge Frau aus Deutschland sagte gegenüber katholisch.de, der neue Papst solle tolerant sein und an die Reformen von Franziskus anknüpfen. Eine Ordensfrau äußerte hingegen den Wunsch nach einem Papst, "der niemanden ausschließt und offen ist – vor allem für die Armen". Dabei spiele es keine Rolle, woher er komme, vielmehr müsse er jemand sein, der die heutige Welt versteht und nicht am Vergangenen festhält.
Andere hingegen formulierten klarere Erwartungen: Eine Pilgerin sprach sich für eine stärkere Einbindung von Frauen und eine Reform des Zölibats aus. Ein Priester ohne Familie könne ihrer Meinung nach heutige Familienprobleme kaum nachvollziehen, sagte sie. Doch es gibt auch andere Stimmen. Ein Mann aus den USA wünscht sich einen Papst, der als klarer Lehrer auftritt, den Glauben verteidigt und sich nicht von der Gesellschaft und den Medien leiten lässt. Dennoch wollte er mit den Medien sprechen – um seine Botschaft zu vermitteln.
Teamgeist gefragt
Wie Kardinaldekan Re zum Auftakt betonte, ist die Kirche eine Gemeinschaft in Vielfalt. Diese zu leiten, werde angesichts der innerkirchlichen Krisen und der anhaltenden Missbrauchsskandale in Zukunft nicht einfacher. Teamfähigkeit ist deshalb für die meisten Kardinäle ein zentrales Kriterium für das künftige Kirchenoberhaupt. Doch reicht das aus? Severina Bartonitschek von der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erklärt gegenüber katholisch.de, Evangelisierung sei zwar ein wichtiges Thema in der Kirche, noch wichtiger sei aus ihrer Sicht aber, dass der neue Papst die von Franziskus angestoßenen Reformen fortsetze. Die Synodalität, die das Pontifikat von Franziskus ausgemacht habe, müsse fortgesetzt werden. "Es darf kein Zurück mehr geben", so Bartonitschek. In der Kurie dürfe der künftige Pontifex aber auch keine Angst vor Widerständen haben.
Vor der Kirche liegt also noch ein weiter Weg. Das sieht auch der tschechische Theologe Tomas Halik so. Gegenüber katholisch.de sagte er, die Kirche müsse aus ihrem "kirchlichen Mittagsschlaf" aufwachen und aus den Krisen lernen. "Die Kirche muss sich von jeder Selbstbezogenheit befreien, sie muss ihre Lehre, dass sie ein Sakrament, also Symbol und Werkzeug für die Einheit der ganzen Menschheit ist, ernst nehmen und in die Praxis umsetzen", so der Priester. Ebenso müsse sie eine "immer größere Kirche" sein, eine "Kirche für alle". Das bedeute aber keine geografische Ausdehnung, sondern das Streben in die Tiefe, die Überwindung mentaler und kultureller Grenzen. "Sie muss ihre Identität neu und tiefer entdecken: in Christus, der in der Geschichte immer weiter wächst", so Halik.

Am frühen Abend findet die erste Wahlrunde statt.
Wer auch immer der neue Papst wird – wir werden es (bald) erfahren. Die wahlberechtigten Kardinäle werden jedenfalls am Mittwoch in die Sixtinische Kapelle einziehen. Dort beginnt dann das eigentliche Konklave – unter dem Vorsitz des dienstältesten Kardinalbischofs Pietro Parolin, der bislang Kardinalstaatssekretär und enger Vertrauter von Franziskus war.
Am frühen Abend findet der erste Wahlgang statt. Erreicht kein Kandidat die erforderliche Zweidrittelmehrheit, werden die Stimmzettel verbrannt – schwarzer Rauch steigt auf. In den nächsten Tagen folgen täglich bis zu vier Wahlgänge. Sobald ein Kandidat gewählt ist, steigt weißer Rauch auf. Dann wird die Welt wissen: Habemus Papam – wir haben einen Papst! Sein Name jedenfalls wird, wie der US-Jesuit James Martin sagte, eine Botschaft für die Kirche und die Welt sein.