Elena Cenci über ihre Aufgabe an und in der Berliner Bischofskirche

Neue Dombaumeisterin: Die Hedwigs-Kathedrale funktioniert – aber ...

Veröffentlicht am 14.06.2025 um 00:01 Uhr – Von Steffen Zimmermann – Lesedauer: 

Berlin ‐ Seit November vergangenen Jahres erstrahlt die Berliner Hedwigs-Kathedrale nach jahrelanger Sanierung in neuem Glanz. Warum braucht das Gotteshaus jetzt trotzdem eine Dombaumeisterin? Und was genau sind deren Aufgaben? Darüber spricht die neue Dombaumeisterin Elena Cenci im katholisch.de-Interview.

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Als Projektleiterin des Erzbistums Berlin hat die Architektin Elena Cenci jahrelang federführend die Sanierung und Umgestaltung der Berliner Hedwigs-Kathedrale betreut. Anfang Juni nun wurde sie zur neuen Dombaumeisterin der Kathedrale ernannt; damit ist sie auch in Zukunft für den Erhalt des Gotteshauses zuständig. Im Interview mit katholisch.de spricht Cenci über ihre neue Aufgabe und deren "spirituelle Dimension". Außerdem erläutert sie, wie die Kathedrale im liturgischen Alltag funktioniert, welche baulichen Kinderkrankheiten es noch gibt und wie der aktuelle Stand beim Um- und Neubau des benachbarten Bernhard-Lichtenberg-Hauses ist.

Frage: Frau Cenci, den Beruf der Dombaumeisterin kennt man vor allem von jahrhundertealten Kathedralen wie dem Kölner Dom oder dem Freiburger Münster, bei denen kontinuierlich bauliche Erhaltungsmaßnahmen notwendig sind. Warum braucht nun auch die vergleichsweise kleine und gerade erst umfassend sanierte Berliner Hedwigs-Kathedrale eine Dombaumeisterin?

Cenci: Die Sanierung der Hedwigs-Kathedrale hatte das Ziel, das Gotteshaus zukunftsfähig zu machen, damit auch künftige Generationen hier zusammenkommen und Gottesdienst feiern können. Die Bauarbeiten waren aufwändig und haben viel Geld gekostet. Nach der Wiedereröffnung der Kathedrale geht es nun darum dafür Sorge zu tragen, dass der erreichte hochwertige Zustand des Gebäudes möglichst lange erhalten bleibt. Das gilt für die Bausubstanz, die gepflegt und geschützt werden muss, ebenso wie für die neue Technik und die Kunstgegenstände. Um das zu gewährleisten, braucht es eine konstante baufachliche Betreuung – und genau dafür wurde die Position der Dombaumeisterin geschaffen.

Frage: Als Projektleiterin des Erzbistums haben Sie die Sanierungs- und Umbauarbeiten in der Kathedrale jahrelang federführend betreut. Ist Ihre Ernennung zur Dombaumeisterin eine Belohnung für diese Arbeit?

Cenci: Als Belohnung würde ich die Ernennung nicht bezeichnen, der Begriff hat für mich einen falschen Zungenschlag. Ich empfinde die Ernennung eher als Wertschätzung meiner bisherigen Arbeit.

Frage: Vor Ihrer Tätigkeit für das Erzbistum haben Sie als Architektin Wohnungsbauprojekte sowie Hotel- und Museumsbauten betreut. Was hat Sie motiviert, auch nach Abschluss des Bauprojekts an der Hedwigs-Kathedrale für das Erzbistum tätig zu bleiben?

Cenci: Das Sinnstiftende meiner Arbeit hier. Anders als bei profanen Bauwerken geht es hier nicht nur um Konstruktion und Gestaltung, sondern um mehr – um eine Kirche, um liturgische und spirituelle Räume. Das berührt mich nicht nur fachlich, sondern auch persönlich. Ich sehe mich als Teil eines Ganzen, das über rein architektonische Fragen hinausgeht.

Eröffnungsgottesdienst der Sankt-Hedwigs-Kathedrale nach Umbau
Bild: ©KNA/Stefan Meetschen

Eröffnungsgottesdienst der renovierten Sankt-Hedwigs-Kathedrale im November 2025.

Frage: Hat dieses Sinnstiftende Ihnen rückblickend bei früheren Projekten gefehlt?

Cenci: Nein, das würde ich nicht sagen. Auch meine früheren Projekte waren sinnstiftend – ich wollte stets Orte schaffen, an denen Menschen sich wohlfühlen. Aber die spirituelle Dimension, die bei der Hedwigs-Kathedrale dazukommt, ist unvergleichlich. Das ist etwas sehr Persönliches, das meine Arbeit in einer ganz neuen Tiefe erfüllt.

Frage: Sie haben es bereits angedeutet, aber vielleicht können Sie es noch etwas konkreter sagen: Was werden künftig Ihre Aufgaben als Dombaumeisterin sein?

Cenci: Meine zentrale Aufgabe wird es sein, den baulichen Zustand der Kathedrale über die Gewährleistungsfrist der Baufirmen hinaus im Blick zu behalten und dafür zu sorgen, dass die Kathedrale als Gebäude langfristig erhalten bleibt und funktioniert. Dabei geht es vor allem darum, Veränderungen am Bauwerk frühzeitig zu erkennen. Also: Bilden sich irgendwo Risse, tritt Feuchtigkeit auf oder machen die technischen Anlagen Probleme? Ich bin allerdings keine Gebäudemanagerin im klassischen Sinne. Vielmehr geht es darum, zu verstehen, mit welchen Materialien beim Bau gearbeitet wurde, welche planerischen Konzepte dahinterstanden und wie sich der aktuelle Zustand daraus entwickelt hat. Wenn sich beispielsweise Fugen verändern, Farbabweichungen sichtbar werden oder die Innenkuppel Auffälligkeiten zeigt, muss ich das einordnen und reagieren können.

Frage: Anders als in Köln oder Freiburg steht Ihnen allerdings keine eigene Dombauhütte zur Verfügung, die selbstständig Arbeiten an der Kathedrale durchführen könnte ...

Cenci: In der Tat müssen wir bei allen anfallenden Bauarbeiten auf externe Firmen zurückgreifen – vorrangig natürlich auf jene Handwerksbetriebe und Kunstwerkstätten, die an der Sanierung der vergangenen Jahre mitgearbeitet haben. Doch meine Tätigkeit endet nicht an der Außentür der Kathedrale. Es gibt auch Projekte im direkten Umfeld, bei denen meine Aufgabe darin besteht, die Interessen des Erzbistums zu vertreten. Konkret betrifft das etwa geplante Verbesserungen an der Treppe vor dem Haupteingang. Momentan durchschneidet die Behrenstraße direkt am Fuß der Treppe den Vorplatz der Kathedrale – das soll sich ändern.

Frage: Die Kathedrale ist jetzt seit einem guten halben Jahr wieder geöffnet. Würden Sie sagen, dass die bauliche Umgestaltung sich im liturgischen Alltag seither bewährt hat?

Cenci: Ja, absolut. Obwohl die Kathedrale im Inneren umfassend verändert wurde und ein komplett neues Raumkonzept entstanden ist, wurde sie von den Gläubigen ganz selbstverständlich wieder in Besitz genommen. Das ist schon erstaunlich, schließlich gehörte vor allem die Platzierung des Altars in der Mitte der Kathedrale ursprünglich nicht einmal zu den Vorgaben des Architekturwettbewerbs. Aber jetzt wirkt es ganz natürlich, dass der Altar dort steht. Für mich ist das ein Zeichen, dass die Entscheidung richtig war. Der Rundbau hat förmlich nach einer neuen – und zugleich alten – Ordnung verlangt.

„Baulich funktioniert die Kathedrale. Schade ist lediglich, dass das Bernhard-Lichtenberg-Haus noch nicht fertig ist. Dadurch kann das Gesamtprojekt seine Wirkung noch nicht vollständig entfalten.“

—  Zitat: Elena Cenci

Frage: Gibt es aus baulicher Sicht noch Kinderkrankheiten in der Kathedrale?

Cenci: Nein, baulich funktioniert die Kathedrale. Schade ist lediglich, dass das Bernhard-Lichtenberg-Haus noch nicht fertig ist. Dadurch kann das Gesamtprojekt seine Wirkung noch nicht vollständig entfalten.

Frage: Was meinen Sie damit?

Cenci: Im Neubau des Bernhard-Lichtenberg-Hauses ist zum Beispiel ein Café geplant – ein Ort der Begegnung für Besucher, Touristen und die Gemeinde. Nach den Gottesdiensten dort oder auf der Freifläche hinter der Kathedrale zusammenzukommen und den Communio-Gedanken mit Leben zu füllen, das ist aktuell noch nicht möglich.

Frage: Haben Sie einen Lieblingsort in der Kathedrale?

Cenci: Ja – oben im Kuppelumgang, möglichst nah an der Kuppelöffnung, dem sogenannten Opaion. Dieser Ort hat mich von Anfang an fasziniert: der Blick von dort in den Innenraum; das Gefühl, dem Himmel näher zu sein als der Erde. Das war schon während der Bauphase mein Lieblingsplatz – und ist es bis heute geblieben.

Frage: Vor kurzem musste der Hauptraum der Kathedrale für eine Woche geschlossen werden, um Restarbeiten durchzuführen, die vor der Wiedereröffnung im November nicht rechtzeitig geschafft worden waren. Was wurde dort gemacht?

Cenci: Wir haben den Opaionkranz – die große Leuchtkonstruktion rund um die Kuppelöffnung – abgesenkt, um letzte Arbeiten an den Transportwinden innerhalb des Kranzes abzuschließen. Dabei ging es um die sichere Führung der Kabel und die exakte Justierung, damit der Kranz beim Hoch- und Runterfahren in Waage bleibt. Diese Arbeiten konnten aus Sicherheitsgründen nur am Boden ausgeführt werden, deshalb musste die Kathedrale geschlossen werden.

Bild: ©Erzbistum Berlin/Jörg Farys

Elena Cenci an ihrem Lieblingsplatz in der Hedwigs-Kathedrale: dem Kuppelumgang unter dem sogenannten Opaion.

Frage: Große Probleme hat Ihnen zuletzt die Krypta gemacht. Die war seit Ende Februar für mehr als drei Monate geschlossen, weil ein Schaden am Deckenputz aufgetreten war, wie es damals in einer Pressemitteilung des Erzbistums hieß. Was genau ist dort passiert?

Cenci: Nachts hatte sich ein Stück der verputzten Decke gelöst und war herabgefallen. Aus Sicherheitsgründen haben wir die Krypta daraufhin sofort geschlossen und den Schaden gründlich untersuchen lassen.

Frage: Mit welchem Ergebnis?

Cenci: Die Untersuchungen haben ergeben, dass es ein Problem mit der Haftung zwischen dem Deckenputz und der Rohbaudecke gab. Der Putz selbst ist stabil, aber an einigen Stellen war die Verbindung zur Decke nicht mehr ausreichend. Die Gründe dafür sind komplex, weil es sich um chemische Prozesse handelt, bei denen unter anderem auch die raumklimatischen Verhältnisse eine Rolle spielen. Nachdem die Ursache bekannt war, wurde ein Sanierungskonzept erarbeitet und umgesetzt, bei dem der Putz nochmal zusätzlich an der Decke befestigt wurde.

Frage: Handelte es sich bei dem Problem um einen Baumangel oder gar Pfusch?

Cenci: Nein, davon kann man nicht sprechen. Solche Fälle können auftreten – selbst bei Arbeiten von Fachfirmen. Wir sind froh, dass das Problem nun behoben ist. Es war extrem schmerzhaft, dass wir die Krypta in der ersten Fasten- und Osterzeit in der sanierten Kathedrale nicht nutzen konnten.

Frage: Gucken wir noch einmal auf das Bernhard-Lichtenberg-Haus. Der Um- und teilweise Neubau des Hauses ist noch im Gange, vor rund zwei Monaten wurde Richtfest gefeiert. Wie ist der aktuelle Stand?

Cenci: Der Rohbau steht, die Fenster im Neubau und im Altbau sind eingesetzt, beide Dächer sind abgedichtet – die äußere Hülle ist also so weit fertig, dass wir mit dem Innenausbau beginnen konnten.

„Komplett fertig wird das Projekt vielleicht nie sein. Gerade im Lichtenberg-Haus werden wir insbesondere in der Anfangszeit sicher noch viele Dinge entdecken, die wir nachjustieren oder ergänzen müssen.“

—  Zitat: Elena Cenci

Frage: Zuletzt war die Fertigstellung des Hauses für Ende 2025 geplant. Bleibt es dabei?

Cenci: Nein, diesen Zeitplan werden wir nicht halten können. Wir rechnen derzeit damit, das Haus Ende September kommenden Jahres wieder in Betrieb nehmen zu können.

Frage: Wenn das Lichtenberg-Haus fertig ist – worauf freuen Sie sich dort am meisten?

Cenci: Am meisten freue ich mich darauf, dass wir dort viele zentrale Funktionen an einem Ort bündeln. Schon früher hatte das Haus vielfältige Aufgaben, aber künftig wird es ein echtes Zentrum sein. Die Dommusik zieht dort ein, auch die Dienstwohnung und das Büro des Erzbischofs sowie die Dompropstei werden dort sein. Im Altbau entsteht ein Ausstellungsbereich, in dem auch Menschen, die wenig oder keinen Bezug zur Kirche haben, Informationen und Zugänge zum Glauben finden können. Alles ist aufeinander abgestimmt – auch das geplante Inklusionscafé passt wunderbar zu unserem Konzept.

Frage: Seit sechs Jahren begleiten Sie das Bauprojekt an der Kathedrale. Wenn im kommenden Jahr wirklich alles fertig sein sollte – was machen Sie dann? Erst mal Urlaub?

Cenci: Ganz ehrlich: Komplett fertig wird das Projekt vielleicht nie sein. Gerade im Lichtenberg-Haus werden wir insbesondere in der Anfangszeit sicher noch viele Dinge entdecken, die wir nachjustieren oder ergänzen müssen. Es geht also immer weiter – und ich freue mich darauf.

Von Steffen Zimmermann