Standpunkt

Ein Gegenpol zur politischen Instrumentalisierung von Religion

Veröffentlicht am 21.08.2025 um 00:01 Uhr – Von Regina Nagel – Lesedauer: 

Bonn ‐ Religionen werden momentan massiv politisch instrumentalisiert – da braucht es einen Gegenpol, schreibt Regina Nagel. Sie findet ihn bei einer multireligiösen Feier für Menschen, die ein Organ gespendet bekommen haben.

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In dieser Woche finden in Dresden die World Transplant Games statt. Ca. 2.000 Sportler*innen im Alter von vier bis achtzig Jahren aus über 50 Ländern treten nicht nur gegeneinander an, sondern sie treten miteinander für Organspende auf.

Was Lebensweise oder Weltanschauung anbelangt, so ist das Spektrum unter Transplantierten so vielfältig wie überall in unserer Welt. Was alle verbindet, ist ein zweites, geschenktes Leben, weil Menschen bereit waren, ihre Organe zu spenden.

Die Veranstaltung begann mit einer interreligiösen Feier in der Frauenkirche. Vertreter*innen verschiedener Religionen demonstrierten, wie Dankbarkeit und Hoffnung über alle Glaubensrichtungen hinweg Menschen verbinden und bewegen können. Ein Hindu, ein Muslim, ein Jude und ein Christ sprachen Gebete. Eindrücklich ergänzt wurden diese durch musikalische Beiträge des multireligiösen Ensembles "Coexist". Neben dankbaren Organempfängern kam die Schwester eines jungen Spenders zu Wort, ebenso ein Arzt. Die Feier war das, was Pfarrerin Angelika Behnke zu Beginn angekündigt hat: ein hoffnungsvolles Zeichen in turbulenten Zeiten.

Die Teilnehmenden verknüpften bunte Schnürsenkel zu einem Netz, weil "jedes menschliche Leben hineinverknüpft ist in das große Seil der Menschheit" und weil wir "im Geben und Nehmen, im Binden und Lösen das unendliche Band der Liebe knüpfen können".

Am Ende wurden Wünsche vorgetragen. Einer wünschte sich, dass nicht nur die sportlichen Siege geehrt werden, sondern der stille Mut des Herzens und der Hoffnung, die Gnade des Gebens, der Geist des Mitleids und der Dankbarkeit. Dies alles überstrahle auch die größte Goldmedaille, die es zu gewinnen gebe.

Diese Feier, bei der auch religiös ungebundene Menschen herzlich willkommen waren, wurde aufgezeichnet. Sie ist sehenswert und berührend. In einer Zeit, in der Religionen, auch die christliche, politisch massiv instrumentalisiert werden, ist sie ein Gegenpol, der frei ist von Missionierungseifer, Manipulation oder gar Fanatismus.

Als selbst Herztransplantierte bin ich gerne Teil dieser Gemeinschaft von Botschafter*innen der Hoffnung und der zweiten Chance. Wir dürfen niemals die Augen verschließen für all das Unerträgliche, das Tag für Tag geschieht auf unserer Welt. Gleichzeitig ist es notwendig, solche Momente der Zuversicht wahrzunehmen oder sogar zu ermöglichen.

Von Regina Nagel

Die Autorin

Regina Nagel ist Religionspädagogin, Wirtschaftspsychologin und Autorin. Sie studiert derzeit Geschichte Europas an der FernUniversität Hagen und engagiert sich bei den Omas gegen Rechts Deutschland e.V.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.