Umweltenzyklika wurde vor zehn Jahren veröffentlicht

"Laudato si" – Das grüne Vermächtnis von Papst Franziskus

Veröffentlicht am 24.05.2025 um 12:10 Uhr – Von Lisa Maria Plesker (KNA) – Lesedauer: 

Bonn/Vatikanstadt ‐ Ein Papst, der die Welt aufrüttelte: Mit der Enzyklika "Laudato si" forderte der verstorbene Papst Franziskus vor zehn Jahren eine ökologische Umkehr. Wie gehen Kirche, Politik und Gesellschaft heute damit um?

  • Teilen:

Da sind sich die meisten Kommentatoren einig: Der jüngst verstorbene Papst Franziskus hat sich mit der Enzyklika "Laudato si" am 24. Mai 2015 ein bleibendes Denkmal gesetzt. Denn nie zuvor hatte ein Oberhaupt der Kirche mit solcher Klarheit und Dringlichkeit zur ökologischen Krise Stellung bezogen. Zehn Jahre später ist klar: Dieses Schreiben war ein Weckruf – an die Kirche, an die Politik und an die gesamte Menschheit.

In dieser ersten Umwelt-Enzyklika eines Papstes machte sich Franziskus die wissenschaftliche Hypothese einer drohenden Klimakatastrophe zu eigen und rief zu einer radikalen Umkehr in Politik und Wirtschaft auf. Er mahnte einen besseren Umgang mit der geplünderten Umwelt an und verband die Sorge um die Umwelt mit der Sorge um die Menschen, die darin leben. In seiner Predigt zur Beisetzung von Papst Franziskus erklärte Kardinaldekan Giovanni Battista Re, Franziskus habe mit der Enzyklika "Laudato Si" auf die gemeinsame Verantwortung für unser gemeinsames Haus hingewiesen: "Niemand kann sich alleine retten."

Weltklimaabkommen im Blick

Mit seiner Enzyklika wollte Papst Franziskus nach eigenen Angaben auch einen Beitrag zur UN-Klima-Konferenz in Paris leisten. Er forderte die reichen Industrienationen zu einer grundlegenden "ökologischen Umkehr" auf, um globale Umweltzerstörung und den Klimawandel zu stoppen. Es sei "unvertretbar", dass einige "mehr und mehr konsumieren und zerstören, während andere noch nicht entsprechend ihrer Menschenwürde" leben könnten, so Franziskus.

Mit Erfolg: Im Dezember 2015 beschlossen Delegierte aus 196 Staaten nach jahrelangen Verhandlungen in der Nähe von Paris ein Weltklimaabkommen. Das erklärte Ziel der Übereinkunft: den Ausstoß klimaschädlicher Gase zu reduzieren, um die Folgen des Klimawandels in einem beherrschbaren Rahmen zu halten. Der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur sollte auf deutlich unter zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau begrenzt werden.

Luisa Neubauer
Bild: ©KNA/Vatican Media/Romano Siciliani (Archivbild)

Luisa Neubauer im Oktober 2023 bei einer Pressekonferenz im Vatikan. Anlässlich des Todes von Papst Franziskus würdigte sie kürzlich dessen Enzyklika.

Durch sein Schreiben hat der Papst auch die innerdeutsche Politik erreicht: Die Parteispitze der Grünen veröffentlichte nach Papst Franziskus Tod eine ungewöhnlich detailreiche Würdigung seines Einsatzes für den Klimaschutz. Grünen-Vorsitzende Franziska Brantner und der stellvertretende Parteivorsitzende Sven Giegold erklärten, Franziskus' Ökologie bilde einen entschiedenen Gegenentwurf "zu jener brutalen Verbindung von sozialer und ökologischer Rücksichtslosigkeit, die heute manche Politik- und Wirtschaftskonzepte wieder prägt".

Beim Thema Ökologie habe der Papst "eine riesige Pforte aufgestoßen", durch die "Laudato Si" möglicherweise neben die große Sozialenzyklika "Rerum Novarum" (von Papst Leo XIII, 1891) treten werde. Mit der menschlichen Naturbeziehungen gehe Franziskus für jeden verständlich ein "Megaproblem unserer Moderne" für seine Kirche kraftvoll an. Das sei ein Verdienst auch für viele nicht-religiöse Menschen, die sich ebenfalls in der ökologischen Frage engagieren.

Würdigung von Neubauer

Das bestätigte auch Klimaaktivistin Luisa Neubauer, die anlässlich des Todes von Papst Franziskus dessen Enzyklika würdigte. Diese habe Millionen von Menschen erreicht. Gesellschaftlicher Wandel oder ein Wandel der Herzen könne aber nicht wie ein Paket bestellt und verfolgt werden. Man könne aber erahnen, ob Menschen berührt worden seien, so Neubauer. Ihre Großmutter, die nicht katholisch war, habe die Umweltenzyklika "jahrelang durch die Welt getragen, weil sie sich – wie viele andere auch – so sehr davon hat angesprochen gefühlt".

Seit Veröffentlichung der Enzyklika ist nicht nur das Pariser Klimaabkommen verabschiedet worden. Ein weltweites Netzwerk hat sich unter dem Namen "Laudato Si Bewegung. Katholiken für unser gemeinsames Haus" gegründet. Dessen Mitglieder wollen mit Gebet und gemeinsamen Initiativen "Laudato Si" mit Leben füllen.

Intellektuelle Grundlagen für eine Neuordnung der Gesellschaft möchte das 2019 an der Universität Oxford gegründete "Laudato Si' Research Institute" legen – Ziel ist ein sorgsamer Umgang mit der Erde und der Sorge für die Armen. Papst Franziskus selbst hatte 2023 das "Laudato Si' Higher Educational Center" gegründet, das die Gärten der Päpstlichen Villen von Castel Gandolfo in einen Ort der Ausbildung in integraler Ökologie für alle Menschen verwandeln soll.

Bild: ©Stefano Dal Pozzolo/KNA (Archivbild)

Amazonas-Bischof Erwin Kräutler wirkte an der Enzyklika mit.

Die Päpstlichen Bildungseinrichtungen und Universitäten bieten nun auch online einen ökologischen Zertifikatskurs an, der sich an der päpstlichen Umwelt-Enzyklika "Laudato si" orientiert. Der biblische Schöpfungsbericht wird von internationalen Dozenten ebenso beleuchtet wie der menschliche Einfluss auf den Klimawandel.

Italiens Kirche macht vor, welche praktischen Handlungen auch die Kirche vor Ort aus "Laudato Si" ableiten kann: Mit "Gemeinschaften für erneuerbare Energien" will sie der Energiearmut unter italienischen Familien entgegensteuern. Genossenschaftlich aufgebaute Gruppen betreiben mit staatlicher Förderung eigene Solaranlagen auf kirchlichen Gebäuden, verbrauchen den Strom selbst und verkaufen Überschüsse weiter. Ein Teil des wirtschaftlichen Ertrags soll dabei Haushalten mit Energiearmut zugutekommen. Die Idee dahinter: eine aktive kirchliche Energie- und Sozialwende. Mittlerweile setzen Dutzende Bistümer und Kirchengemeinden die Idee in konkrete Projekte um.

Überleben auf dem Planeten Erde

Doch im Sinne von Franziskus Umweltenzyklika bleibt noch viel zu tun: Unter Präsident Trump sind die USA bereits zum zweiten Mal aus dem Pariser Klimaabkommen ausgetreten. Nun gilt dort stattdessen die Devise "Drill baby, drill" (wörtlich: Bohre, Baby, bohre). Unter diesem Motto will die Trump-Regierung Bodenschätze ohne Rücksicht auf etwaige Umweltschäden ausbeuten.

Gerade diesbezüglich sieht der austro-brasilianische Bischof Erwin Kräutler eine bleibende Aktualität von "Laudato si". Die Enzyklika betone, "dass die Worte 'unterwerft und herrscht' von Genesis 1,28 kein Freibrief für eine skrupellose Ausbeutung der Naturgüter sind", erklärte Kräutler anlässlich des Papst-Todes. Er selbst war von Franziskus aufgefordert worden, seine Vorschläge zur Umweltenzyklika beizusteuern.

Weiter sagte Kräutler, die Worte aus dem Schöpfungsbericht würden in der Enzyklika geschildert als "Auftrag an die Menschen, Verantwortung für die Schöpfung zu übernehmen und nie das Recht auf Lebensqualität und gesunde Existenzbedingungen zukünftiger Generationen außer Acht zu lassen". Der Bischof zeigte sich überzeugt, die vom Papst geforderte "ökologische Bekehrung" – der Denkweise, Weltanschauung und Handlungen – werde über das Überleben auf dem Planeten Erde entscheiden.

Von Lisa Maria Plesker (KNA)