Es gebe "keine leichten Taten"

Missbrauchsbetroffene kritisieren Urteil gegen Priester scharf

Veröffentlicht am 19.08.2025 um 11:54 Uhr – Lesedauer: 

Bern ‐ Scharfe Kritik am Rechtsspruch gegen einen Tessiner Geistlichen: Jeder Fall von Missbrauch sei einer zu viel, heißt es – die Argumentation des Richters bagatellisiere das Leid der Betroffenen.

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Missbrauchsbetroffene empört das Gerichtsurteil im Prozess gegen einen Geistlichen des Bistums Lugano. Bei sexuellem Missbrauch gebe es "keine leichten Taten", erklärte die Tessiner Vereinigung zur Unterstützung von Missbrauchsbetroffenen im religiösen Umfeld am Montag. Kritik üben sie vor allem an der Argumentation des Richters. Dieser hatte erklärt, dass bei den "meisten" der insgesamt neun Betroffenen der 59-jährige Geistliche die Genitalien nicht berührt habe – nur in "wenigen Fällen" soll es dazu gekommen sein.

Ebenso hatte der Richter den Fall als "leicht" eingestuft. Die Forderung einer Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren bezeichnete er als "völlig übertrieben", da der Geistliche "kooperativ" gewesen sei und Reue gezeigt habe. Das kritisiert die Vereinigung: "Jeder sexuelle Missbrauch an Minderjährigen oder an einer verletzlichen Person ist ein Missbrauch zu viel."

Geistlicher war als Jugendseelsorger aktiv

Für die Betroffenen gebe es weder Verjährung noch bedingte Strafen. Es bestünde nur die Möglichkeit, Hilfe zu suchen, um mit dem Geschehenen leben zu können. "Das Leid der Betroffenen hängt weder von quantitativen Faktoren (wie oft es geschehen ist) noch von qualitativen (welche Art von körperlichem Kontakt, an welchen Körperstellen) ab – und auch nicht davon, wie die Ermittlungen abliefen", so die Vereinigung.

Hintergrund ist der Fall eines Geistlichen, dem vorgeworfen wird, sich zwischen 2015 und 2023 an neun Jugendlichen vergangen zu haben. Vier der Opfer waren minderjährig. Ebenso soll der Kleriker Kinderpornografie konsumiert haben. Verhaftet wurde der Priester im August 2024 nach einer Rückkehr von einer Reise in den bosnisch-herzegowinischen Wallfahrtsort Medjugorje. Im Kanton Tessin war er als Jugendseelsorger aktiv und hielt Religionsunterricht. Vor wenigen Tagen wurde der Priester zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten auf Bewährung verurteilt. (KNA)